Es empfiehlt sich, Kabarettisten, Satiriker oder diejenigen, die sich freiwillig Comedians nennen, mit ihren Beiträgen auf YouTube anzusehen. Was sofort auffällt, ist die zeitliche Lücke, die durch die Corona-Lockdowns entstanden ist. Für einen Zeitraum von knapp drei Jahren, beginnend mit 2020, wurde kaum etwas produziert. So langsam kommen aktuellere Beiträge hinzu, weil die Veranstaltungsmaschine wieder Fahrt aufnimmt. Was neben der Themenwahl auffällt, ist die Reaktion des Publikums. Weil die Auswahl auf YouTube in der Regel Mitschnitte von Live-Auftritten sind, ist das gut lesbar. Was die Bereitschaft des Publikums anbetrifft, ungezwungen zu lachen, spontan zu sein und aus sich herauszugehen, so sind zwei gravierende Zäsuren zu verzeichnen. Die erste kam mit der Jahrtausendwende, genauer gesagt nach 2001, die zweite zwanzig Jahre später, 2020. Meine These ist die, dass nach 9/11 unsere Lebenswelt eine andere wurde, d.h. einerseits die Militarisierung der westlichen Welt rasend fortschritt und mit ihr eine moralisch-zensorische Infiltration aller Lebensbereiche stattgefunden hat. Dasselbe kann durch die in kurzer Abfolge erfolgten Krisen von Pandemie und Ukraine-Krieg verzeichnet werden. Wer sich das Publikum und seine Reaktionen bei einem Sujet wie der Satire vor 2001 anschaut und mit heute vergleicht, kann nur die Hände vors Gesicht schlagen. Der Humor ist gewichen und die Angst hat das Regiment übernommen.
Wer davon ausgeht, wie der offiziell propagierte Zeitgeist, dass eine solche Befindlichkeit eine wie auch immer geartete Attraktivität für andere Kulturkreise versprüht, hat längst den Boden der Realität verlassen. Die Angst ist zum beherrschenden Gefühl geworden. Die Angst, in der Bezeichnung von Zeiterscheinungen einen Fehler zu machen, die Angst, als was auch immer auf dem Scheiterhaufen zu enden, die Angst vor von feindlichen Mächten in die Welt gesetzten Viren, die Angst in einem nicht mehr zu ertragenden Klima zu verglühen, die Angst vor fremden Mächten, die mit ihren tödlichen Waffen den eigenen Lebensraum zerstören wollen.
Um diesem Teufelskreis zu entkommen, haben sich viele dazu entschieden, einer öffentlich verordnen Medikation zu folgen, gegen die die Opiat-Skandale in den Vereinigten Staaten eine Petitesse sind. Sie folgen den verordneten Feindbildern. Dass die anfangs verschriebene Dosis bald nicht mehr reicht, versteht sich von selbst. Die Dealer wissen, wie man Abhängigkeiten erzeugt. Wenn die Gefahren immer größer werden, müssen die Feindbilder immer mächtiger werden. Bis dato scheint die Therapie zu wirken.
Es ist erstaunlich, wie bestimmte Erscheinungen, die in einer halbwegs liberalen Gesellschaft als normal und tolerabel erscheinen, plötzlich zu Todsünden werden, gegen die nur die Ächtung und Vernichtung hilft. Wenn in einer Situation wie der derzeitigen, in der bei den Kämpfen um die ukrainische Stadt Bachmut die Überlebenschance der täglich neu und „frisch“ in die Kämpfe geschickten Soldaten auf beiden Seiten bei maximal 12 Stunden liegt, nach einem Waffenstillstand gerufen wird, ein verbaler Blutrausch gegen die gerichtet wird, die diese Forderung formulieren, kann man nur konzedieren, dass etwas mächtig schief gelaufen ist. Die nach außen so martialisch auftretenden, vermeintlichen Kampfschweine sind dabei, sich als die am schlimmsten vom Angstvirus Infizierten zu outen. Die Höllenangst regiert im Parlament wie in den Medien. Und therapiert werden soll sie durch den Blutrausch. Die Zeit ist überfällig für einen kalten Entzug!
