Ist es tatsächlich auf das unterschiedliche Empfinden der verschiedenen Generationen zurückzuführen? Dass die einen mit großer Sorge die allgemeine Stimmung hinsichtlich eines bevorstehenden Krieges betrachten, während die anderen die Stoßrichtung gegen einen Feind, den sie weder kennen noch verstehen, als notwendig und folgerichtig befürworten? Während die einen durch die Vermittlung ihrer Eltern und das Erlebnis von deren Traumata noch eine Ahnung von dem haben, was ein Krieg bedeutet, sind die anderen auf von ihnen unverstandnen Pathos und die Verharmlosung von Gewalt im täglichen Film- und Spielekonsum reduziert. Aber im Grunde stellen sie sich den Casus Belli eigentlich gar nicht vor. Der war bis jetzt immer in fernen Ländern, während man hier unbehelligt seiner Wege gehen konnte. Und was hier von Politikern wie Journalisten zur Zeit vorgelebt wird, unterstreicht den Eindruck, dass man da nichts zu befürchten habe. Damit machen sich die jeweiligen Lager des Betrugs wie des Landesverrats schuldig. Aber, im allgemeinen Orkan des Sinn- wie Werteverlusts, was macht das schon? Nach den Gesetzen des Metiers, in dem die den Krieg Verharmlosenden sich bewegen, gilt nur ein Satz: Neues Spiel, neues Glück!
Nur leben die meisten, auch derjenigen, die von Krieg keine Vorstellung mehr haben, nicht im entlegenen Casino des Finanzkapitals, sondern hier, mitten in Europa, gar nicht so weit von den Grenzen, um die es geht. Aber eben auch weit genug davon entfernt, um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sich der Krieg, der schon tobt, anfühlt. Für diejenigen, die gerade an einem ganz anderen Projekt arbeiten, nämlich dem des ökologischen Umbaus, und die gar nicht einmal aus den unbegüterten Schichten stammen, wäre ein kleiner Tipp vielleicht ganz hilfreich: macht eure nächsten Reise nicht nach Australien oder Neuseeland, sondern fahrt in die Ukraine, und nicht dort in die Hipster Cafés in Kiew, sondern nach Czernowitz an der rumänischen oder in den Donbas an der russischen Grenze, und seht euch an, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben und untersucht, was sich in den letzten acht Jahren, seit 2014, der vermeintlichen Befreiung der Ukraine, zum Besseren gewendet hat. Oder fliegt nach Mali, oder, noch besser, nach Afghanistan, und seht euch an, wie erfolgreich ein zwanzigjähriger Krieg, der mit den hiesigen demokratischen Werten begründet wurde, tatsächlich war und was dort hinterlassen wurde!
Das Problem scheint nur zum Teil bei den unterschiedlichen Generationen zu liegen. Zwar spielt die Perspektive, ob etwas direkt, unmittelbar erlebt wurde oder lediglich vermittelt wird eine große Rolle hinsichtlich der Wirkung. Doch wesentlich entscheidender bei den gegenwärtigen Problemen, ob Auswirkungen von Lockdowns, Wirtschaftskrisen oder Kriegen, ist die Perspektive. Damit ist die soziale und kulturelle Einbindung in ein Milieu zu verstehen. Bei den Verharmlosern aller drei aufgezählten Katastrophen ist zu verbuchen, dass wir es dort mit einem Milieu zu tun haben, dass in der Meinungsbildung momentan die Politik, die Berichterstattung und auch viele Bildungseinrichtungen dominiert, letztendlich weder von Lockdowns, Wirtschaftskrisen oder Kriegen betroffen ist oder sein wird. Deshalb lässt sich so leicht und schön in Superlativen schwadronieren und Hass und Hetze verbreiten, wobei letzteres als solches natürlich nicht bezeichnet wird, sondern nur das Wort des Widerspruchs. Da sei allen der Rat gegeben, sich zu den drei genannten Ereignissen, die vielen das Leben schwer und unerträglich machen, zuzuwenden und genau zu hören, was aus diesem Milieu dazu gesagt wird. Jede Äußerung ist ein Peitschenhieb auf den Rücken der Vernunft, aus jedem Atemzug ist Herablassung und Arroganz zu vernehmen. Wer da genau hinhört und hinsieht, wird schnell herausfinden, dass der tatsächliche Feind näher ist, als es aus allen Kanälen suggeriert wird.
