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Eine Überraschung, die an Gnade grenzt

Thelonious Monk. Les Liaisons Dangereuses

In den späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der amerikanische Jazz in Frankreich eine Hochzeit. Viele der Musiker entschieden sich, auch wegen der schwierigen politischen wie sozialen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten, für längere Aufenthalte in Paris. Dort traten sie vor großen Auditorien auf und bekamen Angebote von Plattenfirmen. Zudem entdeckte das Genre des Film Noir die Möglichkeit, diese Ausnahmemusiker für das Arrangement zu unvergesslichen Filmen zu gewinnen. Eine dieser Kooperationen, Miles Davis Musik zu dem Film Ascenseur pour l´échafaud (Fahrstuhl zum Schafott), avancierte zu einem der großen Geheimtipps des Genres. Die sphärischen Modulierungen Davis zu diesem Streifen gilt bis heute zu den Highlights des Genres überhaupt.

Dass nun, im Jahr 2017, eine ähnliche Produktion des Jazzpianisten und Komponisten Thelonious Monk auf den Markt kommt, kann durchaus als eine außergewöhnliche Entdeckung gefeiert werden. Monk, dessen verfügbare Plattenaufnahmen sich im Großen und Ganzen immer auf einen sich immer wiederholenden Kanon von Stücken in einer oft fragwürdigen Tonqualität beschränken, erhält dadurch einen neuen, besonderen Aspekt. Monk schuf die Filmmusik zu Les Liaisons Dangereuses (Gefährliche Liebschaften). Was er dort zusammen mit Charlie Rouse, Barney Wilen, Sam Jones und Art Taylor einspielte, kann durchaus nicht nur als Geheimtipp, sondern als ein unverzichtbares Dokument des großen Pianisten und Komponisten gewertet werden.

Die in einer hervorragenden Tonqualität verfügbare Doppel-CD kommt daher wie ein großes Geschenk aus dem Nichts. Die Aufnahmen stammen aus den Nola Penthouse Sound Studios in New York und entstanden an einem einzigen Tag, dem 17. July 1959. Daran wird deutlich, dass die Nummern live eingespielt wurden und es sich um eine routinierte Fingerübung des grandioseren Musikers handelte. Das, was an diesem Tag entstand, genügte den Anforderungen des Films und überrascht heute, nach fast sechs Jahrzehnten immer noch. Dass es sich dabei nicht nur um technische Versiertheit handelt, sondern auch um improvisatorisches Können und die intuitive Fähigkeit, Atmosphärisches zu erzeugen, ist jedem einzelnen Takt zu entnehmen.

Selbst die Stücke, die in unzähligen Aufnahmen vorliegen, wie zum Beispiel Well, You Need´nt sind mehr laid back eingespielt, was vermutlich der Regieanweisung durch den Film zuzuschreiben ist. Beim letzten dieser Takes ist zu hören, wie die Musiker über das Arrangement diskutieren und dann genau den emotionalen Ausdruck erzeugen, den sie beabsichtigen. Und bei Ba-lue Bolivar Ba-lues-Are kann davon ausgegangen werden, dass es sich um die am interessantesten interpretierte und in bester Qualität vorliegenden Aufnahme dieses Titels überhaupt handelt.

Monks Musik zu Les Liaisons Dangereuses ist ein grandioses Dokument über das Schaffen des exzentrischen Meisters des urbanen Blues. Thelonious Monk hat dadurch eine Referenz bekommen, die seiner außergewöhnlichen Musik gerecht wird. Und für die Hörerschaft ist es eine Überraschung, die an Gnade grenzt.