Die gegenwärtigen Szenarien in Bezug auf die internationalen Krisenherde greifen zu kurz. Die Rolle der USA als einer gefährlichen Macht, die, ihren Interessen folgend, nicht davor zurück schreckt, mit der Fackel in der Hand in anderen Weltregionen Feuer zu legen, wird unterschätzt. Nicht, dass der gegenwärtige Präsident Obama nicht an die imperialen Interessen der wirtschaftlich Mächtigen in seinem Land gebunden wäre. Dennoch ist seine Haltung in Bezug auf Syrien, den Irak oder die Ukraine eine vorsichtige. Wenn möglich, möchte er eine Eskalation verhindern und setzt zumeist auf Diplomatie. Das kann sich sehr schnell ändern, wenn die Republikaner den nächsten Präsidenten stellen.
Der Auftritt des republikanischen Senators und Präsidentschaftskandidaten aus dem Jahr 2008, McCain, auf dem Kiewer Maidan war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Missachtung internationaler diplomatischer Gepflogenheiten. In einem Land, in dem noch eine gewählte Regierung im Amt war, garantierte er auf dem Territorium der Ukraine der Opposition die Unterstützung der USA. Selbstverständlich ohne Mandat. Seine späteren Ausfälle gegenüber den gewählten Regierungen der Bundesrepublik Deutschlands und Frankreichs wegen deren Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Ost-Ukraine-Konflikt waren eine logische Folge.
Aber wer glaubte, eine weitere Eskalation sei nicht möglich, sah sich im schlechtesten Sinne belehrt, als nun ein Brief von mehr als 20 republikanischen Unterzeichnern die iranische Regierung erreichte, in dem dieser bedeutet wurde, dass Verhandlungen mit der Obama-Administration nichtig seien, da dieser sowieso nicht mehr lange im Amt sei. Das ist neu und einzigartig und dokumentiert die lüsterne und chauvinistische Haltung einer Partei, die ihre Felle aufgrund des demographischen Wandels im eigenen Land wegschwimmen sieht und die sich im Zustand der Generalmobilmachung befindet.
Es ist angebracht, momentan nicht von den USA zu sprechen. Das Land ist aufgrund einer gewaltigen Besitzstandsverschiebung im eigenen Gefüge zutiefst gespalten. Die ökonomische Macht hat eine weitere Konzentration erfahren und zu verstärkten Klassen- wie Rassenauseinandersetzungen geführt. Präsident Obama hat versucht, durch ein Wirtschaftsprogramm Arbeitsplätze zu schaffen, was im Vergleich zu europäischen Verhältnissen in hohem Maße gelungen ist. Des Weiteren wurden in seiner Amtszeit wichtige Positionen in der Justiz mit Vertreterinnen und Vertretern ethnischer Gruppierungen besetzt, die demographisch auf dem Vormarsch sind. Vor allem Latinos und Asiaten fanden Zugang zu hohen Ämtern. Jenseits der europäischen Aufmerksamkeit ging das nicht immer glimpflich ab, bis zu Morddrohungen und Sabotageversuchen.
Obwohl die Dominanz des Finanzkapitals nicht gebrochen wurde, wurde der politische Apparat gegen deren Monopol positioniert. Die republikanische Partei, immer noch ein Hort des Ostküstenbesitzes, der vornehmlich angelsächsisch und weiß ist, versuchte nicht nur Obamas Wahl zu verhindern, sondern positioniert sich zunehmend als eine Bastion für die alten Privilegien und die uneingeschränkte Macht. Letztere korrespondiert mit einer Rückeroberung der weltweiten Hegemonie. Die aus europäischer Sicht hirnrissige Konfrontation mit Russland stammt aus den republikanischen Brain Trusts, die Option erneuter militärischer Intervention im Nahen Osten wird offen diskutiert und vorbereitet und ein Schlag gegen den Iran ist in den strategischen Szenarien virulent.
Es gehört keine hellseherische Kraft dazu, um die Perspektive einer nochmaligen republikanischen Dominanz nach den nächsten Präsidentschaftswahlen zu prognostizieren: Die USA werden dem Ruf, den sich George W. Bush redlich erarbeitet hat, nämlich sich als Kriegstreiber abermalig zu profilieren genauso gerecht wie einer Verschärfung der Unterdrückung im eigenen Land. Daher ist es notwendig, die Entwicklung in den USA mehr in den Fokus zu ziehen und sich nicht mit der Binsenweisheit abspeisen zu lassen, es änderte sich sowieso nichts an der internationalen Rolle der USA. Es kann noch viel schlimmer kommen!
