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Hochmut kommt vor dem Fall

Es ist immer wieder gut, wenn Menschen, die in einer bestimmten historischen Periode eine wichtige Rolle gespielt haben, nach dem Ausscheiden und im Schutze des Alters aus dem Nähkästchen plaudern. Manchmal erfährt man Dinge, die vielleicht im Redefluss gar nicht als Botschaft intendiert waren, die jedoch dazu geeignet sind, die offizielle Version von Geschichte in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

Wolfgang Ischinger gab sich vor kurzem in einem längeren Gespräch die Ehre. Seine wichtigsten aktiven Stationen waren sicherlich die des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in den USA von 2001 bis 2006, danach ich gleicher Funktion bis 2008 in Großbritannien und schließlich als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz von 2008 bis 2022. Und besonders in der letzten Funktion kann er als wichtiger Zeitzeuge im Hinblick auf die geopolitische Entwicklung und die heutigen Konflikte gesehen werden.

Und man muss ihm insofern danken, als dass er in besagtem Interview über ein Ereignis während der Münchner Sicherheitskonferenz berichtet, das verheerende Auswirkungen nach sich zog. Im Jahr 2007 war klar, dass der wie auch immer auftretende Westen beabsichtigte, der Ukraine nicht nur die Aufnahme in die EU anzubieten, sondern diese Option nur in einem Junktim mit der NATO-Mitgliedschaft zu verbinden. Der anwesende russische Präsident Putin bezeichnete diese Pläne als rote Linie für die Russische Föderation, weil damit ihre Sicherheitsinteressen empfindlich getroffen würden. Und er drohte mit ernsthaften Konsequenzen. Und Ischinger erzählte, dass daraufhin ein amerikanischer Vertreter in den Raum gerufen habe, „und dann haben wir den dritten Weltkrieg“ und daraufhin das gesamte Auditorium laut gelacht habe. Ischinger resümierte diese Erinnerung mit der Bemerkung, dass man damals tatsächlich nicht geglaubt habe, dass die geplante NATO-Mitgliedschaft der Ukraine seitens Russlands ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen könne und man glaubte, dass Putin bluffe.

Die Episode verdeutlicht, in welchem Höhenrausch sich zu diesem Zeitpunkt die Vereinigten Staaten und ihr Gefolge befanden. Dass der kurz danach gewählte Präsident Obama dann von Russland als einer Regionalmacht sprach, passt in dieses Bild der eigenen Selbstüberschätzung und der Unterschätzung Russlands. Und wir reden hier auf deutscher Seite von Spitzendiplomaten, wie sie sich selbst zu nennen pflegen. Ein Blick in die Annalen des eigenen Ressorts hätte helfen können. Und noch besser, in die eigene Geschichte und vielleicht wäre man auf den Satz Bismarcks gestoßen:  

„Ich kenne 100 Methoden, den russischen Bären aus seiner Höhle zu locken, aber keine einzige, ihn da wieder hineinzukriegen.“

Dass zu dieser Zeit ein gewisser Herr Steinmeier das Amt des Bundesaußenministers bekleidete und wahrscheinlich im Saal saß und mitgelacht hat, sei hier nur zur Vervollständigung erwähnt. Dass alles, was seit 2022 in dieser Hemisphäre als plötzlicher Überfall Russlands auf die Ukraine dargestellt wird, eine heftige, in vielen Punkten immer wieder zu markierende Vorgeschichte hat, wird durch die Redseligkeit des Herrn Ischinger noch einmal illustriert.

Sicher ist, dass die Geschichte, so wie sie hier täglich neu kolportiert wird, neu zu schreiben ist. Und vielleicht wäre es gar nicht so weit hergeholt, auf die Aktualität einer längst eingestaubten Volksweisheit hinzuweisen: Hochmut kommt vor dem Fall. Die USA und ihr europäisches Gefolge haben sich kolossal verzockt.  Wer das als eine Verteidigung von Werten darstellt, ist schlichtweg nicht ganz bei Sinnen.

Hochmut kommt vor dem Fall

Basic Instinct?

Ich habe mir die Rede von J.D. Vance zweimal im Original angehört. Und, im Vergleich zu dem, was ich in der hiesigen Presse und in Kommentaren lesen konnte, war da nichts von dem, was ich als eine unzulässige Einmischung oder Parteinahme hätte erkennen können. Die Quintessenz dessen, was er dort in München, auf einer Sicherheitskonferenz, auf der man gerne über Krieg und Rüstung spricht, war: Vertraut in die Weisheit des Souveräns. Wenn ihr das macht, braucht ihr nichts zu fürchten, weil ihr die Legitimation eurer Auftraggeber habt. Und kümmert euch um eure Belange. Wem das zu viel war, der verriet mehr über sich selbst als über die Ungeheuerlichkeit eines amerikanischen Konservativen, der an das elementare Grundprinzip der Demokratie erinnerte. 

Vance vergaß freilich nicht, an das furchtbare Arsenal an Begriffen und Worten zu erinnern, die mittlerweile zum Alltag gehören. Wie Desinformation, Fake News, Hass und Hetze. Das sind Begriffe aus autokratischen Gefilden, mit denen viele Regierungen in Europa ihr Tagesgeschäft begleiten. Und nähmen sie es ernst, warum laufen die größten Hetzer noch frei herum? Diejenigen, die jetzt, wo es um einen Frieden geht, von einem europäischen militärischen Alleingang reden? Die auf den Zahllisten von Rüstungskonzernen stehen, in Parlamenten sitzen und großen medialen Raum genießen? Ihr Geschäft ist die Desinformation, sind Fake News und die Verbreitung von Hass und Hetze? Wo sind die Staatsanwaltschaften, die ermitteln? Die mit ihrem bellizistisch durchtränkten Geschwafel den ganzen Kontinent in den Untergang zu treiben bereit sind? Und, das nur am Rande, sich längst von Grundprinzipien des Grundgesetzes verabschiedet haben? Ein Hinweis darauf als Ungehörigkeit und Unzulässigkeit zu bezeichnen, dokumentiert, mit wem wir es da zu tun haben.

Die amerikanische Administration hat übrigens begründet, warum sie ohne europäische Regierungen Verhandlungen mit Russland führen will. Weil sie die Minsker Vereinbarungen, die sie selbst getroffen haben, einfach nicht umgesetzt haben. Weil sie zugelassen haben, dass die Lage in diesem Ausmaß eskaliert. Aber, wir wissen es ja, das wären wieder Desinformation und Fake News, wenn das einer verbreitete.

Der deutsche Bundeskanzler hat sich im Anschluss an die Rede des J.D. Vance eine derartige Einmischung expressis verbis verbeten und sich damit, so kurz vor der Wahl, noch einmal selbst als Attrappen-Kanzler enttarnt. Als Joe Biden, der spiritus rector des ukrainischen Untergangs, im Beisein dieses Kanzlers die Zerstörung der Nord Stream Pipeline, deutscher kritischer Infrastruktur, ankündigte, stand er noch daneben und lächelte. Da wäre die Empörung angebrachter gewesen. Und der Kandidat der Union war nun in München von der Einlassung des Amerikaners so getroffen, dass es ihm die Sprache verschlug und er danach in das blamable Geheule mit einfiel. Sollte es mit ihm weitergehen, so wissen die Wählerinnen und Wähler jetzt auch, wird der freie Fall anhalten.

Die Verbreiter von Desinformation und Fake News, die uns täglich mit Hass und Hetze überziehen, sitzen bei den Grünen, bei der SPD, in der CDU und der FDP. Mit Frieden haben sie nichts am Hut. Und mit Demokratie schon gar nichts. Nie wieder? Wir sind mehr? So, wie es scheint, hat die mediale Propaganda einem Großteil der Bevölkerung, um einen Filmklassiker zu zitieren, das Hirn frittiert. Von Basic Instinct, zu spüren, was richtig und falsch ist, ist im Moment nicht viel zu beobachten. Warten wir ab, ob das ganze Theater nicht doch bei den Wahlen seinen Ausdruck findet.  

Streumunition und Phosphorbomben zur Verteidigung der liberalen Demokratie?

In einem längeren Artikel, der sich mit der militärischen, politischen und momentan nicht vorhandenen diplomatischen Lage in und um die Ukraine auseinandersetzte, las ich einen sehr unter die Haut gehenden wie klugen Satz: Solange Selenski und die ihn unterstützenden Kreise davon ausgehen können, dass unten heraus Dollar- und Euroscheine kommen, sind sie bereit  oben Ukrainer in den Fleischwolf und die Knochenmühle zu werfen. Auch wenn man sich vor Augen führen muss, dass die große Inszenierung dieses Krieges nicht von besagter Gruppe unternommen worden ist, muss jetzt auf sie geachtet werden. Das Tableau dieses Krieges wurde von den Freunden gesetzt, die jetzt mit diesen Scheinen winken. Nicht, um die Ukraine zu vernichten. Aber sie nehmen es bereitwillig in Kauf. Aus geostrategischen wie rein geschäftlichen Gründen. Russland zu schwächen ist ebenso in ihrem Interesse, wie Europa zu spalten. Ein Kriegstableau ist ihnen lieber als eine Friedensarchitektur. Und Tote in der Ferne sind zuhause besser zu verkaufen wie zerfetzte Landeskinder. Aus ihrer Sicht kann man, zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt sagen: Es läuft!

Doch zurück auf den jetzigen Präsidenten des Staates, der in dieser Form nicht überleben wird. Ihm wurde, nachdem zu Beginn der russischen Invasion die Möglichkeit eines Waffenstillstandes in naher Reichweite stand, bedeutet, dass es ihm so erginge wie einem an den Verhandlungen beteiligten Landsmann, der kurz darauf in Kiew auf offener Straße mit einem Kopfschuss liquidiert wurde. Das hat er schnell begriffen.

Und nun ist jene ukrainische Entourage, die den Zugang zu allen renommierten Sendestationen in allen NATO-Staaten rund um die Uhr genießt, gleich Marktschreiern unterwegs. Waffen, von denen das Land bereits vor der russischen Aktion durch freundliche Unterstützung der NATO strotzte, sollen geliefert werden. Schützenpanzer und Kampfpanzer sind bereits dort oder unterwegs, die Tourette-Kanaille aus dem ukrainischen Außenministerium hat bereits Kriegsschiffe und ein U-Boot gefordert und Selenskis Stellvertreter war jetzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz, einem Euphemismus für imperialistischen Kriegsrat, so frei, nach Streumunition und Phosphorbomben zu fragen. Beide Kategorien sind völkerrechtlich geächtet. Die Aktion zeigt, wie verkommen die Höllenhunde, die als selbst ernannte Kämpfer für die liberale Demokratie gelten, sind. Sie stehen auf festem Grund ihrer faschistischen Gründungsväter, die sie auch offen bei jedem möglichen Anlass preisen. Und, eine kleine, aber nicht unerhebliche Frage, wer aus dem NATO-Reigen besitzt denn diese geächteten Mittel?

Was da in den Ländern vonstatten gegangen ist, die sich einmal zusammengefunden hatten, um nach den Verheerungen des letzten großen Krieges an einer europäischen Friedensordnung zu arbeiten, lässt sich entweder nur in Form einer antiken Tragödie beschreiben. Oder der Niedergang liegt in einer einfachen Wahrheit, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit, als der Westen noch eine gewisse Strahlkraft hatte, von vielen identifiziert wurde. Wenn du deinen freien Willen aufgibst und deine Bestimmung in die Hände von fremden Mächten legst, dann bewegst du dich sukzessive an den Ort, von dem Dante mit den berühmten Worten beschrieb, wenn man dort einträte, solle man alle Hoffnung fahren lassen.

Nun, in einer Welt, in der zumindest einige Kriminelle über soviel destruktive Energie verfügen, dass sie imstande wären, den ganzen Globus um das Vielfache zu vernichten, stirbt die Hoffnung allerdings zuletzt. Da mögen auch soviel Kräfte der Vernunft und der Zivilisation vorhanden sein, um dieser barbarischen und verlogenen Meute den Weg in ihr eigenes Inferno zu weisen. Auch ohne Streumunition und Phosphorbomben.