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Französische Verhältnisse?

Ein gewaltiger Denkfehler befördert die Regierung immer wieder ins mentale Ghetto. Sobald Wahlergebnisse mehr nach einer Abstrafe als nach Zustimmung aussehen und sobald sich Proteste formieren, die gegen die Regierungspolitik gerichtet sind, wird nach Ursachen gesucht. Letztere werden nahezu serienmäßig irgendwelchen extremistischen Wirrgeistern zugeschrieben oder sie sind das Ergebnis schlechter Kommunikation. Wer kennt nicht den Satz „Wir müssen unsere Politik besser erklären?“ Er beinhaltet, neben dem blinden Auge in Bezug auf die eigene Agenda, eine Vorstellung maximaler Begriffsstutzigkeit auf Seiten der Bevölkerung. 

Letztere hat tatsächlich einen schweren Stand. Denn vieles, was die Regierung als alternativlos ansieht, ist in den Augen eines Großteils der Bevölkerung ein verhängnisvoller Fehler. Ohne eigene Strategie dem Showdown um die Weltherrschaft den USA bedingungslos zu folgen und zunehmend auf das Mittel von Kriegen zu setzen, ist gesellschaftlich trotz eines immensen Werbeaufwandes nicht konsensfähig. Die daraus immer wieder abgeleiteten Maßnahmen mit verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen werden ebensowenig von der Bevölkerung geteilt. Ein weiterer Denkfehler seitens der Regierung besteht darin, dass man in der Lage wäre, durch eine Gesetzesinitiative nach der anderen jede Form des Dissenses zu kriminalisieren und unmöglich machen zu können. Das Kalkül entstammt aus der Täuschung, dass die eigene Blase, in der man sich befindet, ein Abbild der gesamten Gesellschaft darstellt. Letzteres suggeriert auch die Berichterstattung, die sich ihrerseits zu einer Selbstbestätigungsveranstaltung entwickelt hat.

So existiert auf der einen Seite die Vorstellung, man mache alles richtig und nur Irre oder Staatsfeinde könnten anderer Auffassung sein und auf der anderen Seite existiere ein Volk, dass rückständig sei und nichts begreife. Wenn sich die Verhältnisse so darstellen, wie geschildert, wundert es nicht, dass die weitere Entwicklung nicht ohne gewaltige Eruptionen vonstatten gehen wird. Und, egal, um wen es sich und um welche Proteste es sich auch handelt, zunächst wird versucht, die Richtigkeit der eigenen Politik zu unterstreichen. Dann folgt die Belehrung, damit auch jeder versteht, wie gut das alles ist. Und wenn das nichts mehr nützt, kommt die Extremismus-Keule. Dann ist der Protest längst unterwandert von der AFD, den Neofaschisten etc.. Neben dieser gewaltigen Fehleinschätzung greift dann noch der Sympathie-Reflex für diejenigen, die eigentlich abwartend daneben stehen und sich nur die Hände reiben können.

Um es deutlich zu sagen: Dilettantismus ist kein politisches Programm. Und störrische Rechthaberei ebensowenig. Da hilft auch keine Publikumsbeschimpfung. Der Verweis auf handwerkliche Fehler mag in der einen oder anderen Frage zutreffen, aber er trifft nicht den Kern.  Mit diesem Programm der Klärung ist die bestehende Opposition keine Alternative. Erst eine Klärung der Grundpositionen und die Darlegung einer eigenen und eigenständig entwickelten Strategie würden die ernst nehmen, in deren Auftrag Mandate vergeben werden. 

So, wie es aussieht, ist nicht damit zu rechnen, dass auf Regierungs- wie Oppositionsseite mit einem Kurswechsel zu rechnen ist. Also stehen, trotz der hektischen Anti-Was-Auch-Immer-Gesetzgebung, die Zeichen auf Sturm. Er wird sich ausweiten und heftiger werden. Und das Geschrei wird lauter werden. Feinde ringsum! Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft sprach jetzt davon, man solle Traktoren als Vehikel bei Demonstrationen verbieten. Und er warnte vor französischen Verhältnissen. Das wäre ja noch schöner. Mit dem letzten Satz hatte er allerdings recht!