Immer mehr Menschen laufen verzweifelt durch die Straßen und rufen nach einer Räson, die sie nicht finden. Räson ja, aber nicht die, die sie suchen. Sie sehnen sich nach dem, was ihr Leben geprägt hat. Nach der Überzeugung, dass man sich trotz unterschiedlicher Interessen auf einen Modus Vivendi einigen kann. Dass man in der Lage ist, andere Lebenskonzepte zu tolerieren, ohne sein eigenes dafür aufgeben zu müssen. Dass gerade die Fusion unterschiedlicher Perspektiven etwas Neues, Besseres erschaffen kann. Aber sie laufen immer noch herum, verzweifelt, hilflos, mit wachsender Wut im Bauch.
So langsam macht sich bei ihnen die Erkenntnis breit, dass sie ganz naive Illusionisten waren. Denn der Kapitalismus, in seiner vollen Blüte, diese Fleisch fressende Pflanze, hat sich mit dem Neoliberalismus ein Umfeld geschaffen, das nichts erschafft als Zerstörung. Und es wundert nicht mehr, dass die Guten geflüchtet sind. In die Gemächer der inneren Emigration, in die Keller der Vergänglichkeit und in die Stollen der Konspiration.
Denn wer wollte es ihnen verdenken? Wenn sie das Gefühl hatten, von gekauften und bestochenen Chargen regiert zu werden? Wenn sich Vertreter einer militaristischen Sekte ohne Gegenwehr auf die Türme der Gesellschaft setzen konnten? Die jede Verletzung der eigenen Souveränität gut hießen, die sich erlaubten, die vitalen Strukturen der Gesellschaft zu zerstören, die alle Freunde vergällten und alle Wohlgesonnenen vergraulten? Wer kann sie dafür tadeln, dass sie sich so ekelten, dass sie für eine Weile wie gelähmt waren? Dass sie es nicht mehr ertrugen, wie alles, was sie mit erschaffen hatten, wie Sperrmüll vor die Tür gestellt wurde? Und dass sie, bei dem Wissen, das sie hatten, ahnten, dass danach nichts Besseres kommen würde.
Sie fühlten sich zurück versetzt in die Zeiten, als sie begonnen hatten, sich gegen die zivilisatorischen Trümmer eines Desasters zu stellen, die aus einem Schauspiel resultierten, das jetzt von neuem aufgeführt wurde. In dem das Elend nicht an seiner Wurzel gepackt wurde, sondern auf Feindbilder projiziert wurde, die mit dem Grad der eigenen Verelendung nichts zu tun hatten. Und es hatte funktioniert, bis alles im Trümmern lag.
Und jetzt wiederholt sich das Spiel. Die Orgien der Zerstörung sollen als das normalste der Welt angesehen werden. In aller Frivolität werden die Verbrechen, an denen man sich beteiligt, auch noch als eine Verteidigung glorreicher Werte tituliert. Sehen Sie sich doch die Schergen an, die da im Licht der Öffentlichkeit gehandelt werden: Würden Sie mit denen ein Projekt beginnen? Würden Sie solche Figuren einstellen, wenn Sie jemanden suchten, der etwas Positives bewirken sollte? Würden Sie Ihnen Ihre persönlichen Angelegenheiten anvertrauen? Würden Sie sie Ihren besten Freunden empfehlen, wenn diese in Not wären?
Wir brauchen nicht über diese miserable Auswahl diskutieren. Sie spielen nach besten Möglichkeiten ein Spiel, das von Grund auf falsch ist. Für alle, die in Frieden leben wollen. Für alle, die souverän über ihr Leben entscheiden wollen. Und für alle, die ohne existenzielle Not ihr Dasein gestalten wollen. Mit dem Ensemble, das momentan auf dem Podest steht, ist das nicht zu machen. Und es hilft nichts, fluchend durch die Straßen zu laufen. Wie formulierte es Bert Brecht noch?
Wut im Bauch allein reicht nicht! So etwas muss praktische Folgen haben!
