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China: Dem Ressentiment verpflichtet

Nicht, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten mit ihrem heute journal allein dastünden. Auch in privaten Printmedien wie der FAZ wurde der Ton angestimmt, der die Berichterstattung über die zugegeben bombastischen Feierlichkeiten in China anlässlich der 100jährigen Existenz der Kommunistischen Partei begleitet. Das autoritäre Regime, so der Tenor, habe seinen Hut in den Ring geworfen, um nach der Weltherrschaft zu trachten. Zuverlässig wie immer, lieferte der ZDF-Korrespondent für China, Ulf Röller, einen Filmbericht, in dem die Aufmärsche auf dem Platz des Himmlischen Friedens gezeigt und mit seiner Sichtweise der Dinge untermalt wurden. Zur Erklärung trug das alles nichts bei, zur emotionalen Mobilisierung schon.

Nicht, dass die Entwicklung Chinas nicht gekennzeichnet wäre von Ereignissen tragischen Ausmaßes, ob es, wie Röller bemerkte, die Kulturrevolution betrifft oder die Niederschlagung der Proteste auf dem Tian´anmen-Platz. Das heutige China sähe anders aus, hätten diese Exzesse nicht zu Lernprozessen geführt. Die Vorgeschichte, die zu erzählen wäre, wenn man sich mit der Geschichte der Kommunistischen Partei befasst, könnte allerdings dazu beitragen, einen differenzierteren Blick auf die Befindlichkeit des heutigen Chinas zu erhalten. Da war der von den Briten geführte Opiumkrieg, der die Aktivitäten heutiger kolumbianischer Drogenringe als karitative Veranstaltungen erscheinen lässt und als dessen Folge das heute so beweinte, weil auf dem Weg zurück zu China befindliche Hongkong aus der chinesischen Souveränität riss, da war die japanische Annexion großer Teile Chinas, die mit unbeschreiblichem Terror einherging, für den bis heute das 1937 stattgefundene Massaker von Nanking in den Geschichtsbüchern steht, bei dem in wenigen Tagen 300.000 Zivilisten ermordet und 20.000 junge Frauen vergewaltigt wurden. 

Die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas und die Resonanz, die sie erhielt, ist von diesen historischen Geschehnissen nicht zu trennen. Ein Bericht darüber würde auch erklären, warum die zahlenmäßig größte Bevölkerung eines existierenden Nationalstaates auf diesem Planeten durchaus positive Sichtweisen auf den Weg dieser Kommunistischen Partei abgewinnen kann. Da mutet es schon sehr ironisch an, wenn man die Erklärung beifügen muss, dass manches in der Geschichte komplexer ist, als es auf den ersten Blick aus dem Jetzt erscheint.

Blutbäder aufzurechnen ist ein gravierender Fehler, allerdings sollten keine davon verschwiegen werden, wenn es darum geht, die Befindlichkeit eines Landes erklären zu wollen. Denn, um auf den jüngsten Bericht Röllers und den wie immer zuverlässigen Kommentar Klebers zurückzukommen, die Intention ist eine andere, nämlich die der emotionalen Mobilisierung. 

Der wiederholte, nahezu standardisierte journalistische Sündenfall entblätterte sich bei der Kommentierung eines korrekt wiedergegebenen Zitats aus der Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, dessen Worte lauteten, China sei gerüstet und werde es nicht zulassen, dass irgend eine fremde Macht versuchen werde, es zurück in die Sklaverei zu werfen. Kommentiert wurde dieses, aus der Historie mehr als verständliche Ansinnen, als eine aggressive Ankündigung, jetzt die Weltherrschaft anzustreben. So werden Fakten mit Behauptungen transportiert, so wird emotional mobilisiert und so wird ein demagogisches Konstrukt befördert, das, wenn noch ein Funken analytischer Redlichkeit mit im Spiel ist, als ein Akt der Volksverhetzung zu überführen ist.

Wie kann das Urteil eigentlich noch lauten, wenn Fakten verschwiegen und Aggressionspläne angedichtet werden? Handelt es sich dabei nicht, wieder einmal, um ein Referenzstück für das in der ganzen hysterischen Mobilisierung Schlammbegriffe wie Populismus, Propaganda und Demagogie stehen? Man bleibt dem Ressentiment verpflichtet. Im Hause selbst ernannter Qualitätsmedien versteht sich.

Wer das Privileg voller Souveränität genießt, kann frei entscheiden, was er oder sie macht. Besonders bei Staaten ist es wichtig, diese Grundlage zu haben. Grenzen der Souveränität sind nicht nur hegemoniale Angriffe von außen, sondern auch Abhängigkeiten, die sich aus unterschiedlichen Bedürfnissen und Entwicklungsstandards ableiten lassen. Bei einem Land wie der Bundesrepublik, das sich aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Ausrichtung multinational bewegt, ist der Kompass der Souveränität immer wieder vonnöten, auch wenn es kompliziert wird.

Das Anliegen des Heute Journal vom 6. November war es denn auch, auf eine Gefahr hinzuweisen, die durchaus entstehen kann, wenn sowohl deutsche Firmen wie die Bundesregierung bis hin zu ihren Geheimen Diensten mit ausländischen Technologien arbeiten, die aus einem Land wie der Volksrepublik China kommen. Gemeint ist Huawei, ein Unternehmen, gegen das die US-Regierung bereits massiv vorgeht, weil sie die Möglichkeiten, die sich durch die Stellung der Huawei-Technik im Hinblick auf den Zugriff auf sensible Daten aus den USA ergeben, als groß und damit sehr gefährlich einschätzen.

Eben diese Politik übernahm Chefredakteur Klaus Kleber und wandte sie auf die deutschen Verhältnisse an. Das macht er immer so, denn wenn jemand als ein Sprachrohr us-amerikanischer Interessen in Bezug auf die deutsche Regierungsführung genannt werden kann, dann ist es er. Seine Mitgliedschaft in der aus den USA gesteuerten Atlantikbrücke ist übrigens genauso wenig ein Geheimnis wie das von Friedrich Merz und Sigmar Gabriel. Letztere allerdings als Privatleute, ersterer als aktiver Redakteur einer deutschen, staatlich abgesicherten Meinungsbildungsinstitution.

Der Verweis auf Huawei und die mit einer Kooperation korrelierenden Gefahren ist berechtigt. Aber, wie es so ist, für sich allein genommen ist es auch eine Unterschlagung. Die bestehende Abhängigkeit deutscher Unternehmen wie der Bundesregierung in Bezug auf us-amerikanische Technologien und deren Infrastruktur ist bereits ein gravierendes Sicherheitsrisiko. Unternehmen wie Regierung nutzen Server von Amazon, Google und Microsoft und sind somit dem Blick der amerikanischen Dienste von CIA und NSA ausgesetzt. Seit Edward Snowden ist das bekannt und selbst die Minister Altmaier und Seehofer fühlen sich angesichts dieses Zustandes dermaßen unbehaglich, dass sie bereits mehrmals die Notwendigkeit einer Europa-Cloud ausgesprochen haben. Aber weder unter dem Titel Europa noch unter dem des eigenen Landes hat sich bisher etwas getan. Es bleibt alles beim Alten: Die USA haben, wenn sie denn wollen, den Zugriff. Übrigens analog zum GPS, obwohl ein europäisches Pendant mit dem Namen Galileo bereits existiert, nutzen Behörden und Regierungsinstitutionen immer noch das amerikanische GPS.

Ein Bericht wie der des Heute Journals, der die Gefahr chinesischen Datenmissbrauchs durch Nutzung von Geräten und Software von Huawei thematisiert, ohne auf die allerdings sehr prekäre gegenwärtige Lage angesichts der Nutzung amerikanischer Technologie hinzuweisen, ist schlichtweg Propaganda im Dienste der USA. Das hat mit Journalismus nichts zu tun, sondern mit der redaktionellen Formulierung amerikanischer Interessen im deutschen Fernsehen. 

Ausgehend von der eingangs angestellten Überlegung hinsichtlich der Souveränität eines Landes ist diese jüngste Kapriole des Journalismus, indem vor Zugriffsmöglichkeiten Chinas gewarnt und die tatsächlichen Zugriffe der USA auf deutsche sensible Daten nicht einmal erwähnt wird, nicht nur schlechte, durch fremde Interessen lancierte Berichterstattung. Ihr haftet noch etwas an, das schwer auszusprechen ist, aber wohl den Umstand treffend beschreibt: Landesverrat.

An der Oberfläche geknabbert

Burhan Qurbani. Wir sind jung. Wir sind stark

Der kluge Carl Weissner, die markante Stimme des deutschen Undergrounds, gestand einmal, dass der Verriss eines Werkes ihm gar nicht läge. Es müsse schon sehr viel geschehen, ehe er sich zu so etwas aufraffe, weil er wisse, wie sehr es einem unter die Haut ginge, wenn man selbst Gegenstand eines solchen Verrisses sei. Nicht nur deshalb geht es mir ähnlich. Ich habe immer das Gefühl, dass ein solches Vorgehen immer etwas mit Anmaßung zu tun hat. Und dennoch, manchmal gibt es Situationen, die erfordern, dass eine konsequente Position eingenommen wird, auch gegen ein Werk und damit seinen Schöpfer.

Diesmal geht es gegen einen Film. Er lief im ZDF und war als Drama angekündigt. „Wir sind jung. Wir sind stark“ war der Titel, unter dem der Film angekündigt wurde und er behandelte die rassistischen Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen im August 1992. Er stammt von dem deutsch-afghanischen Regisseur Burhan Qurbani.

Ich hätte mir das alles ersparen können, wenn ich meinem Instinkt gefolgt wäre und die Anmoderation des Films durch Klaus Kleber, die zeitgenössische Kollektivmetapher für die Verdunkelung, mit dem Satz, dass die Kollegen, die damals dabei gewesen seien, ihm berichtet hätten, dass der Film der damaligen Realität sehr nahe käme als Warnung genommen hätte. Von der bloßen Faktenlage muss man nicht dabei gewesen zu sein, um das zu bestätigen. Die Krawalle und ihre innere Motorik nach 25 Jahren noch so darzustellen erfordert allerdings ein Maß an Ignoranz, das erstaunlich ist.

Zu den Fakten: In Rostock Lichtenhagen, einem sozialen Brennpunkt, in dem Arbeitslosigkeit und alle Formen der daraus folgenden sozialen Tristesse herrschen, werden Anfang der neunziger Jahre große Gruppen von Asylbewerbern in leerstehenden Plattenbauten untergebracht. Die Situation eskaliert, als Sinti und Roma dazukommen, die durch ihr Verhalten die bisherige „Ordnung“ stören. Plötzlich bricht der Damm und es entladen sich rassistische Emotionen, die in die Geschichte eingegangen sind.

Der Film zeigt den Ablauf, einerseits aus Sicht der sozialdemokratischen Akteure der Stadtverwaltung, deren Politik sich in einer Taktiererei zwischen ihr, der Landes- sowie der Bundesregierung um Zuständigkeiten erschöpft. Zentrum jedoch ist einer Gruppe von Jugendlichen, die herumstreunt und sich mental auf den vermeintlich großen Kampf vorbereitet. Die Zusammensatzung der Gruppe ist insofern interessant, als dass sich in ihr Vertreter der gehobenen Mittelschicht wie des Proletariats oder das, was im Rostock jener Tage davon geblieben ist, zusammenfinden. In der Gruppe wird gesoffen und gevögelt, und irgendwann werfen ihre Mitglieder Molotow-Cocktails und brandschatzen das berühmte Sonnenblumenhaus.

Das alles ist sicherlich richtig, nur, die heftige Kritik richtet sich gegen die Unterlassung an Erkenntnis, 25 Jahre nach den Ereignissen. Es hätte interessiert, warum und aus welchen Erwägungen gerade Rostock Lichtenhagen für die Unterbringung von Asylanten ausgewählt wurde, es hätte interessiert, warum und auf wessen Veranlassung, in der Nacht der Eskalation, plötzlich die Polizei abgezogen wurde, damit gebrandschatzt werden konnte. Und es hätte interessiert, was sozial, politisch und kulturell bei den Jugendlichen passiert war. Sie hatten den Untergang der DDR erlebt, den Untergang ihrer Stadt mit der Abwicklung des Hafens und der Werften und sie hatten alle ihre Hoffnungen begraben müssen.

Die Ereignisse in Lichtenhagen hätten ein Schlüssel für das werden können, wenn heute, wie es regelmäßig in Deutschland geschieht und nicht so interessiert wie Ereignisse im amerikanischen Charlottesville, Asylbewerberunterkünfte abgefackelt werden. Sich bei einer Darstellung der Geschehnisse damals diesen Erkenntnissen zu verschließen ist ein schweres Versäumnis. Zu erklären ist es, weil der freie Westen für viele eine herbe Enttäuschung war, die so stark wirkte, dass alle Dämme rissen.