Seien wir einmal ehrlich! Programmatisch verbreitet der gegenwärtige Wahlkampf Langeweile. Nichts, was nicht schon bekannt wäre und nicht das Aroma einer Wiederholung verströmte. Alle antretenden Parteien kommen, wenn überhaupt, mit politischen Aussagen oder Ankündigungen um die Ecke, die sie schon immer im Repertoire hatten. Und, auch das wie immer, viele der Spots und Plakate, sind ohne jeglichen politischen Inhalt. Käme man nach langer Zeit aus einem anderen, fernen und fremden Land, hätte man das Gefühl, auf Altvertrautes zu stoßen.
Dass die Welt sich im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert hat, kann man am Auftreten der politischen Parteien hierzulande nicht erkennen. Einmal abgesehen von lange zurückliegend geglaubten Ressentiments aus dem Kalten Krieg, die ein großes Revival erlebt haben, ist alles beim Alten geblieben. Die einen hauen mit uralten neoliberalen Parolen auf die Pauke, die anderen kommen mit einem Erste-Hilfe-Kasten vor das Wahlvolk und versprechen ihm etwas Linderung bei akuten Verletzungen, dritte wiederum singen ein Öko- und Klima-Lied, das bei der gleichzeitigen Kriegsmentalität einer Inszenierung aus dem absurden Theater gleicht. Und diejenigen, die sich nicht nur gegen den Krieg als Mittel der vermeintlichen Interessenvertretung stellen, sondern auch auf die Auswirkungen bereits geführter Kriege hinweisen, bekommen zwar Zuwachs, werden aber gleichzeitig kollektiv von den programmatisch Stehengebliebenen als Spione des Feindes bezeichnet oder gar des Rechtsradikalismus bezichtigt. Demnach, nur als Hinweis an diejenigen, die zumindest guten Willens sind, wäre ein Willy Brandt heute ein Agent Putins und Helmut Schmidt ein gesichert Rechtsradikaler.
Die Dummheit und Kuriosität einer museal verharrenden Politiklandschaft dokumentiert in bedrückendem Maße, in welch verheerenden Zuständen wir uns befinden. Denn wenn eines offensichtlich ist, dann ist es die Unfähigkeit, aus den sicherlich kostspieligen und schmerzhaften Erfahrungen der letzten Jahre Schlüsse zu ziehen und die Politik zu ändern. Alles erinnert an das in der Poesie immer wieder bemühte Narrenschiff, bei dem vom Kapitän bis zum Hilfsmatrosen niemand mehr eine Vorstellung davon hat, wie die totale Havarie verhindert werden kann.
Die mediale Begleitung dieses Trauerspiels entspricht seinem Charakter. Da geht es nicht um gute Ideen, um Vorstellungen zu gehender Wege, von Konzepten, die die Bevölkerung inspirieren und zum Mitmachen anstiften könnten, sondern um Lug und Trug, um Verdächtigungen und Diskreditierungen. Es fehlt nicht mehr viel, und der ganze Unrat einer aus der Zeit gefallenen Gosse wird von den ehemaligen Flaggschiffen des Journalismus auf das Volk hinabgeschüttet. Schon heute befällt immer mehr Menschen die Scham bei der Betrachtung dieses Niedergangs. Und spätestens nach dem Tag der Wahl wird es losgehen, das Verurteilen einer geistig minderbemittelten, intellektuell überforderten und von seinen Bildungsdefiziten gezeichneten Bevölkerung. Sehen sie sich die Journale und Kommentare am Tag danach an! Es wird so kommen!
Was die Frage aufwirft, ob es überhaupt etwas Klügeres gibt, als die möglichen Koalitionen derer, die einer grundlegenden Veränderung unfähig sind, sich selbst zu überlassen. Um Zeit zu gewinnen, für einen Neuanfang. Ja, der muss demokratisch sein. In seinem tiefsten Sinn. Ohne Ressentiment oder Belehrung. Wie schrieb vor kurzem ein kluger Zeitgenosse? Wir haben nur eine Perspektive, wenn es gelingt, dass unsere schöpferischen Kräfte in der Lage sind, das Ressentiment in Schach zu halten. Verbrennen wir die Farben! Seien wir pragmatisch!
