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“Von der Leyen ertränkt Kinder und Frauen im Meer“?

Ich stelle es mir gerade vor. Wie der Außenminister eines Landes, es muss ja nicht gleich der russische sein, bestimmte Vorkommnisse einordnet. Die Welt, so wie sie ist, versorgt uns täglich mit Nachrichten, die berechtigte Zweifel an der Zivilisationsfähigkeit des homo sapiens aufkommen lassen. Verhungernde Kinder, mit Drohnen hingerichtete Zivilisten, Entführungen, hingenommene Havarien auf dem Meer, Belagerungen, die außergewöhnliches Leid verursachen, Vergewaltigungen, Entführungen. Wir kennen das. Wir sind an derartige Meldungen gewöhnt. Die Medien haben sich darauf verständigt, um Aufmerksamkeit zu generieren, uns rund um die Uhr mit den Bestialitäten der eigenen Spezies zu bombardieren. Nicht, dass die Grausamkeiten ausgespart werden sollten. Der permanente Konsum des Konzentrats jedoch macht die Menschen krank. Insofern kann man das mediale Agieren zu den oben erwähnten unzivilisierten Verhaltensweisen dazurechnen. Da hatte Nietzsche einfach recht. Wenn du lange genug in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

Was noch eine Steigerung der Barbarei bedeutet, ist der Versuch, die Gräuel gegeneinander aufzurechnen. Und noch schlimmer: die eigenen Verbrechen mit denen der vermeintlichen Konkurrenz zu begründen. Wenn du mich anklagst, dann sag ich dir, was die anderen machen. Dagegen bin ich ein Schaf. Und wer meint, damit sei die Klimax der Perversion erreicht, hat sich geirrt. Die nächste Stufe nämlich ist die Personalisierung. 

Kommen wir zurück zu dem erwähnten Außenminister. Stellen Sie sich vor, angesichts der vielen auf dem Mittelmeer Ertrinkenden, die das rettende Ufer Europas suchen, spräche er davon, Frau von der Leyen ertränke Kinder und Frauen im Meer. Oder, angesichts der immer wieder Umkommenden an der us-amerikanisch-mexikanischen Grenze, Joe Biden metzele die Menschen dort dahin. Oder, um ein bisschen näher zu kommen, Frau Faeser ließe es zu, dass immer wieder Anschläge in der Bundesrepublik verübt würden, um ihre Agenda begründen zu können. Oder der eifrige britische Ministerpräsident Sunak sei gerade dabei, Julian Assange zu ermorden.

Es ist sicher, dass eine derartige Darstellung große Empörung auslösen würde, weil sie komplexe Kausalverhältnisse zu sehr vereinfache. Und mit nichts anderem kommentiert werden könne als mit einer Einordnung in die Kategorien Propaganda und Volksverhetzung. Und, letztendlich, als eine dem Amt eines Außenministers unwürdige, dumme und boshafte Entgleisung zu sehen ist. 

In einem Interview Anfang der Woche in den Tagesthemen der ARD wartete die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland allerdings mit einem derartigen Verhalten auf. Wörtlich bezichtigte sie den russischen Präsidenten Putin der Entführung von Kindern aus der Ukraine („Putin hat Kinder aus der Ukraine nach Russland entführt“). Was man sich bei der Kommentierung der Unzulänglichkeiten, Kalamitäten und Verbrechen im eigenen Verantwortungsbereich verbitten würde, wird hier in einer Art und Weise gegen andere kultiviert, das nicht nur in Bezug auf das eigene Amt völlig deplatziert ist, sondern für die Zukunft alle Wege der Diplomatie verstellt. Genau das ist Zweck und Wille dieser Person. 

Wer sucht, der findet. Und komme mir niemand mit dem Argument, trotz allem seien wir die Besseren. Wenn wir es zulassen, dass uns derartige Figuren repräsentieren, dürfen wir nicht mehr von einem Bewertungsvorteil sprechen. Wir haben uns Formen der Barbarei an die Spitze gesetzt. Zwar durch Wahlen, aber nicht durch Mehrheiten, die diese Perversion gutheißen. Das Debakel ist bei uns zuhause. Genauso gut wie woanders. Das einzugestehen, wäre schon einmal ein erster Schritt.

Tun, was getan werden muss!

Wer nicht bis drei zählen kann, tut sich bereits mit der Vier sehr schwer. Und wenn es bei der Vier bereits aufgehört hat, dann braucht man sich über so etwas wie einen Analogieschluss keine Gedanken mehr zu machen. Das Dilemma, dass daher kommt wie ein alberner, arroganter Zynismus, liegt nicht tiefer, sondern es ist jedermann geläufig. Außer denen, die für die Außendarstellung dieser Gesellschaft glauben verantwortlich zu sein. Die meinen, wenn sie alles, was unter der Drei passiert, für das Gesamte ausgeben, dann würde jeder Unsinn geschluckt. 

Ist aber nicht so. Der ganze Befall dieser Branche zeigte sich wieder einmal an der Berichterstattung über die Treibjagd gegen Julian Assange. Nachdem die britische Ministerin mit dem eigenartigen Namen dessen Auslieferung an die USA genehmigt hatte, musste die selbst ernannte und schon lange gekaperte freie Presse natürlich darüber berichten. Das tat sie, und zwar so, als gäbe es eine neue Übersetzung für E-Räder. Sehr technisch, auf die Fakten beschränkt, neutral, so, wie es sich eigentlich gehört. Dass mit USA gegen Assange das eigene Grundrecht auf freie Berichterstattung liquidiert wird, das kam allerdings den wenigsten in den Sinn. Und nach einer Stunde verschwanden die Meldungen bereits wieder aus den Online-Portalen. Es gab viel Wichtigeres zu berichten, versteht sich.

In den nach wie vor falsch bezeichneten sozialen Medien gab es einige Stimmen, die sich für Julian Assange einsetzten. Die Kommentare, die man dazu las, dokumentierten sehr gut das Spektrum der zur Verfügung stehenden Mathematik. Viele beherrschten sie und setzten sich für die Pressefreiheit und den Inhaftierten ein. Sehr beeindruckend waren allerdings auch die Kommentare einiger Grüner, die die Offenlegung von amerikanischen Kriegsverbrechen durch Wikileaks als anti-amerikanische Hetze bezeichneten. Und ebenso beachtlich war der Einwand eines prominenten CDU-Mitglieds, das zu bedenken gab, wer Staatsgeheimnisse preisgebe, würde überall auf der Welt dafür bestraft. Für alle, die es noch nicht gemerkt haben: es existiert zumindest eine artikulierte Mehrheit, die unverblümt davon ausgeht, dass wir mittlerweile in einem autoritären Staat leben. Die Gestaltungsfraktion für diesen Weg ist allerdings Schwarz-Grün. 

Die Festbeleuchtung für dieses Ereignis wird bereits in Nordrhein-Westfalen erprobt. Zwischen der  flächendeckenden Installation liegt allerdings noch ein frostiger Winter. Dieser kann dafür sorgen, dass die Vertreter des amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes in der jetzigen Bundesregierung mit ihrem bellizistischen und energetisch selbstmörderischen Kurs durch eine frierende und darbende Bevölkerung davon gejagt werden. 

Dass ausgerechnet der sozialdemokratische Kanzler derweil alles unternimmt, um die sich abzeichnenden Notstände zu verhindern, kommt wieder einmal einer Ironie der Geschichte gleich. Sollte er Erfolg haben mit seiner von allen Seiten der Presse gescholtenen Politik, bewahrt er diejenigen in der Regierung, die nicht bis drei zählen können und durch den Reiz der Macht über Nacht komplett korrumpiert waren, vor der Demission und dem möglichen Barrikaden-Tod. 

Um noch einmal auf das Problem mit der einfachen Mathematik zurückzukommen: Es mehren sich die Stimmen, die glauben, dass die Misere eine flächendeckende ist. Zumindest was die eigenen Recherchen bei denen, die den Laden am Laufen halten, anbetrifft, unterliegt diese Einschätzung dem Trug, der durch die mediale Überpräsenz von Scharlatanen und Dilettanten aus dem politischen wie journalistischen Gewerbe erzeugt wird. Ja, auch das hat System. Denn wer sich von morgens bis abends dieses Panoptikum ansehen muss, ist in seiner psychischen Gesundheit extrem gefährdet.

Mein Rat: Einfach bis drei zählen und tun, was getan werden muss! 

„Was, mein Freund, ist aus deiner Welt geworden?“

Mit dieser Frage werde ich pausenlos von meinen früheren Arbeitskollegen aus der asiatischen Ferne konfrontiert. Sie verfolgen seit unseren gemeinsamen Jahren die Politik in Deutschland genau, immer wieder hatten wir uns verglichen, immer wieder hatten wir über Freiheit, Rechte, Gesetze und das staatliche Gewaltmonopol diskutiert. Und im Nachhinein muss ich immer wieder feststellen, dass meine damaligen Mitstreiterinnen und Mitstreiter damals schon freier und streitbarer waren, als ich Deutschland nach meiner Rückkehr erlebte. Auch sie stecken bis heute in so manchem politischen Sumpf, auch sie leiden unter der Macht der wirtschaftlich allzu Starken, aber sie tragen aufgrund des Kampfes um ihre Befreiung vom Kolonialismus einen Stolz und eine Selbstachtung in sich, die ich hier, in meinem eigenen Land, das zerrüttet ist von Partikularismus und einer kollektiven konsumistischen Kapitulation gekennzeichnet, nicht mehr angetroffen habe.

Der erste Anlass für die besorgten Anfragen war der Krieg in der Ukraine. Auch sie verfolgen das internationale Geschehen, auch wenn es in der Ferne liegt. Und für sie war es nie eine Frage, dass der Konflikt, der sich bis zu einem Krieg entwickelt hat, eine lange Vorgeschichte hat und ohne die Aktivitäten der USA in Osteuropa heute vieles anders aussehen würde. Sie sehen darin einen wohl vorbereiteten Krieg der USA gegen den alten Rivalen Russland, bei dem die Ukraine als Geisel dient und die mit jedem Tag mehr von der Landkarte gelöscht wird. Nicht, dass sie parteiisch wären, nicht, dass es sich um ein kommunistisches Land handelte – nein, ihr Land wurde vor dem Schicksal des Kommunismus bewahrt, indem nach einem Putsch der Generäle zwei Millionen Menschen abgeschlachtet wurden, mit tatkräftiger Unterstützung der amerikanischen Dienste. Sie sind trotzdem erstaunlich zurückhaltend, aber sie wissen, wovon sie sprechen.

Richtig besorgt sind sie jetzt. Denn sie wissen, gegenüber den USA sind wir zumindest bis heute machtlos. Aber, zumindest was Haltung und Wort anbetrifft, da haben sie uns bis heute geschätzt. Und nun, wo ein Mensch, der sich der Veröffentlichung der Wahrheit verpflichtet fühlte, Julian Assange, endgültig an dokumentierte Kriegsverbrecher ausgeliefert werden soll, da schweigen eure Politiker und eure Presse? Klär uns auf! Kann das sein?

Was tun, wenn du plötzlich einen alten Bekannten triffst, den du lange nicht gesehen hast und der dich direkt anspricht auf deine krassen, für jedermann sichtbaren Veränderungen? Zumindest mich hat das Leben gelehrt, dass Aufrichtigkeit das einzige ist, was dich vor dem Selbstbetrug bewahrt und deine Freundschaften erhalten kann. 

Und, so schwer es ist, die ersten Worte zu finden, war davon zu berichten, dass unser politisches System Menschen zulässt, die, sobald sie Mandate und Ämter ergattert haben, so korrumpiert sind, dass sie sich an nichts mehr von dem erinnern, was sie dorthin geführt hat. Und ja, es ist auch wahr, dass die so genannte freie Presse schon lange nicht mehr frei ist. Ganz im Gegenteil, sie hat die Seuche, sie biegt, sie verfälscht, sie lügt und betrügt, um die bestehenden, zu nichts Gutem mehr führenden Machtverhältnisse zu erhalten. Was für die einen die Korruption der Macht, ist für die anderen die Trunkenheit der Doppelmoral. 

Meine Freunde, kulturell für ihre Feinfühligkeit berühmt, spüren meine Verzweiflung wie meine Wut. Alles Regungen, die sie nicht mögen. Höflich verweisen sie mich auf die alten Zeiten, als ich in ihr Land kam und sie gerade einen Diktator zum Teufel jagten. Was sagtest du, so fragen sie mich mit einem Schmunzeln, wenn wir uns damals über die vielen Missstände beklagten, mit denen wir zu kämpfen hatten? Jagt die die Korrupten und die falschen Propheten zum Teufel und tut, was getan werden muss. 

Lag ich so falsch?