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Das Recht und die aktuellen Kriege

Es kam, was kommen musste. Der von hier aus als Naher Osten definierte Teil der Welt kommt nicht zur Ruhe. Ganz im Gegenteil, er hat sich zu einem Pulverfass für den Weltfrieden entwickelt. Das große Erbe des British Empire beschäftigt den Planeten nach wie vor. Überall, wo sich dieser Imperialismus getummelt hat, flackern immer wieder Kriege auf. China, Hongkong, Indien, Afghanistan, Pakistan, Syrien, Palästina. Die Liste ist lang und schier unendlich. Gäbe es so etwas wie den von Hegel unterstellten Weltgeist, dann hätte dieser längst interveniert und der menschlichen Gattung ins Buch geschrieben, dass der Imperialismus mehr Menschen und Werte zerstört, als er schafft.

Was den israelischen Angriff auf den Iran anbetrifft, so existieren bestimmte Evidenzen, die die Attacke von ihrer Begründung her in die Nähe der Argumente des ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush beim Angriff auf den Irak leiteten. Die unterstellte Produktion von Massenvernichtungswaffen konnte dort nie nachgewiesen werden und entpuppte sich als Lüge. Und nun, das reklamierte Recht Israels auf Selbstverteidigung in Form eines Angriffskrieges stützt sich auf die These, dass der Iran kurz vor der Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen stehe. Das wird zum einen seit Jahrzehnten behauptet und wurde vor wenigen Tagen noch von der Chefin aller Geheimdienste der USA als nichtig erklärt.

Aber was interessieren Fakten, wenn man den Krieg will? Einen Angriffskrieg mit dem Recht auf Selbstverteidigung zu begründen, ist in diesen Zeiten schon frivol. Hören wir doch seit drei Jahren, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine, dem das gleiche Begründungsschema zugrunde liegt, ein massiver Verstoß gegen das Völkerrecht darstelle. Und nun, über Nacht, mit den Bomben auf Teheran, hat alles einen komplett anderen Charakter?

Was bei der Betrachtung aller Konfliktfälle auffällt, ist die Tatsache, dass man aus der destruktiven Spirale der Gewalt nicht herauskommen wird, solange man mit der moralisch-ethischen Bewertung der Konfliktparteien beginnt. Das ist der Blick von oben genauso wenig gegeben wie die Möglichkeit, die jeweiligen Motive zu beschreiben. Und, das ist die brandgefährliche Zäsur, man bemüht das Recht nur in den Fällen, wo es mit den eigenen Ansprüchen korrespondiert.

Vielleicht noch einmal kurz ein Hinweis zur Besinnung: Das Recht ist die Zusammenfassung von Regeln einer gewissen Entität, die sich darauf verständigt hat, diese als gültig zu akzeptieren, auch wenn die eigene Position in dem einen oder anderen Fall nicht davon profitieren mag. Das kann schmerzlich sein, wird aber dennoch hingenommen, wenn man zu der Ansicht gelangt ist, dass das Ganze eine höhere Wertigkeit als das Besondere genießt.

Indem ein so hohes Gut des Völkerrechts zu einer Dirne des eigenen Interesses herunter gewürdigt wurde und man mit dem Trick eines Taschenspielers, auf eine von wem auch immer ersonnene und wie auch immer geartete Regelbasiertheit verweist, hat man die Entität der Weltgemeinschaft verlassen. Dass mit der Ressource von nicht einmal 10 Prozent der Weltbevölkerung zu tun, zeugt von maßloser Selbstüberschätzung und liefert keine gute Prognose über den Ausgang.

Sieht man sich die aktuelle Entwicklung und deren Beschreibung der geschäftsführenden Ausschüsse der Politik an, dann hilft im Augenblick, aber nur dann, ein tiefer Schluck aus der Pulle der Selbstvergessenheit. Jede Form des Imperialismus endet mit dem eigenen Desaster. Und je besoffener die sind, die am Steuer sitzen, desto schneller sind die goldenen Zeiten vorbei.

Das Recht und die aktuellen Kriege