Schlagwort-Archive: Jugoslawienkrieg

Spalten kann man überall!

In einer Diskussion über den Jugoslawienkrieg und den gegenwärtigen Status des Kosovo, alles übrigens das Resultat einer völkerrechtswidrigen Aktion von USA und NATO, kam eine sehr interessante Frage auf, die weit über das angerichtete Debakel hinausgeht. Sie befasste sich mit dem Thema der möglichen Spaltung von Bevölkerungsteilen, die auf dem gleichen Areal leben. Um das zu begreifen, ist es ratsam, von den heute emotionsgeladenen Konflikten etwas Abstand zu nehmen und sich so genannte befriedete Konflikte anzusehen. 

Das Ergebnis war profan wie einleuchtend. Nahezu überall auf der Welt existieren Erzählungen über Ungerechtigkeiten, Verletzungen oder Übergriffe von Bevölkerungsteilen, die letztendlich zusammengefunden haben. Überall schlummert ein gewisses Ressentiment, das die unterschiedlichsten Quellen hat. Wo Sunniten und Schiiten leben ist es genauso zu beobachten wie bei Katholiken und Protestanten, bei Süd- und Nordstaatlern, bei Angestammten und Migranten, bei Muslimen und Christen, bei denen von Festland, denen von der Insel oder denen aus den Bergen. Überall hat sich die Welt in stetigem Wandel befunden und Menschen aus unterschiedlichen Entitäten gemischt. Und in den meisten Fällen fand irgendwann eine Befriedung statt, und manchmal führte es zu großer Blüte. Um nicht so weit auszugreifen, sei auf die Passage in Zuckmayers Des Teufels General verwiesen, in der der General Harras das Rheinland beschreibt:

„Vom Rhein – noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Ruhiger Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf…“

Derartige geographisch eingrenzbare, durch ihre kulturelle, ethnische und ideelle Beschaffenheit einzigartige Gebilde existieren in vielen Teilen dieser Erde. Und, wie wir wissen, kann aus der Blüte schnell eine Hölle werden, wenn an diesem Gemisch rassistisch, religiös, ethnisch oder wie auch immer gezündelt wird. Das sah man in Zusammenhang mit dem Jugoslawienkrieg genauso wie jetzt im Ukrainekrieg. Spalten, so die Quintessenz, spalten kann man überall.

Im Umkehrschluss bedeutet es, dass, wenn man genug Macht und Einfluss hat und einem die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, immer in der Lage sein wird, aus einem positiven Entwicklungsprozess eine toxische Problemmischung zu machen. Und, sieht man sich die Konflikte der letzten Jahrzehnte an, dann ist es auch immer so gewesen.

Man sollte, so war die einhellige Meinung in der Runde, jedoch nicht bei der Schuldzuweisung gegenüber denen, die die toxische Mischung jeweils angerichtet haben – und da, so leid es einem tun mag, liegt der Werte-Westen mit seinem Dominanzgehabe ganz weit oben in der Liste – stehen bleiben, sondern sich der Frage zuwenden, was funktioniert dort, wo die Spaltung nicht gelingt, besonders gut? 

Ist es ein demokratischer Konsens, ist es eine anti-koloniale Gemeinsamkeit, ist es die kollektive Erinnerung an eine Katastrophe, oder ist es ein Projekt, von dem geglaubt wird, dass es zu einer besseren Zukunft führt? Entscheidend ist, an den Faktoren zu arbeiten, die gegen die toxischen Versuche, zu spalten und zu entzweien, immunisieren. 

Das Schweigen der Tyrannen?

Heute Nacht erhielt ich Post. Post von einem Freund, der aufgrund seiner Familiengeschichte immer einen sehr konzentrierten Blick auf den Balkan richtet. Er schrieb mir, ganz unaufgefordert, was er gar nicht recherchieren musste, denn das ist fest in seinem Gedächtnis gespeichert. Und dann zitierte er den President-elect der USA, Joe Biden: „Das ist kein totaler Sieg. Wir hätten Bodentruppen einsetzen sollen, Belgrad erobern und eine Besatzung wie in #Japan oder #Deutschland etablieren sollen.“ #USAelection2020 #JOEBIDEN2020.

Und dann führte mein Freund weiter aus: „Biden war 1972 für den Bundesstaat Delaware in den US-Senat eingezogen, hatte 1988 und 2008 vergeblich für die Präsidentschaft kandidiert und war dann nach der Wahl Barack Obamas 2008 und nochmals 2012 Vizepräsident geworden. Als Senator hatte er sich für die Zergliederung Jugoslawiens und die Bombardierung Serbiens eingesetzt und Präsident Clinton entsprechend bestärkt. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 forderte er mehr Bodentruppen in Afghanistan, 2003 stimmte er für den Irak-Krieg und 2011 propagierte er den Krieg gegen Libyen. Wiederholt forderte er ein Eingreifen in Syrien und die Absetzung Assads.“

Was was da ausgeführt wurde, ist in entsprechenden Quellen nachlesbar und wird als Faktum auch nicht von dem Akteur, Joe Biden selbst, geleugnet werden. Es sind Tatsachen, die dazu verhelfen, sich von dem neuen, allerdings noch nicht gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten ein realistisches Bild zu machen. Interessant ist, dass von der hiesigen so gefeierten freien Presse von diesen Tatsachen nichts oder kaum etwas zu lesen ist. 

Ganz im Gegenteil, alle möglichen, so genannten und selbst ernannten Expertinnen und Experten schwadronieren von einer neuen Kommunikationskultur, vor der man mit Joe Biden stehe und dass man bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen. Diese, wirft man nur einen Blick auf die Angaben meines Freundes, kann sehr schnell Kontur annehmen. Würde, so wohl keine Spekulation, Joe Biden an seiner Haltung festhalten, dann bedeutet die Annahme von mehr Verantwortung, was man, so die Verlautbarung von Bundespräsident, Kanzlerin wie Außenminister, sehr gerne täte, mehr aktive Teilhabe an kriegerischen Handlungen. Liebe freie Presse, dass einmal klar ist, worüber wir reden! Ob für diese Position Mehrheiten in der Gesellschaft existieren und wie sie hergestellt werden sollen, ist eine andere Sache. 

Ein Weg auf der psychologischen Kriegsmobilisierung wird allerdings bereits geleistet. Das beginnt bei den immer wieder unsachlichen und emotionalisierenden Berichterstattungen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, allen voran das Antlantikbrücken-Zentrum im ZDF, und es endet, wie immer, denn darauf ist Verlass, bei der Springer-Presse. Diese nutzte auch gleich das Ereignis, der US-Wahlen, um so richtig die Welt auf den Kopf zu stellen. Die gestrige Headline lautete: „Das Schweigen der Tyrannen“. Gemeint war das bisherige Ausbleiben von Glückwunschtelegrammen aus Russland und China. Dass sich Staatsoberhäupter souveräner Staaten dazu entscheiden, einem neuen Präsidenten erst dann zu gratulieren, wenn er gewählt ist, soll in den teutonischen Köpfen als absurd gesetzt werden. So beginnt die Verbrämung, so entstehen Feindbilder und so wird die Welt vergiftet. 

Sie schweigen, wenn sie reden sollten und sie geifern, wenn Schweigen angebracht wäre. Zur Klarheit tragen sie tatsächlich nicht mehr viel bei. Die Konzentration von Presse und Medien hat zu Meinungsmonopolen geführt, die dazu beitragen, die Gesellschaften tief zu spalten. Ja, eine freie und kritische Presse ist notwendiger denn je. Nur viele, die reklamieren, für sie zu stehen, lösen den Anspruch nicht ein.