Schlagwort-Archive: Kampagne

G 20: Die Entpolitisierungsfront bröckelt

Auch G 20 in Hamburg dient dem Versuch, das Leben auf breiter Fläche zu entpolitisieren. Das hat System und gehört zu den wesentlichen Merkmalen dieser Epoche. Denn wenn Politik im Bewusstsein der Menschen keine Rolle mehr spielt, dann können die Mächtigen schalten und walten, wie sie wollen. In den Berichten über den gestrigen Tag findet sich diese Strategie wieder. Da sitzen die Traumdeuter der Politik in ihren Studios und erzählen von den Befindlichkeiten und charakterlichen Marotten der anwesenden Regierungschefs und man bekommt den Eindruck, ein schönes, gemeinsames Abendessen und ein kräftiger Digestiv könnten es schon richten, wenn es um Hegemonialansprüche oder Rohstoffzugriff ginge. Und mit dieser seichten Interpretationshilfe wird auch dann argumentiert, wenn es um die Vertretbarkeit dessen geht, was für G 20 steht: Immense Kosten, die Lähmung des wirtschaftlichen Lebens, die massive Einschränkung von Rechten und eskalierende Gewalt.

Und gerade die Gewaltfrage hat von offizieller Seite ein eindeutiges Narrativ. Der schwarze Block, jenes kaum zu fassende Ungeheuer, das mal 1000, mal 8000, und mal 15000 Arme hat, dieses Ungeheuer ist es, das über die Anwendung von Gewalt in der Stadt entscheidet. Diese Weise zieht sich durch alle unrühmlichen G 20-Gipfel. Nur gestern, wie jedes Mal, war es wieder anders. Da schlug die Polizei präventiv zu, d.h. sie deckte den Demonstrationszug mit Pfefferspray und Tränengas ein und stoppte den ganzen Zug, obwohl bis dahin nichts passiert war. Dann kam es zur Gewalt, was die präventive Maßnahme in den Augen derer, die sie anordneten, rechtfertigte. Kalt betrachtet handelte es sich um eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts und einen staatlichen Übergriff auf friedliche Demonstranten. Dass sich bei solchen Anlässen immer wieder Gutmeinende von der Gewalt distanzieren und damit nicht die Polizei meinen, zeugt davon, dass ihnen das Mittel der politischen Analyse vollends abhandengekommen ist.

Ein Treffen, bei dem die Protagonisten der Globalisierung aufeinandertreffen, nicht politisch zu betrachten, ist nahezu unmöglich. Dennoch, die staatlich alimentierte Vierte Gewalt gibt sich alle Mühe, dieses zu tun, in dem sie die politischen Widersprüche, die sich zwischen Mächten wie den USA, China, Russland sowie Deutschland und der EU auf Episoden aus dem Feuilleton zu reduzieren sucht. Positiv ist anzumerken, dass die breite Front, die in der gezielten Entpolitisierungskampagne zu bestehen schien, zu bröckeln beginnt. Einzelne Organe, sowie vor allem Personen aus dem öffentlichen Leben, die bis dato geschwiegen haben, solidarisieren sich zunehmend mit dem Unmut, der über das in dieser Regie geführte Todeskommando der Globalisierung besteht. Das ist nicht genug, aber ein Anfang.

Das lange Schweigen einer breiten politischen Mehrheit deckt sich mit den Regierungsperioden einer großen Koalition. Auch wenn es dem deutschen, kleinbürgerlichen und autoritären Naturell so sehr behagt, in schwierigen Zeiten durch eine solide parlamentarische Mehrheit geführt zu werden, die große Koalition und damit die Schwächung der oppositionellen Kraft ist ein Synonym für die Entpolitisierung aller gesellschaftlichen Handlungen und eine Kapitulation vor den bestehenden Machtverhältnissen. Gut, wenn G 20, das von der Kanzlerin als eine PR-Kampagne zur bevorstehenden Bundestagswahl genutzt wird, dabei hilft, die Frage der großen Koalition gleich mit zu beantworten. Dabei ist das Motto des Protestes in Hamburg sowohl sprachlich als auch politisch treffend gewählt: Welcome to Hell. Wer nicht alle Hoffnung fahren lassen will, muss jetzt handeln und aktiv werden.