Schlagwort-Archive: Optisch und verbal verwahrlost

ZDF-Experte: Optisch und verbal verwahrlost

Auch wenn es nichts Neues aussagt über den Zustand, in dem wir uns befinden. Und auch, wenn es qualitativ nichts verändert. Es ist dennoch manchmal hilfreich, trotz großer Überwindung, sich die kredenzten Nachrichten in den öffentlich-rechtlichen Formaten anzusehen und dem zu lauschen, was sie als Produkt für das vermeintlich von allen guten Geistern verlassene Publikum ausgesucht haben. Im Falle des gestrigen Abends, live im heute journal, könnte sich die Redaktion sogar damit herausreden, dass sie dokumentieren wollte, wie es  im Inneren der Regierungskoalition aussieht. 

Da erschien zur Prime Time ein optisch wie sprachlich verwahrloster Mann mit den Initialen A.H., der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Emotionen für die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine warb. Selbstverständlich lag seiner Ansicht nach die gegenwärtige bedenkliche Lage der Ukraine nicht an ihrer strategischen Schwäche, sondern an der mangelnden Eskalationsfähigkeit des Bundeskanzlers. Seine Dämonisierung Putins passte in die Szenarien der Boulevardpresse, die seit langem daran arbeitet, aus dem Urstoff Angst den Hass zu formen, der die Voraussetzung für den Krieg darstellt. Letzteres war bei dem brüllendem Verbalkrieger längst vorhanden. 

In normalen Zeiten, d.h. in Situationen, wo kein heißer Krieg in der Nachbarschaft tobt, wäre ein solcher Auftritt in der Öffentlichkeit ein Grund für die sofortige Einbestellung des Koalitionspartners. Insofern muss, bei aller zur Verfügung stehenden Kritik, dem Kanzler dahin gehend ein Bonus zugesprochen werden, weil mit einer anderen Regierungskoalition der aktive Kriegseintritt eines sich maßlos überschätzenden und jede historische Erinnerung eliminierenden Deutschlands noch wahrscheinlicher wäre. Kriegsgeile Scharlatane gibt es zwar auch in den Reihen der eigenen Partei, aber zumindest dort sind sie in der Minderheit. Das Festhalten an einem Kurs, der zu keinem vernünftigen Ziel führen kann, weil die Strategie keine eigene war, erhält so einen weiteren tragischen Zug.

Die außer Rand und Band geratenen B- und C-Prominenten von Parteien, die, nachdem sie die Bügel aufgehängt haben, alle über Nacht zu außenpolitischen Experten gereift sind, zumindest in den Augen der Meinungsmacher, wären gut beraten, sich in internationalen Brigaden zugunsten der Ukraine zu versammeln und anstatt der letzten Zukunft des Landes an die Front zu gehen und zu beweisen, wie nachhaltig das von der Rüstungsindustrie und vom Deutschherrenorden  gesponserte Mundwerk tatsächlich ist. Das Ergebnis kennen alle. Aber welche Komparse tritt schon gerne aus dem unverhofft auf sie gerichteten Rampenlicht? 

Was wirklich umtreibt, sind nicht diese unsäglichen Figuren, die ständig nach Aufmerksamkeit lechzen, sondern ein Journalismus, der genau darauf abzielt, mit ihnen ein Trugbild der Gesellschaft zu produzieren, dass die Illusion vermittelt, ein Großteil der Bevölkerung sei für diesen aus imperialistischen Gelüsten entstandenen Krieg. Vierzehn Jahre haben die USA und die ihnen ergebene NATO daran gearbeitet, um diesen Krieg vom Zaun zu brechen. Und als es endlich soweit war, war in den Planungszentren jenseits des Atlantiks das Knallen der Sektkorken zu hören. 

Kehraus wird woanders sein. Da werden Menschen zu leiden haben, die weder an Planung, noch an Durchführung beteiligt waren. Dafür bleibt ihnen das Recht, die Rechnung zu bezahlen. Und wenn die Hetzer – ganz nebenbei: wo bleibt in diesen Fällen eigentlich der Kampf gegen Hass und Hetze, Herr Bundespräsident und liebe Aufsichtsgremien? – schon nicht an die Front gehen, dann sollten sie, wenn alles in Schutt und Asche liegt, unbedingt dorthin reisen, wo ihr Werk vollendet wurde. Der Empfang wird gebührend sein, da bin ich mir sicher.