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22 Jahre PISA-Schock

Vor 22 Jahren stand das Land unter dem ersten PISA-Schock. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler entsprachen bei weitem nicht dem, was man bei einem internationalen Vergleich erwartet hatte. Man versprach Besserung und beteuerte, an vielen Stellschrauben zu drehen, damit so etwas nicht wieder vorkäme. Seitdem wurden zahlreiche PISA-Studien veröffentlicht und bis zur gestrigen, d.h. einer, die 22 Jahre später als die erschien, als man von einem Schock sprach, hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, die Ergebnisse sind zum Teil noch betrüblicher. Nicht, dass sich nicht unterschiedliche Akteure nicht ins Zeug gelegt hätten, nicht, dass nicht Geld in die Hand genommen worden wäre. Und dennoch ist das Resultat wieder einmal ernüchternd.

Man kann sich in diesem Kontext viele Fragen stellen. Eine davon, die immer wieder kehrt, ist längst beantwortet: Schulischer Erfolg hängt in der Bundesrepublik Deutschland von den Möglichkeiten der Elternhäuser ab. Die, die aus dem Keller kommen, bleiben dort. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine weitere ist die, ob es richtig ist, Schule als Angelegenheit großer Administrationsbehörden zu begreifen und nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Letzteres reißt natürlich sofort ein weiteres Problem an: Kann schulischer Erfolg als Motivation wie als Garant für ein besseres Leben angesehen werden? Das war einmal so, und zwar in Zeiten, in denen man den No-Names den Zugang zu Bildung ermöglichte und sie hinterher Berufe und Erwerbsmöglichkeiten fanden, in denen sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen konnten. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.

Und damit ist die nächste Seite aufgeschlagen: Sind wir nur in Sachen schulischer Bildung seit langem auf einem abschüssigen Weg, oder ist es nicht in vielen Bereichen so? Bildung und Infrastruktur sind nachweislich zwei Indikatoren, die eine gute Prognose auf den Zustand wie die Zukunft eines Landes zulassen. Sehen wir uns neben der Bildung noch die Infrastruktur an, dann sehen wir, wo wir stehen und wohin die Reise geht. 

Und fange niemand an, die eine oder andere Partei sei dafür verantwortlich. Nein, eine Gesellschaft, die sich von der Ideologie des Wirtschaftsliberalismus seit Jahrzehnten hat durchdringen lassen, darf sich nicht wundern, wenn das Gemeinwesen und die internationale Konkurrenzfähigkeit dahingehen. Mit den schwindenden Möglichkeiten hinsichtlich notwendiger Investitionen einher geht nämlich ein mentaler Verfall, der die ganze Gesellschaft durchdringt. Da wird Bildung plötzlich eine lästige Pflicht und ein Ort der Schikane und die Art der Fortbewegung eine Frage individuellen Prestiges und nicht das Momentum einer allgemeinen Befähigung und Vernunft. 

Sieht man sich die wachsenden Zahlen von Privatschülern vor allem in den Metropolen an, und betrachtet man zudem die Absatzzahlen exklusiver Luxuslimousinen, dann hat man zwei Indikatoren, die bei einer ernst gemeinten gesellschaftlichen Analyse der PISA-Ergebnisse eine entscheidende Rolle spielen sollten. Wenn der eine oder andere Hahn aus dem Gewerbe jetzt nach mehr Geld kräht, dann ist das zwar zu verstehen, das wirkliche Problem ist damit jedoch nicht benannt. Und komme mir niemand mit dem Bild, in Asien würden die Kinder in den Schulen unmenschlich getriezt! Sie haben einen berechtigten Glauben an das Versprechen, dass eine erfolgreiche Bildungskarriere ein besseres Leben verspricht. Das können wir hier nach jetziger Lage nicht mehr geben.