Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich völlig ungeniert. Die oft bespöttelten Weisheiten eines zunehmend als Entität verleugneten Volkes erweisen sich in Zeiten von Krisen und Zuspitzungen oft als Befreiung in ihrer Klarheit. Das, was sich der goldene Westen derzeit an Doppelmoral und Frivolität gegenüber dem Rest der Welt leistet, sucht seinesgleichen und ist als Paradebeispiel für das obige Sprichwort zu lesen. Dabei geht es nicht nur um die Regierungen, sondern auch und vor allem hierzulande um das Pressemonopol, das eifrig dabei hilft, den Ruf weiter zu schädigen. Soweit das überhaupt noch geht.
Ein gutes Indiz für die aufgestellte These ist ein Blick in die internationale Presse und die auf die Statements von Regierungsvertretern aus nicht in westlichen Bündnissen assoziierten Ländern. Und mit internationaler Presse ist diesmal nicht die aus London, Paris oder Washington gemeint, sondern die aus Delhi, Beijing, Jakarta, Bangkok, Rio de Janeiro, Kapstadt, Amman etc.. Eben aus den Teilen der Welt, die hier in der Hemisphäre des brüchig gewordenen Imperialismus direkt zum Feindesland erklärt oder arrogant als globaler Süden bezeichneten Regionen. Dass dort insgesamt 90 Prozent der Weltbevölkerung lebt, mag denen, die sich seit langem in intellektueller Isolationshaft befinden, genauso ein Novum sein wie die Tatsache, dass sich global der Wind gewaltig gedreht hat.
Es ist mittlerweile müßig, die täglichen Phantastereien zu beschreiben und zu enthüllen, mit denen die eigene Entourage die eigenen Völker malträtiert, um sie bei der Stange oder dumm zu halten. Wer die Redlichkeit als Maß verloren hat, lebt vielleicht ungeniert, aber, um es einmal in seiner ganzen, brutalen Wahrheit zu formulieren, auch nicht mehr lange.
Jean Paul Sartre wird das kluge Wort zugeschrieben, dass Vertrauen tröpfchenweise gewonnen, jedoch eimerweise verloren wird. Das ist, was die Reputation des Westens anbetrifft, bereits ein historisches Kapitel. Wie gesagt, werfen Sie einen Blick in die internationale Presse jenseits der eigenen Blase und Sie werden sich die Augen reiben, mit welcher Klarheit das Spiel beschrieben wird, mit dem sich eine von der Situation völlig überforderte und in veralteten Denkmustern verhafteten westliche Polit-Elite versucht über Wasser zu halten.
Das Entsetzen, mit welchem dagegen in der hiesigen Berichterstattung die Untaten nicht assoziierter Staaten beschrieben und die Verharmlosung, mit der weit dramatischere Aktionen aus dem eigenen Lager ausgewiesen werden, ist weltweit transparent und entwürdigend. Und da wären wir an einem Punkt, der hier, im Zentrum einer groß angelegten Täuschung, nach innen wie nach außen, eine Erwähnung verdient.
Die Kritik an der Politik und mit ihr einhergehenden Kommunikation im „eigenen Lager“ entspringt weder der Parteinahme für eine andere Welt noch Gefühlsregungen wie Schadenfreude oder Hass. Es resultiert aus der Überzeugung, dass es erforderlich ist, das Falsche zu benennen und die Notwendigkeit einer radikalen Veränderung aufzuzeigen. Wenn Gefühle mit im Spiel sind, dann ist es Scham. Denn das, was im Namen der eigenen Geschichte und Kultur zur Zeit in die Welt hinausposaunt wird, ist so schamlos und dumm, dass der Wunsch aufkommt, der Welt beweisen zu wollen, dass das hirnlose Getöse unserer Tage nicht das Markenzeichen dessen ist, was uns ausmacht. Das chinesische Schriftzeichen für Deutschland beschreibt ein Land der Kultur. Angesichts momentaner Entwicklungen klingt es absurd.
