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heute journal: “Chinas dreckige Fratze“

Zu sehr haben die Ereignisse an der russischen Grenze die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als dass da noch etwas Beachtung gefunden hätte, was unbedingt in den Fokus muss, wenn das weitere Absinken in die Bedeutungslosigkeit verhindert werden soll. Obwohl das Beispiel der Außenpolitik des Westens gegenüber Russland genügend Material für grandioses Scheitern liefert. Angefangen mit der Reduktion des flächengrößten und eines multi-ethnischen wie multi-kulturellen Landes auf eine Figur, die wie in einem Science Fiction in ihrem Schloss sitzt und mit  dunklen Plänen die Welt in Angst und Schrecken versetzt. So einen Satan muss man natürlich als Scum, wie man im Imperium so angewidert sagt, als Abschaum behandeln und ihn spüren lassen, was man von ihm hält. Die Rechnung ist aufgegangen. Und anscheinend ist die kulturelle Linie in Bezug auf den Umgang mit anderen Ländern, Kulturen und Mächten bei denen, die immer wieder mit dieser monströsen Doktrin scheitern, festgeschrieben wie die Heilige Schrift.

Denn das nächste Beispiel für das genussvolle Waten im Unrat lieferte – wieder einmal –  der ZDF-Korrespondent für China, Ulf Röller, am letzten Sonntag im heute journal zum Abschluss der Olympischen Winterspiele in Peking. Schon zu Beginn hatte er mit einem Propagandastreifen erster Güte mental gegen das Land mobil gemacht. Und nun, zum Abschluss, gewährte ihm Marietta Slomka ein Interview. In diesem tat Röller die gesamte Veranstaltung als inszenierte Propagandaveranstaltung ab und schloss mit den Worten, dass man aber, wenn man genau hingesehen hätte, doch in der Lage gewesen sei, „Chinas dreckige Fratze“ zu erblicken. Die Interviewerin schien durch dieses Abgleiten in einen unflätigen Hetzmodus nicht im geringsten aus der Fassung gebracht worden zu sein und dankte dem Experten für seine Analyse.

Nicht, um die verhängnisvolle Formulierung einmal zu benutzen, dass es an den Ländern aus mitteleuropäischer Sicht nichts zu kritisieren gäbe. Und nicht, dass es aus der inneren Dynamik dieser Länder heraus nicht wünschenswert wäre, dass sich etwas änderte. Aber, ja aber, erstens ist das die Sache derer, die dort leben und zweitens existieren in unseren eigenen Breitengraden derartige Missstände, die beseitigt werden müssen, dass sich ein imperialistisches Missionarentum komplett verbietet. Das, wie hier in unseren Qualitätsmedien bezeichnenderweise nie berichtet, auf internationalem Parkett immer wieder zu unschönen Szenen führt, wenn sich die als politisch verwerflich Beschuldigten dahingehend wehren, dass sie dem Westen die eigenen Vergehen gegen Menschenrechte, gegen Völkerrecht und die Prinzipien der Humanität zu Recht anhand stichhaltiger Beispiele vorhalten.

Wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein! Es handelt sich um einen der Kernsätze des Kanons, den das christlich geprägte Abendland für sich reklamiert. Und kaum ein anderer Satz wird durch die tägliche politische wie journalistische Praxis im Erdteil der untergehenden Sonne mehr kontaminiert. Man kann es auch drastischer formulieren, wie es ein Nachbar aus meiner Kindheit, den alle den Militärkopp nannten, immer wieder lautstark zum Ausdruck brachte: Bevor du das Maul aufreißt, bring deine eigenen Sachen in Ordnung!

Treffender kann die Antwort auf den Zustand in der eigenen Lebenssphäre nicht umschrieben werden. Allzuoft ist Diplomatie zu Pöbelei und Journalismus zu Hass und Hetze verkommen. Wo sind die klugen Köpfe? Wo sind die Aufsichtsräte? Das Schamgefühl wird derzeit sehr strapaziert. Ehe wir uns über andere empören, sollten wir unsere eigenen Verhältnisse in Ordnung bringen. 

Luftschläge auf Verdacht

Endlich. Endlich ist wieder Verlass auf die USA. Denn sie haben des nächtens eine syrische Militärstation mit Raketen beschossen und dabei vier Soldaten getötet. Shit happens. Laut Präsident Trump handelte es sich um eine Reaktion auf die vermeintlichen oder mutmaßlichen Giftgaseinsätze der syrischen Armee gegen Zivilisten. Amerika hat die Beweise. Und diesmal zweifelt niemand diese Beweise an. Vorgelegt werden sie aber nicht. Folglich keine UN-Resolution, die den Schlag legitimierte. Nein, aber das Imperium braucht das auch nicht. Und wer völkerrechtswidrig seit Jahrzehnten weltweit militärisch operiert, der braucht von solchen Quasselbuden wie den UN auch kein Mandat. Bullshit!

Genau ist es zu beobachten, wie die hiesigen Proklamatoren der Wertegemeinschaft genau diesen Ton des Offizierscasinos treffen. Sie möchten Rache für eine Urheberschaft, die bis dato nicht erwiesen ist. Fakten müssen auch niemanden mehr interessieren. Am Vorabend der Luftangriffe drängte die sich stets auf Moralin befindende Marietta Slomka den deutschen Außenminister zur Verkündung von Vergeltungsmaßnahmen. Und in einem dreiminütigen Interview musste Herr Gabriel dreimal darauf hinweisen, dass man nichts machen solle, wenn keine Beweise vorlägen. Das verdross die Dame.

Und Sascha Lobo, der sich als die Expertise schlechthin der Digitalisierung zu vermarkten versteht, machte in einer Kolumne wieder einmal deutlich, dass das Binäre eine gefährliche Reduktion des menschlichen Geistes verursachen kann. Er brachte es ohne Schamesröte und ohne intellektuelle Zweifel fertig, diejenigen, die einen Beweis für die Mutmaßung forderten, als Populisten zu brandmarken. Solch einen Unsinn kann man nur verbreiten, wenn die Medien in den Händen der Falschen sind und wenn sich ein Geist breit gemacht hat, der die professionellen Basics des Journalismus schon längst in die Latrine geworfen hat.

Ach ja, die Quellen. Und nein, eine Distanzierung von einem Giftgaskrieg ist nicht vonnöten vor denen, die seit Jahren auf das Völkerrecht pfeifen, die an jede noch so durchgeknallte Terrorgruppe Waffen jeder Art frei Haus liefern und mit irgendwelchen Arbeitsplätzen argumentieren. Das ist die Logik, die KZs möglich gemacht hat. Es ist an der Zeit, deutlich zu machen, wie schlecht die Gesellschaft ist, die sich da anmaßt, sich moralisch über irgendetwas zu erheben. Sie ist der Superlativ, wenn es darum geht, Werte zu diffamieren und zu beschädigen. Ach ja, die Quellen: Als Quellen für den Giftgasangriff auf Zivilisten werden so genannte Rebellen genannt. Nur sollte man wissen, dass dieselben Rebellen hierzulande als Gefährder gelten würden, weil sie Mitglieder terroristischer Vereinigungen sind. Weil sie menschliche Geiseln genommen haben, weil sie sich bewaffnet in Kindergärten und Krankenhäusern verschanzt haben.

Dass Mutti auch ohne Beweise davon ausgeht, das der Russe hinter allem steckt, und dass wir wissen, dass Mutti keine Drogen nimmt, ändert nichts an der Tatsache, dass wir schwer Traumatisierten nicht so hohe Ämter anvertrauen dürfen. Dass die gesamte Meinungsmache so unterwegs ist, lässt allerdings vermuten, dass neben den vielen Spesen, die von den kriegstreibenden Thinktanks beglichen werden, auch wieder psychedelische Drogen mit im Spiel sein müssen. Der Fliegenpilz ist im Land des Wadlmythos besonders beliebt. Da steigt das Bild von einer Wahrheit aus den wabernden Nebeln, das mit so schlichten menschlichen Eigenschaften wie Vernunft, Redlichkeit und Maß nicht mehr zu erfassen ist.

Medialer Bellizismus

Zwar ist das Ende des II. Weltkrieges fast siebzig Jahre her, aber wohl kaum ein Volk hat ihn so in der mentalen Präsenz wie die Deutschen. So zumindest glaubten die meisten. Von innen wie außen aus betrachtet haben die Deutschen seit dem Desaster, das der Faschismus mit seinen kriegerischen Exzessen auf fremden Territorien und den terroristischen Orgien im eigenen Land begangen hatte, eine nahezu psycho-pathologische Beziehung zur Politik schlechthin. Das schlechte Gewissen wie die noch vorhandenen Traumata haben dafür gesorgt, dass sich in diesem Land eine Friedensbewegung herausgebildet hatte, die vor allem in den heißen Phasen des Kalten Krieges zum Ausdruck brachte, dass zumindest hier niemand eine durchschaubare und vordergründige Kriegstreiberei würde betreiben können. Kriegserfahrungen, Exil und diese psychische Disposition der Deutschen im Rücken führten auch zu der einzigartigen Friedensarchitektur eines Willy Brandt, der es verstand, Behutsamkeit in waffenklirrenden Zeiten zu kultivieren.

Es bedurfte gerade einmal acht Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, als ausgerechnet ein grüner Außenminister während der Bürgerkriege auf dem Balkan der deutschen Friedensbewegung den Todesstoß versetzte: Mithilfe von Marketingagenturen wurden vermeintliche und tatsächliche Kriegsverbrechen propagandistisch so aufbereitet, dass die Positionen der Nichteinmischung und Neutralität sowie der Weg von Verhandlungen und politischen Sanktionen durch das Momentum der moralischen Verpflichtung ersetzt wurde. Der Moralismus ersetzte die in Jahrzehnten wieder erworbene Politikfähigkeit in den internationalen Beziehungen und wurde der Schlüssel zu einer neuen Politik militärischer Präsenz.

Seit dem Balkankrieg ist die Bundeswehr wieder weltweit unterwegs und es ist bereits ein geflügeltes Wort, dass die deutsche Freiheit auch am Hindukusch verteidigt werden muss. Dass sich eine ökonomische und damit auch politische Macht wie die Bundesrepublik nicht aus den Wirrungen und Kalamitäten der Weltpolitik heraushalten kann, wie sie das lange unter dem Schutzschild der USA durfte, ist die eine Seite der Medaille. Die andere besteht aber wohl in der Frage, wie die Grundlagen für eine bellizistische Intervention politisch definiert werden. Das ist bis heute nicht der Fall und somit haben wir es mit einem Roulette zu tun. Um genauer zu sein: Dem Anlass entsprechend mit einem russischen Roulette.

Die Bundesregierung ist gut beraten, ihre gegenwärtigen Aktivitäten eher im Verborgenen vonstatten gehen zu lassen, denn eine deeskalierende Strategie sei ihr unterstellt. Was in öffentlich rechtlichen Medien dagegen gegenwärtig geschieht ist eine Form der bellizistischen Mobilmachung, die in der Geschichte dieses Landes seit den Nazis nicht mehr stattgefunden hat. Die – und das ist die Kritik an der Friedensbewegung wie an der ökologisch durchtränkten Demokratietheorie – moralistische Begründung von Politik hat dazu beigetragen, die alten Aggressionspotenziale erneut zu mobilisieren. Für das Gute holt der Deutsche die Sense heraus, heißt es, da ist er der berüchtigte Meister aus Deutschland. Nur stelle man sich da bloß keinen Sensenmann vor oder eine Schlägertype in Nazi-Uniform. Heut erschienen junge Frauen im besten Alter in ansprechender Garderobe und propagieren unverblümt die Aggression. „Haben wir die Krim schon aufgegeben?“ (Maybrit Illner), „Geben wir die Krim schon auf?“ (Anne Will) oder wir bekommen in einer Didaktik für IQ-Downer von Marietta Slomka die Welt erklärt, natürlich mit der Konklusio, dass Truppen auf die Krim müssen.

So kompliziert die Lage sein mag, so archaisch der russische Präsident mit dem Gestus der militärischen Stärke auch spielen mag, können und wollen wir uns eine öffentlich rechtliche Propaganda-Abteilung leisten, die derart verkommen unsere Geschichte negiert?