Schlagwort-Archive: Prigoschin

Im Kriege sind sich alle gleich!

Biermanns Zeilen aus dem Jahr 1965, in denen es hieß, „Soldaten sind sich alle gleich, lebendig und als Leich“, ist nach wie vor eine berechtigte Sichtweise auf den Krieg. Was bei dieser Betrachtung nicht zur Sprache kommt, ist die Perspektive derer, die die Kriege inszenieren, in die Länge ziehen und nicht genug davon bekommen. Sie enden nicht als Leichen, sondern sie verdienen am Krieg, vielleicht erhalten sie sogar Machtzuwachs und im schlimmsten Falle enden sie in einem goldenen Käfig. 

Die Motivation, einen Krieg vom Zaun zu brechen, ist immer dieselbe. Es geht um Macht, Land und Ressourcen. Das gilt für alle, die den Krieg inszenieren. Damit keine Missverständnisse entstehen: es gilt auch aktuell für alle. 

Bei der Argumentation, warum Kriege geführt werden, stellt der II. Weltkrieg mit den Fieberphantasien des nationalistischen Imperialismus und den Zerstörungen, die er gebracht hat, eine Zäsur dar. Das Grauen, das die Feldzüge und die industrielle Massenvernichtung hervorgerufen haben, betraf nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter. Bei den Opfern ist das naheliegend, der millionenfache Verlust von Menschenleben spricht für sich. Bei den Tätern ist es eine andere Sache. Niederlagen schmerzen und die Transparenz, die über das Leid, das Elend und den Schaden nach Beendigung des Krieges nur in Ansätzen hergestellt werden konnte, hat auch auf der Täterseite einen Schock ausgelöst, der bis heute Bestand hat. Sieht man sich das Psychogramm der Deutschen an, so kann von einer nachhaltigen Wirkung gesprochen werden. 

Die Beidseitigkeit des Traumas hat dazu geführt, dass die neuerliche Begründung von Kriegen, die  übrigens nie einer positiven Läuterung durch vergangene Kriege entsprechen kann, mit den Gräueln der Vergangenheit begründet werden. Nicht im revanchistischen Sinne, sondern in der Vorspiegelung einer wohl gemeinten Prävention. Nach dem II. Weltkrieg werden die völkerrechtswidrigen Kriege, die auf europäischem Boden geführt wurden und werden, mit der Begründung begonnen, man müsse eine Wiederholung der Verbrechen durch einen neuerlichen Faschismus verhindern. Bestimmte Vorfälle und Vorgänge, die allesamt jenseits der Zivilisation, des Humanismus und des Völkerrechts zu verzeichnen sind, werden als Vorwand genommen, um einen neuen Krieg zu beginnen. Und zur Erinnerung: auch dabei geht es nicht um Humanismus oder eine liberale Demokratie, sondern um Macht, Land und Ressourcen.

Das Fatale dabei ist die identische Argumentation. Wer sich die Mühe macht, sich die Begründungen des völkerrechtswidrigen Krieges gegen Serbien und der Invasion in die Ukraine anzusehen, wird überrascht sein, dass sowohl, nennen wir doch die Wortführer beim Namen, im Falle Serbiens ein Joschka Fischer und eine ihn ordinierende Madeleine Albright genauso argumentierten wie heute Wladimir Putin. Natürlich hatten sie edle Motive, natürlich ging es darum, den Faschismus zu verhindern und zu bekämpfen und natürlich ging es um Menschenrechte. Die Perversion dieser Argumentation ist ohnegleichen, zudem ist sie auf beiden Seiten identisch.

Es sei geraten, auch die aus diesem Unsinn resultierende weiterführende Argumentation im Kriegsverlauf zu verfolgen. Da werden alle, die den eigenen Feind auch zu ihrem erklären, zu Verbündeten und zählen zu den Guten. Ein aktuelles Beispiel: in der New York Post avancierte über Nacht der abgestürzte Bluthund Prigoschin zum Dissidenten. 

Sehen Sie sich die Argumente für die Fortführung des Krieges genau an! Auf beiden Seiten! Im Kriege sind sich alle gleich! Nicht nur die Soldaten! 

Der Aufstand des Kochs und der Karneval der Unwissenheit

Mein Gott! Was für eine Geschichte! Der Leibkoch des Zaren probt den Aufstand. Da zittert das ganze Reich und, wer weiß, ein neuer Zar besteigt den Thron? So hätte das im hiesigen schreibenden Gewerbe natürlich niemand von sich geben dürfen, denn die Freiheit des Wortes unterliegt einem strengen Reglement. Dass aber, nachdem die Meldung heraus war, dass der ehemalige Vertraute Putins mit seiner vom Restaurationsbetrieb zur Privatarmee gemauserten Organisation sich gegen das reguläre russische Militär stellt, quasi im Jubelzustand über das Ende einer Ära spekuliert wurde, sagt mehr über die Verhältnisse hierzulande etwas aus als über Russland. Wenn man sich vorstellt, dass zum Beispiel ein an einer deutschen Bundeswehrhochschule lehrender Militärhistoriker bei auf russischen Autobahnen von der Wagner-Truppe zurückgelegten Kilometern ohne jegliche Kampfhandlung von Geländegewinnen spricht, ist an Dummheit oder Chuzpe, ganz wie Sie wollen, nicht zu überbieten. 

Wie Zar Putin die Krise gemanagt hat, nämlich ohne einen Schuss abfeuern lassen zu müssen, innerhalb von 24 Stunden, spricht nicht unbedingt von Handlungsunfähigkeit. Und dass die militärischen Verbände Prigoschins, die nicht ins reguläre russische Heer eingegliedert werden, nun in Form von Ausbildungslagern in Weißrussland an einer anderen Grenze zur Ukraine weiterarbeiteten, Besorgnis hervorriefe, wäre vielleicht eine klügere Reaktion als das voreilige Triumphgeschrei. 

Genauso wäre, zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt, es so langsam an der Zeit gewesen, zu realisieren, dass ein Regime Change in Russland nicht zu einer liberalen Reformhaus-Demokratie, von der das woke Milieu träumt, führen wird. Es hat sich, wenn man ein bisschen in der Lage ist, hinter die Kulissen zu schauen, längst die Erkenntnis aufgedrängt, dass Putin wohl die gemäßigste Kraft ist, auf die man treffen kann. Die Hardliner im eigenen Land, von denen es Dutzende gibt, werfen ihm sein Zögern und sein immer wieder rückversicherndes Vorgehen als Schwäche vor, die er wohl in seinen Jahren in Deutschland erworben hat. Das, was aktuell nach Putin käme, wäre eine Carte Blanche für den totalen Krieg. 

Letzteres ist, ideologisch wie immer mehr materiell, genau das, was aus medialen und politischen Kreisen in unseren Breitengraden längst als Ziel ausgegeben ist. Dass es gelungen ist, einen weniger bekannten Teil aus Goebbels Sportpalast-Rede in einem dieser von Selbstgewissheit wie Unkenntnis strotzenden, so genannten Polit-Talk-Formaten mit nur geringen Veränderungen zu platzieren und die ganze Kriegskamarilla euphorisch in die Hände klatschte, spricht Bände. Es nährt die Gewissheit, dass mit den in Europa herrschenden Eliten aus Medien und Politik mit keinerlei Friedensinitiative zu rechnen ist. Sie setzen auf Eskalation und Sie können sich sicher sein, sie haben bereits ihre Exit-Pläne, wenn sich der Brand in Europa nach Westen ausdehnt. Wenn hier die Schwarte brennt, ist der Reibach gemacht.

In Zeiten wie diesen ist es immer ratsam, sich auf das zu verlassen, was man weiß und nur denen zu glauben, die sich in einem langen Prozess das Vertrauen verdient haben. Sicher ist, dass die ganzen Hypothesen, denen die westliche Politik in dieses Desaster gefolgt ist, als falsch herausgestellt haben. Deshalb sind die Schlussfolgerungen auch so desaströs. So, wie es aussieht, traut sich bis jetzt niemand, einzugestehen, dass man falsch lag. Das hätte übrigens nicht so sein müssen, man hätte nur etwas aufmerksamer die politische Literatur in den USA studieren müssen. Dort war alles nachzulesen. Gut dokumentiert, klar formuliert und mit zahlreichen Warnhinweisen versehen. Stattdessen plapperte man unreflektiert das Programm der dortigen Kriegspartei nach. Bis heute tobt hier der Karneval der Unwissenheit.

Und allen, die immer noch nicht wissen, mit was wir es in Russland zu tun haben und die es leid sind, von den medial präsentierten Scharlatanen weiterhin belästigt zu werden, empfehle ich Ihnen nur drei Autoren: Tolstoi, Puschkin und Dostojewski. Die stehen zwar bei der hiesigen Kriegspropaganda auf dem Index, aber der Buchhändler Ihres Vertrauens besorgt sie Ihnen trotzdem. Sie werden sich wundern, wieviel sie verstehen werden, was dieses große Land Russland betrifft.