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Weltlage: Onkel Joe und Captain Silver

Man muss schon sehr angestrengt aus dem Fenster der Abwendung schauen, um zu ignorieren, wie sich die Kräfte in der Welt neu formieren. Die alte Dominanz der von den USA beherrschten Bünde hat sich auf den einen oder anderen Vasallenstaat und einen europäischen Torso reduziert. Und Bündnisse wie BRICS 11, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU) wachsen stetig. Dass bei BRICS nun auch Saudi Arabien zu finden ist und damit eine Abwendung vom Petrodollar absehbar wird, ist vor allem für die westliche Führungsmacht verheerend. Sollte der Dollar als internationale Leitwährung seine Dominanz verlieren, ist es aus mit der Finanzierbarkeit des gigantischen Militärapparates der USA. Dann kann kein Geld mehr bis ultimo gedruckt werden.

Die Strategie der USA lautet nach wie vor Full Spectrum Dominance. Es ist ihnen gelungen, die EU für ihre Einkreisungspolitik Russlands zu gewinnen. Die europäischen, vor allem die deutschen Kollateralschäden sind dabei immens. Man möge damit aufhören, Russland das Vorgehen in der Ukraine als eine neue Qualität vorzuwerfen, wenn es in diesem Falle exakt das gemacht hat, was die USA seit sieben Jahrzehnten immer wieder praktizieren. Die ultimative Ratio des militärischen Handelns wurde von den USA seit 1945 immer wieder kultiviert und es gehört zum wesentlichen Attribut ihrer globalen Vorherrschaft. Und wer das weiß und immer noch aus dem Fenster schaut, der soll das mit sich ausmachen, einen Anspruch auf eine Diskussion einer eigenständigen Strategie hat er nicht. 

Die Administration um den Heilsbringer Joe Biden, der tatsächlich in den hiesigen Medien als der große Zivilisator nach den vier Jahren Donald Trumps gefeiert wird, hat sich dafür entschieden, eine Verhandlungslösung im Russland-Ukraine-Konflikt auszuschließen und die europäischen Kontrahenten sich gegenseitig ausbluten zu lassen, während man sich selbst für den Showdown mit China präpariert. Dass sich bei dem Präludium für diesen Konflikt nun auch Deutschland mit zwei Fregatten vor der chinesischen Küste beteiligt, zeigt lediglich, wie verloren die deutsche Politik in einer Zeit großer Veränderungen geworden ist. Und wenn jetzt ein Kanzler wie einst Captain Silver mit einer Augenklappe herumläuft, zeigt das vielleicht, welche Nummer dort bereits vor dem Spiegel der Verblendung geübt wird. Ernst könnte man das alles nicht mehr nehmen, wenn es nicht so tragisch wäre. Das von Frankreich immer wieder angemahnte europäische Selbstbewusstsein ist der Geste der kompletten Unterwerfung gewichen. In der Psychologie weiß man, dass von den Mächtigen die Devoten am meisten verachtet werden. Nur das haben die Sensibelchen in der Verantwortung noch nicht gemerkt. 

Die normale Reaktion auf eigenen gravierenden Irrtum ist eine konsequente Kurskorrektur. Die Ausführungen der völlig überforderten Außenministerin hinsichtlich der Unwirksamkeit der eigenen Sanktionen bei der Schädigung Russlands und den negativen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft dokumentiert, dass mit einem Strategiewechsel nicht zu rechnen ist. Wer mit Trotz und Jähzorn auf die Erkenntnis einer eigenen Fehleinschätzung reagiert, dem können in der Regel nur noch Therapien helfen. Mit Verstand, der die Grundlage einer politischen Räson darstellt, hat das alles nichts mehr zu tun. Die zunehmend von den Verantwortlichen beklagte Kriegsmüdigkeit hat etwas mit der allgemeinen Erkenntnis zu tun, dass der eingeschlagene Weg der falsche ist. Aber wem sagt man das?  

Wodka, Kaviar und Diamanten

Was noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre, gehört heute zur täglichen Routine der Politikgestaltung. Wobei dabei der Anspruch, damit etwas zu gestalten, als ein Euphemismus erster Klasse bezeichnet werden muss. Es geht um das Verhängen von Sanktionen. Existiert haben sie schon immer, da mache man sich nichts vor, auch Deutschland war schon sehr früh dabei, Sanktionen gegen chinesische Produkte mit zu implementieren, wenn es um eigene, staatlich subventionierte Industrien wie die Solarbranche oder Fahrräder ging. Dann kam der us-amerikanische Präsident Donald Trump und begann damit, innerhalb des westlichen Bündnisses gemäß seines aus der Mottenkiste hervorgeholten Prinzips des America First! zahlreiche Sanktionen gegen Produkte aus der EU zu verhängen. Man erinnere sich an die ersten symbolischen Handlungen, mit denen die EU antwortete, da ging es dann um Strafzölle auf Harley Davidson Motorräder. Und es war keine Fehleinschätzung, bei solchen Aktionen von symbolischen Handlungen zu sprechen.

Nicht vergessen werden sollten bei dem Mittel der Sanktion einige Zusammenhänge. Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, und die Politik eine prägende Ausdrucksformen der ökonomischen Verhältnisse, dann ist die Wirtschaftssanktion der kriegerische Rote Faden, der sich durch das Amalgam von Wirtschaft, Politik und Krieg zieht.

Die gegenwärtige Fokussierung, vor allem seitens der EU, auf die Verhängung von Wirtschaftssanktionen, mit dem von der Kommissionspräsidentin explizit ausgesprochenen Ziel, Russland ruinieren zu wollen, dann handelt es sich bei diesem Mittel um die Prothese für nicht vorhandene militärische Schlagkraft. Das nun ausgebreitete volle Sanktionsprogramm ist ein Portfolio massiver Kriegsführung. Und dass es sich dabei, wie sollte es anders sein, wieder einmal um eine Strategie ohne Alternative handelt, dokumentiert den bereits ohne heißen Krieg herbeigeführten Zustand der Zerstörung wichtiger demokratischer Institutionen, den bemitleidenswerten Zustand des Pressewesens und die Apathie eines Großteils der Bevölkerung in Ermangelung einer politischen Organisation. Angesichts dieser Befindlichkeit wäre es anzuraten, schon einmal die Fahne der Kapitulation aus den Requisiten zu holen.

Wenn sich, bis auf wenige, versprengte Relikte aus einer anderen Zeit, bei einem kriegerischen Konflikt niemand Gedanken darüber macht, wie es einmal weitergehen soll, dann ist die historische Phase der Amöbenexistenz erreicht. Die Frage nach Möglichkeiten einer Friedensordnung nach Beendigung des Konflikts wird nicht nur konsequent ausgeklammert, sondern es werden auch diejenigen, die sie stellen, dem medialen Mob zur Hetzjagd freigegebenen. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die im Verborgenen sitzenden Chefstrategen es begrüßen, wenn sich die Gesellschaft auf den Dauerzustand des Krieges einstellt. Ohne Ende in Sicht. Erst dann, wenn der Hunger gestillt ist. Aber, wie es so ist mit dem Kapitalismus: den Zustand der Sättigung kennt er nicht, entweder er hat Hunger, oder ihm ist schlecht!

Da freut es schon fast zu hören, dass aus dem enthaltsamen Amerika der Onkel Joe zu einem Verzicht aufruft und dem russischen Reich des Bösen mit einer weiteren Sanktion den Todesstoß zu versetzen gedenkt. In dem ewigen Reigen der Sanktionierung tauchten nun auch russische Produkte auf, die nicht nur den Exporteur, sondern auch die Konsumenten im freien Westen in Angst und Schrecken versetzen werden. Neu auf der Liste der russischen Produkte, die in keinem westlichen Geschäft mehr aufzufinden sein sollen, sind Wodka, Kaviar und Diamanten! Der permanente krieg ist bereits in vollem Gange. Ade, du schöne Welt!

Onkel Joe und der Communication Breakdown

Es gehört nahezu zu den Routinen innerhalb und zwischen Organisationen, dass ein Status erreicht wird, der als verfahren erlebt wird. Da sprechen Menschen oder Organisationen, die von sich, ihren Interessen und ihrem Vorgehen überzeugt sind, nicht mehr miteinander oder nur schlecht übereinander. Ist ein solcher Zustand erreicht, ist guter Rat teuer. Dennoch kommen immer wieder Akteure, die neu in diesen Kontext eintreten, auf die Idee, dieses Desaster auflösen zu wollen. Nicht selten kaufen sie sich dann sogar den besagten Rat von außen ein. Sie holen Spezialisten aus dem Metier der Kommunikation und bitten sie, einen Klärungsprozess zu inszenieren und zu moderieren.

Werden derartige Berater geholt, und nicht alle sind so schlecht wie der Ruf der Beraterszene oft vermuten lässt, dann legen sie, wenn sie etwas von ihrem Metier verstehen, großen Wert darauf, zunächst mit den einzelnen Akteuren bzw. Kontrahenten zu sprechen, um ihre Motivlage kennenzulernen und sie signalisieren ihnen, dass sie die einzelnen Standpunkte nicht bewerten wollen, sondern sie begreifen möchten. Dann organisieren sie eine Zusammenkunft aller Beteiligten und schlagen Regeln vor, die dazu dienen, einen solchen Prozess überhaupt zustande kommen zu lassen. Dazu gehört die Voraussetzung, dass die einzelnen Standpunkte zunächst einmal beschrieben werden, dass man sie dokumentiert und dann nach Möglichkeiten sucht, trotz interessenbedingter Divergenzen im Gespräch zu bleiben.

Es kommt vor, dass derartige Prozesse zu Ergebnissen führen, von denen die Beteiligten in der Regel in der Alltagsroutine nicht einmal zu träumen gewagt haben. Voraussetzung ist natürlich das, was in der Kommunnikationswissenschaft als eine gemeinsame Intentionalität bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass alle Beteiligten tatsächlich den Wunsch haben, aus der kommunikativen Sackgasse herauszukommen. Ist das nicht der Fall, dann kann man sich den Aufwand sparen.

Joe Biden, der neue amerikanische Präsident, wurde in den hiesigen Medien als ein solcher Innovator bereits gewürdigt. Man ging davon aus, dass er es wagen würde, die komplexe, komplizierte und fragile Lage im globalen Machtgeflecht mit frischen Ideen würde in ein Fahrwasser bringen können, das den Communication Breakdown, der in den letzten Jahren die Lage hat immer prekärer werden lassen, würde beenden können. Nun hat er Äußerungen von sich gegeben, die mit einem Schlag diese Hoffnungen zunichte gemacht haben. Einen Kontrahenten mit einem „Guten Morgen, Du Mörder“ zu begrüßen, ist genau das, was dazu führen würde, dass die Beteiligten eines Settings zur Wiederaufnahme einer verständnisorientierten Kommunikation vor Entsetzen würde aufschreien lassen. Um im Fachjargon zu bleiben, hat er sich eingeführt mit dem Slogan „Ich bin ok., Du bist ein Arschloch!“

Moralische Entrüstung ist in solchen Situationen eine schlechte Ratgeberin. Das Verharren in Illusionen ist allerdings nicht besser. Was der neue amerikanische Präsident mit dieser Einlassung in den internationalen Interessenkonflikt offenbart hat, ist seine Fixierung auf die alte Welt, deren Ordnung bereits hinter uns liegt. Die alte Ordnung mit der uneingeschränkten amerikanischen Hegemonie ist längst passé und der Versuch, sie quasi als Status quo ante wieder herzustellen, ist nicht ohne aggressive, kriegerische Politik denkbar. Und dafür scheint der oft als liebevoll dargestellte Onkel Joe zu stehen. Gemäß dem aus den Würgereien der Pandemie entstandenen Begriff des „Build Back Better“ wird eine Blockade internationaler Kooperation und Neuordnung angestrebt und werden die alten Schlachtrösser aus dem Stall geholt.