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Die Lage spitzt sich zu

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist, seitdem sie 1963 ins Leben gerufen wurde, in erster Linie eine Gelegenheit, sich seitens dessen, was sich heute noch das westliche Bündnis nennt, über die Gegensätze Strategie und Taktik zu vergewissern. Dennoch waren immer auch, selbstverständlich neben der Rüstungsindustrie, die Vertreterinnen und Vertreter der Mächte geladen, gegen die man eigentlich agieren wollte. Quasi als Vergewisserung, wie weit man gehen konnte oder welche taktischen Zwischenschritte notwendig waren. Seit der Inauguration Präsident Trumps in den USA hat sich jedoch vieles verändert. Die alte Rollenverteilung ist in Frage gestellt.

Vorbei die Zeit, als sich die USA als Schutzmacht für das fleißige Deutschland verstanden, das ohne eigene nennenswerte Streitkräfte seine Produktivkräfte entwickeln und die Weltmärkte versorgen konnte. Ähnliches trifft übrigens auf das Verhältnis zwischen den USA und Japan zu. Seit der Weltfinanzkrise 2008, die zum Ausdruck brachte, wie sehr sich die USA verzockt hatten, stehen die Werkstätten zweier Industriegiganten ohne den alten Schutzpatron da, der nicht mehr die Mittel hat, mit seinem Militär weltweit die Kapitalverwertung abzusichern und gleichzeitig noch genügend Wohlstand für die eigene Gesellschaft zu produzieren. Jetzt geht es ans Eingemachte! Also ab in den Keller und die Regale gestürmt!

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz dieser Tage kamen also nicht die großen Widersprüche zwischen unterschiedlichen Zivilisationen auf den Tisch, sondern die Differenzen zwischen den alten Vasallen und dem ehemaligen Schutzpatron. Wenn es soweit kommt, wird es meistens schmutzig. Und das war es tatsächlich.

Während die Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland in schnarrendem Ton die Kriegslinien des alten Meisters repetierte und gleichzeitig auf Knien winselnd beteuerte, alles tun zu wollen, was der Herr von ihr verlange, moderierte der Außenminister des gleichen Landes etwas Unüberbrückbares. Er verwies auf die Treue gegenüber der alten Schutzmacht bei der jüngsten Verletzung des Völkerrechts im Falle Venezuelas, bat aber im Gegenzug darum, doch trotzdem den Dialog mit Russland nicht zu beenden. Dass das erste Verhalten das gewünschte zweite ausschloss, weil die Glaubwürdigkeit dahin ist, fiel ihm nicht so auf, oder es bedrückte ihn nicht.

Die Kanzlerin dagegen unternahm den Versuch, für das alte, im Westen längst begrabene Konzept der Diplomatie zu werben. Vehement sprach sie sich – und diese Freiheit ist wahrscheinlich nur das Privileg derer, die ihren Abschied bekannt gegeben haben – dafür aus, alle Mächte an einen Tisch zu holen und sich in die Interessenlage aller Seiten hineinzuversetzen. Im Falle Russlands wäre das in den letzten 25 Jahren ganz hilfreich gewesen, doch darauf ging sie nicht ein. 

Die Antwort des Vertreters der USA war eindeutig. Das Imperium duldet nur einen Plan, und das ist der eigene. By the way drohte er noch, die Sicherheit einzelner Mitgliedssaaten der NATO könne nicht mehr garantiert werden, wenn sich diese in eine einseitige Abhängigkeit vom Osten begäben. Konkret hieß das an die Adresse Deutschlands: Versenkt die Pipeline North Stream II, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland transportieren soll im Meer und kauft amerikanisches, gefracktes Flüssiggas. Gleichzeitig lobte er Macron, der innerhalb der EU gegen das Projekt mobilisiert hatte. Trabanten haben zu folgen und das jüngste, so gelobte Aachener Vertragswerk zwischen Frankreich und Deutschland hat sich bereits als Makulatur erwiesen. Was  wiederum davon bleiben dürfte, sind gemeinsame Rüstungsprojekte und der völkerverständigende Austausch von Kegelklubs.

Die Münchner Sicherheitskonferenz hatte mit vielem zu tun, die Welt ist ja auch kompliziert. Von Sicherheit war allerdings kaum etwas zu hören.