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Ein Putsch jagt den anderen!

Jetzt kann alles sehr schnell gehen. So glauben zumindest diejenigen, die es gerne hätten, dass die Republik ganz direkt und ohne Schnörkel in heiße Kriege verwickelt werden kann. An einem Konstrukt wird bereits heftig gearbeitet. Die USA und die üblichen Verbündeten bei jedem Regime-Change-Projekt des letzten Jahrzehnts, Großbritannien und Frankreich, bereiten sich auf militärische Schläge vor, sollte „Assad“ noch einmal Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Die in hiesigen Medien genannten Rebellen, bei denen es sich um Extremisten und Terroristen handelt, scheinen bereits daran zu arbeiten, wie ein solches Verbrechen nachgewiesen bzw. suggeriert werden kann. Die USA wollen endlich rein in Syrien, und der Konflikt wird ein globaler werden.

In diesem Zusammenhang wurde bereits die Bundesverteidigungsministerin aus dem Pentagon angefragt, ob Deutschland im Fall des Falles mit von der lustigen Kriegspartie ist. Diese, etwas nassforsch, etwas hörig, lässt, so ihr Ministerium, prüfen, inwieweit das machbar ist. Allein dieser Satz reichte in normalen Zeiten aus, um sie dahin zu schicken, wohin sie so gerne andere schicken möchte: in die Wüste. Noch, so sollte niemand vergessen, noch entscheidet das Parlament, ob sich das Land in einem Kriegszustand befindet oder nicht. In der Verfassung steht etwas von Landesverteidigung, nicht von Angriffskriegen mit moralischer Begründung. Das Völkerrecht wurde bereits bei den Luftschlägen der USA und ihren beiden Adjutanten vor einigen Monaten ignoriert. Aber wer schlechte Gesellschaft sucht, der wird sie finden.

Noch dreister als die Ministerin allerdings gebärdet sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Der brachte es fertig, die Option einer aktiven militärischen Beteiligung als quasi präventiv zu charakterisieren. Es wäre, so der beschwipste Rheinländer, an der Zeit, sich in Syrien präventiv an militärischen Aktionen zu beteiligen, um die Zivilgesellschaft so besser gegen geplante Giftgaseinsätze seitens der Regierung schützen zu können. Da kann man nur hoffen, dass eine andere, größere Macht hier einmarschiert und uns kollektiv vor der eigenen Dummheit schützt. Lieber ins fremd bestimmte Boot Camp als im selbst gesteuerten Narrenhaus.

Machen wir uns nichts vor: Das, was wir aus offiziellem Munde in diesen Tagen hören, ist der laute Dammbruch eines bis dahin zumindest noch recht stabilen gesellschaftlichen Konsenses über das Verhältnis des Landes zu Gewalt und Krieg. Begonnen hat das alles mit der Verteidigung der Demokratie am Hindukusch. Da war aber immer schon militärische Präsenz seitens anderer gewährleistet und es ging zumeist um Logistik und Ausbildung. Jetzt geht es um Attacke und Einmarsch. Ohne völkerrechtliches Mandat. Einfach so, auch ohne Mandat des Bundestages. Das ist eine neue Qualität.

Streng genommen handelt es sich um einen Putsch. Wie so etwas geht, hat der Heimatminister bereits in diesem Sommer demonstriert und gerade ist er mit dem Präsidenten des Verfassungsschutzes erneut dabei. Nun kommt das auswärtige und das Verteidigungsgeröll dazu. Der zweite Putsch innerhalb weniger Wochen. Die Sozialdemokraten, ihrerseits Koalitionspartner der gemein gefährlich gewordenen Regierung, haben Stellung bezogen. Gegen den Putsch der Heimatfront und gegen die Kriegsphantasien der aus den Bereichen Verteidigung und Auswärtiges vorgebrachten Tabubrüche. Das sind klare Standpunkte, die wichtig sind, es beseitigt jedoch nicht mehr die Gefahr. Der größere Part der Regierung lässt sich treiben von fünfzehn Prozent Straßenmob. Das geht zu weit. Entschieden! No pasarán! Sie dürfen nicht durchkommen!

NO PASARÁN!

In Madrid, am Plaza Mayor, im Herzen der Stadt, läuft zur Zeit eine Ausstellung unter dem Titel: NO PASARÁN! Madrid 1936. Anhand von Fotografien, Tondokumenten und Plakaten werden jene 16 Tage zurück ins Leben gerufen, in denen General Franco die Hauptstadt, aus der die republikanische Regierung bereits geflohen war, einnehmen und die Macht an sich reißen wollte. Durch eine ungeheure Anstrengung aller demokratischen Parteien, der Zivilbevölkerung und Sympathisanten aus aller Welt gelang es, in sechzehn verlustreichen Tagen, das putschende Militär aus der Hauptstadt zu halten und die Hoffnung auf den Erhalt der 2. Republik, der Nińa Bonita, zu wahren. Was folgte, waren drei Jahre Bürgerkrieg, die durchaus als Prototyp der weiteren europäischen Geschichte bezeichnet werden können.

Die Ausstellung in Madrid zieht Tausende an, Alte und Junge stehen in der Schlange und selbst strömender Regen hält sie nicht ab. Wie können sechzehn Tage, die als Vorspiel des II. Weltkrieges bezeichnet werden müssen, heute noch eine solche Attraktion besitzen? Vielleicht ist es nicht nur das kollektive Gedächtnis einer Stadt, vielleicht ist es aber auch ein Gefühl, das die Aktualität dieser dichten Ereignisse so interessant macht.

General Franco erhielt nicht umsonst Unterstützung von den Herren Mussolini und Hitler. sie unterstützten ihn, auch mit Militärkraft, wobei die deutsche Legion Condor bis zum heutigen Tag eine traurige Berühmtheit in Spanien hinterließ, als sie im baskischen Guernica 1937 einen Wochenmarkt bombardierte und den Ort nahezu auslöschte. Da ging es nicht um eine militär-strategische Notwendigkeit, sondern um den Faktor der Demoralisierung. Der Faschismus testete im spanischen Bürgerkrieg seine Militärstrategie, so wie auf republikanischer Gegenseite versucht wurde, die Allianzen zu schmieden, die den drohenden Weltkrieg verhindern und den Faschismus bezwingen sollten. Da waren jene Internationalen Brigaden, zu denen sich Menschen aus der ganzen Welt gemeldet hatten und, wenn sie nicht fielen, einen Vorgeschmack bekamen auf die brachiale Seite des Krieges. Orwell, Hemingway, Reger und Kolzow waren nicht nur Zeitzeugen, sondern sie hinterließen auch Berichte, die bis heute unter die Haut gehen.

Und da war die glorreiche Sowjetunion, bereits unter der Ägide Stalins, die mit allerlei Teufeln paktierte und für das moralische Zerbröseln der republikanischen Front in hohem Maße mitverantwortlich war und ihre eigene Glaubwürdigkeit in diesem spanischen Bürgerkrieg dramatisch ramponiert hatte. Und dort, wo gerade eine elitär-katalanische Revolte im Gange ist, da mobilisierten Anarchisten Menschenmassen wie seitdem nie mehr in der Geschichte. Bonaventura Durruti, einer jener Volkstribune, die Hunderttausende in ihren Bann zogen, sorgte dafür, dass Barcelona als anarchistische Hochburg galt. Tatsächlich waren diese Anarchisten nicht weniger martialisch als der Rest. Bei jedem Ort, den sie einnahmen, begannen sie mit einem eindeutigen Ritual: Sie erschossen den Priester wie den Bürgermeister und verbrannten das Stadtarchiv, um die Buchführung über den Grundbesitz zu vernichten.

Madrid fiel zuletzt, und dort herrschte er dann, jener General Franco, bis er 1975 als alter Mann im Bett starb. Sein designierter Nachfolger, General Carrero Blanco, der für die Kontinuität der Diktatur stand, wurde kurz vor seinem Amtsantritt seitens der baskischen Untergrundorganisation ETA in Barcelona samt seiner Limousine über ein siebenstöckiges Haus gesprengt. Das war das Ende der Diktatur, was allerdings selten erwähnt wird. Betrachtet man die Massen, die in die Ausstellung drängen und sieht in ihre Gesichter, so kommt man zu dem hoffnungsvollen Schluss, dass manchmal doch mehr Wissen vorhanden ist, als in den Büchern steht.