Schlagwort-Archive: Norbert Röttgen

Die es mit dem Teufel treiben!

An der neuen Erzählung wird bereits heftig gearbeitet. Afghanistan war eine Tragödie, bei der die Rollen sehr verwischt sind mit Ausnahme zweier Handelnder. Der Taliban als die Bösen schlechthin und die afghanische Bevölkerung als die Schwachen. Joe Biden brachte den ganzen Zynismus des schlitternden Imperiums nach seiner Ansicht auf den Punkt: Wenn die Afghanen selbst nicht kämpfen wollen, dann können wir ihnen auch nicht helfen. Zu solchen Ansichten kommen auch hierzulande viele so genannte Atlantiker, die die Imperialistenlogik mit der Muttermilch gesaugt haben. Das, was unumstößlich ist und als Faktum in den Geschichtsbüchern stehen wird, haben Biden und seine Scherpenträger in Germanistan bereits verdrängt: „Die Afghanen“ haben nie darum gebeten, dass die NATO das Land bombardiert und zu besetzen versucht. Dieser Plan entsprach einem Stab um den damaligen Präsidenten George W. Bush, der glaubte, in Afghanistan der Terrorgruppe al-Kaida das Handwerk legen zu können. 

Gregor Gysi, Ehre wem Ehre gebührt, antwortete einem dieser unsäglich verstockten Kriegstreiber gegen alle ernst zu nehmenden Länder, in denen die Sonne aufgeht, Norbert Röttgen, Israel habe den Kriegsverbrecher Eichmann auch in Argentinien gefasst und außer Landes gebracht, ohne gegen Argentinien Krieg zu führen. Die Claque des amerikanischen Bellizismus hatte dazu keine Antwort, was allerdings keineswegs Lernprozesse einleiten könnte. Ein Großteil des politischen Establishments ist zu sehr mit der amerikanischen Eindämmungspolitik gegenüber China und einem offenen Aggressionskurs gegen Russland verwoben, als dass noch auf eine Wende zu besonnenem Vorgehen, das von einer Neupositionierung des eigenen Landes ausgeht, stattfinden könnte. Am Rockzipfel in das nächste Desaster!

Und da wären wir wieder bei der grandiosen Möglichkeit, die das Beispiel Afghanistan liefern könnte. Erstens muss eine ernst zunehmende Politik davon ausgehen, dass Interessen und keine moralischen Prinzipien die eigene Politik bestimmen. Zweitens sollte die Einsicht eintreten, dass kriegerische Handlungen nicht zu einer politischen Systemveränderung führen. Der nun gerne zitierte Satz, dass das noch nie gelungen sei, außer im Falle Deutschlands, gehört wohl zu den größten Illusionen, mit denen dieses Land in den letzten Jahrzehnten gelebt hat. Demokratischer Bürgersinn, Selbstbestimmung und ein Konsens über Sinn und Zweck des Gemeinwesens sind alles andere als gesetzt. Das einzige, um bei der Bündnispolitik zu bleiben, was funktioniert hat, ist die hündische Ergebenheit gegenüber den ehemaligen Befreiern, Besatzern und selbst ernannten Zuchtmeistern einer längst veränderten Welt. Besonders die Krisen der letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt: Obrigkeitsstaatlichkeit, Zentralismus und Bevormundung waren die Paradigmen, die sich durchgesetzt haben. 

Der große Konsens des politischen Lagers besteht in der Annahme, dass die Strategie richtig gewesen sei und man allenfalls taktische Fehler mit gravierenden Auswirkungen zugelassen habe. Solange diese Interpretation hingenommen wird, ist mit Veränderungen nicht zu rechnen. CDU, SPD sowie in besonders missionarischem Maße Die Grünen wollen den Kurs auf ein neues Desaster treiben. Wieder militärische Aggression, wieder Invasion, was sie „mehr Verantwortung übernehmen“ nennen, wieder katastrophale Zustände, wieder Massenflucht – die Spirale wird kein Ende nehmen, solange nicht die Verkleidung fällt, dass hinter den humanistischen Zielen der blanke Imperialismus sein gewohnt kriegerisches Gesicht zeigt. Nicht, dass alle Parteien sich da glichen. Und nicht, dass deren Mitglieder alle die Geilheit auf den nächsten Krieg verspüren, wie so manche exponierte Sprecher. Auch an sie sei appelliert, Lehren aus dem Spektakel am Hindukusch zu ziehen und die Röttgens, die von der Leyens, die Kramp-Karrenbauers und Maas, die Baerbocks, Fischers und Habecks zum Teufel zu jagen. Denn mit dem, das hat Afghanistan gezeigt, mit dem kennen sie sich aus!   

Kandidatenrevue: In ihrer Seele brennt elektrisch Licht.

Das technokratische Zeitalter, in dem wir leben und das sich mehr und mehr auf sein desaströses Ende zubewegt, kann auch als die Diktatur der instrumentellen Vernunft bezeichnet werden. Den Charakter derer, die sich in dieser Epoche profilieren, hatte schon Erich Kästner in der ihm eigenen Weise auf den Punkt gebracht:

In ihren Händen wird aus allem Ware.

In ihrer Seele brennt elektrisch Licht.

Sie messen auch das Unberechenbare.

Was sich nicht zählen lässt, das gibt es nicht!

Die Typologie der Protagonisten des technokratischen Zeitalters sind das eine. Was dabei verloren geht oder kaum noch gehört wird, ist das andere. Die faktenbasierten Wissenschaften befinden sich im Eldorado, unabhängig davon, welchen Schabernack sie zuweilen auch treiben. Und die Wissenschaften und Disziplinen, die mit Gefühlen wie Abstraktionen arbeiten, sind marginalisiert und gerade sie sind es, die sehr dabei helfen können, zu vermeiden, sich individuell wie gesellschaftlich auf Verhältnisse einzulassen, die im Nachhinein bitter bereut werden könnten.

Der Sprung mag etwas krass erscheinen, aber die Kandidatur sowohl von Friedrich Merz als auch von Norbert Röttgen zum Parteivorsitz der CDU mit inkludierter Kanzleroption ist so eine Geschichte. Würden vor allem beim ersteren nicht andauernd die zahlenmäßigen Erfolge seiner steilen Karriere bei Black Rock kolportiert, sondern ausnahmsweise einmal fein psychologisch nach seiner Motivlage gefragt, dann könnte man sich das ganze Sezieren des Charakters einer Investmaschine wie Black Rock sparen, um zu einem Urteil kommen zu können.

Was geht in einem Menschen vor, der, als Mittvierziger, einen Machtkampf verloren hat, der dann das Metier wechselt, dort gewaltig reüssiert und letztlich, anderthalb Jahrzehnte später, zurück zu kommen als der Rächer im dunklen schwarzen Mantel? Was würden die klugen Psychoanalytiker dazu sagen? Wie ist es um den Charakter und das Psychogramm eines solchen Menschen bestellt, der weder durch Ferne, noch durch Erfolg und auch nicht durch Macht von der Traumatisierung einer Niederlage befreit werden konnte? Nun kann man sagen, dass das auch nicht die richtigen Mittel seien, um Verletzungen zu heilen. Das stimmt. Aber Hilfe, Hilfe hätte sich ein so einflussreicher Mann holen können, um Frieden mit sich und einem erfolgreichen Leben zu schließen. Getan hat er es nicht. Und nun steht er, Röttgen analog und nicht ganz so krass, vernarbt auf der Bühne und will es noch einmal wissen.

Wem es nicht gelingt, Niederlage und Schmach zu heilen, dem ist vorauszusagen, dass er mit einem Programm zurückkommt, das für das Umfeld verheerend sein wird. Es wird bestehen aus den eigenen Standpunkten, die damals, zum Zeitpunkt des eigenen Debakels, unterlagen. Und er wird sie wieder vorzeigen und beteuern, dass er damals schon Recht gehabt hatte. Und er wird, auch dazu bedarf es keiner subtilen Prognostik, er wird so manchen Rankünegedanken in sich tragen, der sich vehement gegen Frauen richten wird, die ihrerseits erfolgreich und selbstbewusst sind und deren Typus er für das eigene Scheitern verantwortlich macht.

Nicht nur für die CDU, sondern für die ganze Republik stellt sich folglich die Frage, ob die Lage, in der wir uns befinden, es erfordert, verletzte Machtmenschen mit einem Programm aus der Vergangenheit in Positionen zu bringen, in denen sie die Zukunft gestalten sollen. Die mangelnde eigene Selbstreflexion dieser Kandidaten ist eine Katastrophe. Und die viel zu schwache, kaum vernommene Stimme der Psychologie ist eine Signatur eines Zeitalters, dass hoffentlich bald zur Neige geht.