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Fundstück, 30.04.2016

Ran an die russische Grenze

Das ging schnell. US Präsident Obama bekam, weil er so nett gefragt hat, schon bei seinem Besuch in Hannover grünes Licht von der Kanzlerin. Und es wird darüber berichtet, als handele es sich um eine kaum erwähnbare Prolongierung der Nutzung von Glühbirnen. Und entsprechend wird es auch in den Nachrichten verarbeitet. Diese Art, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen ist es, die die Radikalisierung zur Folge hat. Wer dabei meint, noch schlau zu sein, dem möge das gerne attestiert werden. Nur ist schlau leider nicht weise.

Worum geht es? Es geht um ein Gefühl! Ja, richtig gehört, und es geht nicht um das Gefühl, mit dem die Stadt Köln einst eine Marketingkampagne startete, welches den unerklärbaren Charme der Stadt beschreiben sollte, sondern es geht um das Gefühl einer Bedrohung. Namentlich aus Polen und aus den baltischen Staaten wird immer wieder formuliert, sich von Russland bedroht zu fühlen. Historisch ist das verständlich, allerdings gehen diese Erfahrungen zurück in das zaristische Russland und die Sowjetunion. Weder Polen noch die baltischen Staaten haben seit Gründung der russischen Föderation solche Erfahrungen gemacht. Sie begründen die Bedrohungsangst mit den jüngsten Ereignissen in der Ukraine. Und dann kommt wieder die Besetzung der Krim durch Russland. Ja, der Traum von NATO-Raketen auf der Krim, quasi im russischen Hausflur, der war sehr groß. Und wenn es so ist, wenn aus Träumen nichts wird, dann herrscht ein knurriger Kater.

Die Bundesregierung jedenfalls hat dem amerikanischen Ansinnen nachgegeben und sich bereit erklärt, aufgrund des subjektiven Bedrohungsgefühls erstmal 1000 Soldaten mit an die litauisch-russische Grenze zu schicken. Das ist, abgesehen davon, ob die Begründung dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entspricht, was bezweifelt werden kann, eine völlig neue Qualität. Mit dieser Perspektive hätte es nie eine Wiedervereinigung gegeben und so verhalten sich unzuverlässige Akteure, mit denen Verhandlungen unsinnig sind. Im Grundgesetz wurde recht eindeutig formuliert, dass die Streitkräfte nur einen Zweck haben dürfen, und zwar den der Landesverteidigung. Ob sich dritte, territorial woanders befindliche Bündnispartner bedroht fühlen, hat damit nichts zu tun.

Und natürlich fällt die Fassade einer nonchalanten Aktion sehr schnell in sich zusammen, wenn bekannt wird, dass es mit dieser erweiterten Maßnahme, die der direkten Verlegung einer weiteren kompletten amerikanischen Panzerdivision direkt an die russische Grenze folgt, vornehmlich der Abschreckung diene. Es gilt also viel zu lernen in Bezug auf Deutschlands neue Rolle, die zum Teil von preisgekrönten Historikern als das beschreiten des normativen Wegs in den Westen beschrieben wird. Das ist ideologische Akrobatik in einem hoch aggressiven Kontext und stellt alles in den Schatten, was ansonsten als Richtungsstreit in der Politik bezeichnet werden kann.

Es war zu lernen, dass die deutsche Demokratie am Hindukusch mit verteidigt werden müsse. Dabei ging und geht es um den Zugriff auf strategische Rohstoffe, was als kleine Hauswahrheit selbst zum Scheitern eines Bundespräsidenten beitrug. Und es ist zu lernen, dass die EU sich direkt an die NATO gebunden hat, um Märkte im Osten zu erschließen und den militärischen Griff direkt an die russische Grenze zu legen. Wer da noch meint, es ginge um Philanthropie gegenüber den angstschlotternden ehemaligen Opfern zaristischer oder sowjetischer Expansionspolitik, der darf für sich ein sonniges Gemüt reklamieren, sollte sich aber aus politischen Analysen mit Brisanz konsequenterweise heraushalten.

Nachwuchs aus dem Hause Clinton

Ronan Farrow. Das Ende der Diplomatie

Es ist Kritik mitten aus dem System. Auch, wenn es sich um einen dreißigjährigen Novizen handelt, der Autor des Buches ist Sohn von Mia Farrow und Woody Allen, also schon von Natur Mitglied des Ostküstenestablishments, war an der Yale Law School, promoviert derzeit an der Oxford University. Während der Amtszeit von Präsident Obama arbeitete er als Berater im Außenministerium unter Hillary Clinton. Und mit dieser Information ist der Schlüssel für sein voluminöses Buch übermittelt, das Ronan Farrow folgendermaßen genannt hat: Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanischen Außenpolitik so gefährlich ist.

Die Kernaussage des Buches lässt sich schnell zusammenfassen. Sie besagt, dass seit dem 11. September 2001 eine Verschiebung innerhalb der amerikanischen Außenpolitik stattgefunden hat. Und zwar weg vom Einfluss der klassischen, in strategischen Dimensionen operierenden Diplomatie und hin zu einem vordergründig von taktischen Erwägungen geprägten Einfluss des Militärs. Sprich, das Wort des Außenministeriums hat zunehmend an Gewicht verloren, während gleichzeitig der Rat aus dem Pentagon dem Weißen Haus weitaus wichtiger wurde. Farrow belegt diese These in unzähligen Beispielen. Zwei hätten allerdings genügt, um das zu illustrieren, was alle Welt täglich beobachtet. Und die von Farrow dargestellten Prototypen der notwendigen Diplomatie würden, excuse me, Sir, in den klassischen Schulen der einstigen europäischen Blüte dieses auch dort aussterbenden Genres mit Pauken und Trompeten durchgefallen sein.

Die Vereinigten Staaten sind zu dem Imperium mutiert, das seine letzten Schlachten um die Weltherrschaft vorbereitet. Dass dabei eine Vision verloren gegangen ist, die in guten Zeiten, nach gewonnen Kriegen gegen Monarchen und Diktatoren, mit Menschenrechten und Demokratie daherkam, ist, historisch gesehen, nur folgerichtig.

Das eigentlich interessante an dem Buch Das Ende der Diplomatie ist die Darstellung einer geraden Linie der kritisierten Entwicklung von Bush über Obama zu Trump. Letzterer als Klimax anti-diplomatischen Denkens hatte in Obama einen Vorläufer, der die Vorherrschaft militärischer Konzeptionen in der amerikanischen Außenpolitik nicht durchbrochen hat. Das ist ein neuer Aspekt in der Darstellung aus dem System selbst heraus. Farrow versäumt es natürlich nicht, die Geschehnisse so darzustellen, als dass Hillary Clinton als Außenministerin unter Präsident Obama die einzige gewesen ist, die eine andere Meinung vertrat und die gerne mehr auf Diplomatie als auf das Militär gesetzt hätte. Diese Aussage klingt ein wenig befremdlich, wenn man sich an ihre Säbel rasselden Statements in Bezug auf Libyen oder Russland erinnert. 

Letztendlich handelt es sich bei dieser Darstellung um eine letzte Empfehlung Hillary Clintons an die Weltöffentlichkeit. So, als hätte sich mit ihrer Präsidentschaft die Welt zum Besseren gewendet und alles wäre gut geworden. Der noch jungen Karriere des Autors wird es nutzen, der entscheidenden Frage, wie sich der wankende, strategisch überdehnte Gigant im Angesicht mit einem Showdown mit China aufstellen soll, spielt in dem Buch nicht die geringste Rolle. Mit dem Ansinnen, diese Frage klären zu wollen, war Obama angetreten und kläglich gescheitert. Bei der Mentorin des fleißigen Schreiber und bei diesem selbst findet sie gar nicht erst statt. Und, um auf den Titel zurückzukommen, wie eine den Herausforderungen der globalisierten Welt begegnende Diplomatie aussehen müsste, darüber wird kein Wort verloren.

Viel Papier um nichts!

B.O. und D.T.

So schnell ändern sich die Zeiten und so schnell ändert sich das Bild, welches einzelne Personen in der Öffentlichkeit gezeichnet bekommen. Erinnern wir uns noch? Da kam einst ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat nach Berlin, um eine Rede zu halten. Die damalige wie heutige Bundeskanzlerin konnte ihm kein offizielles Forum bieten, denn er hatte weder einen diplomatischen Status noch war sie sich sicher, ob er ihren Erwartungen entsprechen würde. Während er das dennoch an der Berliner Siegessäule massenhafte Publikum durch seine brillante Rhetorik zu euphorisieren verstand, blieb das offizielle Berlin reserviert.

Das hielt auch während Obamas Amtszeit so an. Eher skeptische Blicke auf sein Agieren, eher verhaltener Applaus auf seine Avancen. Das Bild, das von ihm gezeichnet wurde, entsprach weder dem, das ihm gerecht geworden wäre noch gereichte es dem, was er tatsächlich tat. Vom Tenor her wurde er als ein zu passiver Repräsentant seines Staates angesehen, von dem erwartet worden wäre, mehr den Weltpolizisten, zum Beispiel im Falle Syriens, zu spielen. Dieser Vorwurf verdeckte zum einen die Veränderungen innerhalb der USA, die er in Angriff genommen hatte und er verschleierte zum anderen die stille imperiale Agenda eines Präsidenten dieses Landes. Nie wurden mehr Drohnen abgeworfen und nie wurde in der gleichen Zeit in mehr Ländern der Regimewechsel versucht.

Nichts von alledem ist heute präsent, wenn nur ein halbes Jahr später der ehemalige US-Präsident Barack Obama auf einem Berliner Kirchentag erscheint. Verehrt wie eine Madonnenerscheinung, kommen 70.000, Fähnchen schwingende Christenmenschen auf die Veranstaltung, die er zusammen mit Angela Merkel besucht und huldigen ihn als den wahren Friedensapostel der Neuzeit. Ihm, dem ehemaligen Weichei und Zauderer, ist alles verziehen, ja, manche lassen sich sogar dazu hinreißen, von einem der größten seines Amtes zu sprechen. Wir leben im Land der Superlative, was bedeutet, dass diese auch schnell wechseln.

Ein Grund für diese Absolution ist natürlich sein Amtsnachfolger. Donald Trump, selbst Milliardär und Rächer der Enterbten, gilt im Gegensatz zu Obamas feinen und geschliffenen Umgangsformen als ein Elefant im Porzellanladen. Das Verhältnis seitens der deutschen Politik ist ambivalent. Von den Umgangsformen und seiner direkten Ansprache wird er als extrem unangenehm empfunden, als Weltbulle mit lockerem Schlagstock bringt er endlich das mit, was man bei Obama so vermisst hat. Kalten Auges schlägt Trump auf seine Ziele ein und ohne jede Art von Diplomatie sagt er, was er will. Da erschaudert es so manchen verweichlichten Europäer. Aber irgendwie scheinen sie es auch zu brauchen.

Die Mienen derer, die die Ehre haben, dieses Land zu vertreten, sind das beste Zeugnis für den Gemütszustand, den Donald Trump erzeugt, wenn er Tacheles redet. So geschehen auf dem jüngsten NATO-Treffen in Brüssel, wo er eben keine sülzige Rede über die Gemeinsamkeiten hielt, sondern die Mitgliedstaaten in harten Worten dazu aufrief, ihre bereits getätigten Zusagen in Bezug auf eigene Rüstungsausgaben endlich zu tätigen. Vor allem Merkels Blick war Gold wert: Er zeigte, wie sich ein souveräner und unabhängiger Staat fühlt, wenn er dennoch vor laufenden Kameras geschändet wird. Man hätte meinen können, es handele sich um einen Propagandafilm der viele zitierten Reichsbürger. War es aber nicht. Genauso wenig wie Trumps Vorwurf an die Bundesrepublik, mit ihren Außenhandelsüberschüssen vor allem den USA mächtig zu schaden. Irgendwie wird man den Eindruck nicht mehr los, dass es gar nicht so schlecht ist, was Trump mit seiner bruschikosen Weise macht. Er verdeutlicht, dass vieles nicht mehr so weitergehen kann. Eine triviale Erkenntnis. Aber hier kommt niemand auf diese Idee.