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„Sie hängen halt am Bändel“

Das markanteste Ereignis der letzten Tage hat wieder einmal niemand bemerken wollen. Korea schaut nach Deutschland und Deutschland beschäftigt sich mit dem Irak. Was war geschehen? Die olympischen Winterspiele wurden im nördlichen Teil Südkoreas eröffnet und der Präsident des Nordens schickte seine Schwester dorthin, um das Thema anzusprechen, das Korea seit dem Krieg im Jahre 1953 quält: die Teilung des Landes. Korea ist so geteilt wie einst Deutschland, und das seit mehr als sechzig Jahren. Und da Deutschland diese Erfahrung auch hat und da es Deutschland mit der wohlwollenden Unterstützung der damaligen Sowjetunion und der USA gelungen ist, sich wieder zu vereinen, gerade deshalb wünschen sich viele Koreaner, in Nord wie Süd, dass sich die Deutschen mehr mit ihnen beschäftigten und sich für eine Wiedervereinigung einsetzten. Das tun sie aber nicht. Warum auch? Und was der deutsche Präsident, der anlässlich der Olympia-Eröffnung dort war, dazu sagte, war der Kommentar eines im Käfig gehaltenen Papageien: es hängt nicht von Korea, sondern von den großen Mächten USA, China und Russland ab. Ein konstruktiver Rat und Empathie sehen anders aus.

Unter dem Aspekt der Aufhebung der Teilung des Landes muss man der nordkoreanischen Seite mehr Initiative und mehr Souveränität unterstellen als dem Süden. Die Raketenversuche, um Nordkorea als Atommacht zu etablieren, sind anlässlich der tatsächlichen Erprobung besserer Chinaböller, was übrigens auch die USA, China und Russland wissen, ein Zeichen, dass man sich auch mit den Großen anlegen will, um die Interessen des Landes bekannt zu machen und durchzusetzen. Das ist ein Zeichen politischen Willens, der leider im Süden fehlt. Dort reagierte man auf das Angebot zu einer Wiedervereinigungsinitiative ähnlich wie der deutsche Bundespräsident. Es hänge, so Moon, von den USA ab. Das wurde hier im deutschen Fernsehen als diplomatische Antwort verkauft. So reden Vasallen.

Und diese Vasallen ihrerseits spielen sich lieber im Irak auf, wie die noch amtierende und in der zukünftigen großen Koalition wieder gesetzte v.d.Leyen. Die kündigte auf einer Reise dorthin an, nach dem Sieg über den IS könne die dort eingesetzte Bundeswehr ihre Taktik ändern und dabei helfen zu verhindern, dass der Irak auseinander falle. Einmal abgesehen, dass die Bezwingung des IS hauptsächlich durch russische Streitkräfte vollzogen wurde, stellt sich die Frage, wie das gehen soll? Das sagte Kriegsministerin (um Verteidigung geht es offensichtlich nicht) zwar nicht, vor allem mit einer Operettenarmee, die mit ihrem politischen Personal danach zu lechzen scheint, endlich einmal wieder unmittelbar zu erfahren, was eine komplette militärische Niederlage ist. Wer das nicht will, schaut sich die Dokumente zu Stalingrad an, aber manche wollen eben. Und sie scheinen zu wollen, weil die USA das so wollen.

„Was regst du dich auf, sie hängen halt am Bändel“, meinte dazu mein Zeitungshändler. Und damit brachte er zum Ausdruck, was viele durchschaut haben, aber die Akteure, die da unterwegs sind, glauben, dass die Massen glauben, was sie glauben gemacht werden sollen. Das ist vielleicht der große Irrtum unserer Zeit. Und das Misstrauen, das allenthalben gegenüber den politischen Akteuren entsteht, ist ein Prozess der Erkenntnis. Es wird erkannt, dass da in vielen Fällen Sprechblasen unterwegs sind, die nicht getreu ihres Mandats handeln, sondern auf Geheiß anderer Mächte. Und ich danke noch einmal meinen Zeitungshändler: „Was soll das Gekeife gegen den Trump, wenn sie hinterher, in der praktischen Politik, doch machen, was er will?“

Die Mutter aller Bomben und der Kaiser Caligula

Einen Tag bevor in der christlichen Mythologie der Mensch gewordene Sohn Gottes seinen schwersten Gang zu gehen hatte, der erst damit enden sollte, dass er, mit Armen und Beinen ans Kreuz geschlagen und mit einer Lanze in den Leib gestochen, in der Abendsonne verenden sollte, warfen die Römer von heute über den Bergen von Afghanistan etwas ab, das offiziell mit MOAB abgekürzt wird, acht Tonnen Sprengstoff enthält und von den Legionären zynisch als Mother of all Bombs bezeichnet wird. Die Mutter aller Bomben tötete 36 Mitglieder des subversiven und terroristischen islamischen Staates und sie verursachte Schäden an einem für diese Schergen wichtigen Tunnelsystems. Und der Abwurf der Mutter aller Bomben zeigt, dass die Welt sich keine Sorgen zu machen braucht: Der Krieg, der vor 16 Jahren weltweit gegen den islamistischen Terror vor den Turmruinen des Weltfinanzimperiums ausgerufen wurde, ist noch lange nicht zu Ende.

Ja, vieles deutet darauf hin, dass das Biblisch-Apokalyptische sich eine Weile in unser Leben wird weiter einnisten können. Das zunächst Erratische eines Präsidenten Donald Trump, der aufpassen muss, dass er nicht die historische Analogie zu dem römischen Vorläufer Caligula erreicht, hat eines der Argumente, dass ihm den Zuspruch von den „einfachen Leuten“ einbrachte, nämlich die notwendige Verabschiedung der USA von der Rolle des Weltpolizisten, blitzschnell zunichte gemacht. Wobei lediglich ein Rollenwechsel vollzogen worden ist, denn eine Polizei hält sich an gewisse Regeln, das jetzige Auftreten erinnert bereits an das Gebaren kolumbianischer Drogenbosse.

Zumindest zwei Brandherde sind in wenigen Tagen neu angefacht worden. Sowohl Syrien als auch Afghanistan sind so, weit genug von den USA entfernt, als Konfliktfelder gesichert, wenn jetzt noch ein Clash mit Nordkorea gelingt, dann wäre die Sache perfekt. Mit der Fortführung der ersten beiden Konflikte sind die Konfrontationen mit Russland und dem Iran weiterhin stabilisiert. Und diejenigen, die Trumps Schwenk zu einer kriegerischen Politik, der im selben Moment ein seltsames Bekenntnis zur NATO folgte, werden sich noch wundern, wenn die Rechnung präsentiert wird. Und nicht nur monetär, denn bald wird es Leiber kosten, die bereits in geringem Maße durch die Aktionen der Terroristen in den Bündnisländern zu entrichten sind. Das werden dort auch mehr, denn mit der jetzigen Politik ist in einer Welt der Unsicherheiten nur eines sicher: Die Produktion von Nachwuchs für den Terror ist dramatisch gesteigert worden.

Ja, die Amerikaner haben diesen Präsidenten gewählt. Und er hat damit begonnen, das zu halten, was er versprach, in dem er Steuern senkte und wirtschaftlichen Protektionismus auf seine Fahnen schrieb. Und jetzt, jetzt macht er es wie Caligula. Er überschreitet die Alpen, wie viele seiner ruhmreichen Vorgänger und er will sich im Kampf mit heißen Waffen solche Blätter des Ruhmes erwerben. Was ihm, wie dem römischen Vorbild, nicht gelingen wird. Ob er, wie Caligula, eines gewaltsamen Todes durch Intrigen in den Lagern der Elite sterben wird, ist nicht Gegenstand der Spekulation.

Doch diejenigen, und da bleiben wir am besten in der biblischen Terminologie, diejenigen, die sich mit dem Gottlosen einlassen ob der Pfründe, die er ihnen verspricht, sie mögen in den Rachen des Unheils fallen und ihre Schreie mögen zu hören sein jenseits der hohen Berge, die das geschundene Tal von dem Aufgang der Sonne trennt.

Radio Pjöngjang

Ausgerechnet Klaus Kleber, der Jurist, der sich zu einem durchaus respektablen Journalisten gemausert hat und den wir alle aus dem Heute Journal kennen, ausgerechnet Klaus Kleber verglich die Tagesthemen der ARD mit den Nachrichtensendungen Nordkoreas, in denen mit kalter Miene vom Blatt abgelesen werde. In seiner eigenen Sendung, in der er selbst erscheint wie das letzte Relikt aus einer Ära, als man noch eine Vorstellung vom Gehalt einer Nachrichtensendung hatte, dominiert nicht die Regie aus Pjöngjang, sondern die aus Bollywood. Was die Moderatorinnen in diesen Format an den Tag legen, ist lauer Zeitgeist, eine Mischung aus lapidarer Sprache und anti-autoritärem Trotz und weit entfernt von dem, was es zu reklamieren sucht.

Unerwarteter und erstaunlicher Weise waren die Kommentare derer, die Klebers Auslassungen in spiegel online gelesen hatten, durchweg kritisch. Sie teilten nicht die Auffassung, dass eine Nachrichtensendung locker und unterhaltsam sein müsse, um als qualitativ wertvoll bezeichnet werden zu können. Nahezu einhellig dokumentierte die Leserschaft ihren Willen zu Konzentration und Seriosität. Das beruhigt, ist aber wohl eher ein Zufallsergebnis.

Der scheinbar an Unterhaltungskriterien entwickelte Diskurs kaschiert allerdings eine sehr verbreitete und seit längerer Zeit ebenfalls in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durchaus etablierte Form der Meinungsbildung und gezielten Manipulation. Vor allem die Kolleginnen von Herrn Kleber sind für alle, die eine Nachrichtensendung anschalten, um Nachrichten zu erhalten, ein ständiges Ärgernis. Wie Modelle aus der anti-autoritären Kinderladenbewegung werfen sie ihr infantiles Politikverständnis mit einem rotzigen Ton und sprachlich restringiert in die längst ausgeschlagene Waagschale, um ihre persönliche Meinung zu einem Maßstab für die Zuschauerinnen und Zuschauer zu machen. Dabei ist das Politikverständnis bemitleidenswert eng gefasst, der sprachliche Duktus allenfalls ausreichend für eine Casting-Show und der Emotionsexhibitionismus eher ein Fall für das Dschungel Camp oder Big Brother.

Die Entwicklung des Heute Journals korrespondiert mit dem vermeintlichen nachlassenden Vermögen der Zielgruppen, aus einer kalten Information, die als ein Faktum für sich steht und die aus einem bestimmten Kontext zu deuten ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Es ist nicht nur seltsam, dass es immer noch viele Menschen gibt, die diese Art und Weise des Informationserwerbs bevorzugen, sondern auch in der Lage sind, den manipulativen Charakter der immer mehr um sich greifenden Nachrichtendeformation zu entlarven.

Das Problem liegt also nur zum Teil an den massiv betriebenen und auf allen Kanälen forcierten Entmündigungsversuchen, sondern in der Unfähigkeit, eine wirksame Opposition zu organisieren. Das Phänomen, das sich nolens volens hinter dem Vergleich mit Pjöngjang verbirgt, ist der Zusammenhang von Unterdrückung und Bevormundung und dem Maß notwendiger Gewalt. Während Regimes wie das in Nordkorea noch mit einer sehr eindimensionalen Vorstellung von Steuerung und Bevormundung agieren und notfalls mit dem Einsatz von Uniformierten daher kommen müssen, sind unter hiesigen Verhältnissen die bunt gekleideten und nett anzusehenden Mickey Mäuse aus dem Heute Journal in der Lage, zersetzende Herrschaftsideologie unters Volk zu bringen. Dort, wo sich Menschen organisiert gegen die modernen Raubzüge gegen den Humanismus zur Wehr setzen, rügen sie mit Liebesentzug und dort, wo die Illusion einer nie zu realisierenden Versöhnung gepflegt wird, reagieren sie mit einem verheißungsvollen Augenaufschlag. Und sie suggerieren schelmisch den bedingungslosen Individualismus als das höchste Gut. Das ist die schöne neue Welt, oder, wenn man so will, das moderne Radio Pjöngjang.