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Der Albino, der mit Muddy Waters tingelte

John Dawson Winter III wurde 1944 in Beaumont, Texas, geboren. Der als Albino zur Welt gekommene Mann sollte mit seinem Leben dazu beitragen, die Rassenvorurteile in den Vereinigten Staaten mit seiner eigenen Persönlichkeit zu durchbrechen. Weißer als der unter dem Namen Johnny Winter bekannt gewordene Bluesmusiker kann ein Mensch nicht sein. Und obwohl seine Eltern Plantagenbesitzer waren und Beaumont als ein Zentrum von Rassenauseinandersetzungen unrühmliche Bekanntheit genoss, zog es den Heranwachsenden bereits früh in die Clubs der Schwarzen in seiner Heimatstadt, wo er nach eigenen Aussagen nie ein Ressentiment verspürte, ganz im Gegenteil, man nahm ihn mit offenen Armen auf. Nach kurzen Umwegen entdeckte er die Gitarre für sich und er entwickelte entlang des Electric Blues mit dem vorwärtstreibenden texanischen Drive eine Spielweise, die ihm in seinen besten Jahren den Beinamen Guitar Slinger einbrachte. Er war in den angesagten Clubs in Dallas und der 6. Straße in Austin längst angesagt, als er sich nach Chicago wagte, wo er allerdings nicht reüssierte.

1977 jedoch gelang ihm der Durchbruch, als er zusammen mit seinem Idol Muddy Waters das Album Hard Again produzierte und aufnahm, dem weitere Platten wie Tourneen folgten. In Woodstock hatte er schon auf der Bühne gestanden, aber Muddy Waters war der Schlüssel zu einer folgenden atemberaubenden Karriere. 1979 verzauberte er in einer Nacht des Rockpalasts nicht nur das Publikum, sondern machte sich auf einen Schlag in ganz Europa bekannt. Mit Covern von Jumping Jack Flash, Good Morning Little School Girl und Suzie Q. versetzte er dem ermüdenden Rock einen fulminanten Tritt. Wer Johnny Winter in diesen Jahren bei einem seiner Auftritte erlebte, der bekommt heute noch Herzrasen, wenn er daran denkt. Johnny Winter, immer wieder nervlich durch seinen Albinismus angeschlagen, steuerte mit harten Drogen und Alkohol gegen die drohende Erschöpfung, was ihn gesundheitlich ruinierte.

Als es um den Electric Blues stiller wurde, wurde es auch um den Guitar Slinger still. Er blieb seinem Genre, über das er sich definierte, treu. Immer wieder musste er sich in Sanatorien begeben, er kehrte aber immer wieder auf die Bühnen, die kleiner und unbedeutender wurden, zurück. In den letzten Jahren betrat er mit einem Stock die Bretter, spielte nur noch im Sitzen und seine einst raue, wie Wüstenwind heulende Stimme war schwach geworden. Das Feeling des Blues brachte er aber herüber, genau wie seine betörenden Riffs, die die Gravitationskräfte außer Kraft setzten.

Es sind nicht die großen Hits, die ihn bekannt gemacht haben, die diesen außergewöhnlichen Musiker erklären, sondern ein alter Bluesstandard, den B.B. King bereits bemerkenswert gespielt hatte. Be Careful With A Fool war die Selbsterklärung dieses schmächtigen, filigranen Energiespenders, der in diesen Song sein eigenes, von brüchiger Gesundheit und nervösen Rückschlägen geprägtes Leben webte. Es ist ein fulminantes Stück Musikgeschichte eines Albinos, der es als der wohl weißeste seines Genres in die Hall of Fame des Blues geschafft hatte. Be Careful With A Fool versetzt bis heute in einen kathartischen Zustand, was selten gelingt. Johnny Winter war wieder auf Tour. Er liebte das europäische Publikum, weil es, wie er es einmal formulierte, den ganzen Schwachsinn von Schwarz und Weiß nicht im Kopf hatte. Johnny Winter starb am 16. Juli in einem Nest bei Zürich. Er wurde gerade 70 Jahre alt. Er hat sehr schnell gelebt, was seine Musik bezeugt.

Texanische Blitze am nächtlichen Ruhrgebietshimmel

Johnny Winter Rockpalast: Blues Rock Legends Vol. 3

Als in den frühen Morgenstunden des 22. April 1979 in der Essener Grugahalle der damals 35jährige Texaner die Bühne betrat, gehörte er in den USA längst zu einer nicht ausblendbaren Bluesgröße. Trotz seines Auftrittes in Woodstock war er bis dahin vielen Europäern unbekannt, weil sein Auftritt aufgrund eines Streits seines Managers mit den Produzenten kurzerhand wieder herausgeschnitten wurde. Aber der unter einer schweren Pigmenterkrankung leidende und als Albino bezeichnete Gitarrist hatte längst Alben mit Muddy Waters aufgenommen und war zum Lonestar des texanischen Blues geworden.

Mit dem schlurfenden, jedes Wort verschmierenden und dennoch schnell dahin gerasselten Akzent des Texaners betrat er die Bühne und gab mit Hideaway einen kurzen Einblick in seine atemberaubende Art, mit texanischem Drive den Blues immer entlang den Ufern von Rock und Rhythm & Blues entlang zu treiben, ohne aufkreuzende Boogies auszulassen. Was sofort beeindruckte, war seine Virtuosität, die ihm später gar den Namen Guitar Slinger einbrachte, aber nie gekünstelt oder deplaziert wirkte. Schnell, virtuos und trotzdem lässig, voll aus dem Bauch mit einem Groove, der an einen leichten Trab erinnert, weckte er den nach mehreren Gruppen schon erschöpft wirkenden Saal wieder auf. Bei dem alten Standard Messin With The Kid setzte er dann seine hell-raue Stimme mit ein, die so gar nicht in die Klischees des Genres passte, aber zu den Steppen, aus denen diese Art von Blues kam. Und spätestens bei Mississippi Blues war das Auditorium nicht nur wach, sondern fest davon überzeugt, dass es Zeuge eines ganz großen Auftrittes eines absoluten Könners geworden war.

Mit den Rock-Evergreens Jonny B. Good und Suzie Q. holte Johnny Winter dann zwei weitere Asse aus dem Ärmel, die wiederum das Besondere an der texanischen Art, Musik zu machen, dokumentierten: So gefühlvoll und duldsam die Bluesnummern daherkommen, so aggressiv und kompromisslos, wie bei einem Showdown nach Wahl der Waffen, detoniert der Rock. Die Stimmung war schon nach kurzer Zeit auf dem Siedepunkt und Johnny Winter wäre kein Amerikaner, wenn er nicht gewusst hätte, wie er das halten kann. Er beruhigte das Publikum mit I´m Ready und Rockabilly Boogie, ehe er zum letzten Schlag ausholte. Quasi als Brücke diente ein Medley, ehe er das Konzert beschloss mit der wohl legendärsten Interpretation von Jumpin Jack Flash, mit einem Tempo, einer röhrenden und zitternden Gitarre und einem Gesang, der wie eine Urschreitherapie wirkte.

Das hier dokumentierte Konzert weist viele Tücken der damaligen Zeit auf, teils zu lange Soli, teils eine gänzlich aus der Mode gekommene Aufnahmetechnik. Aber es ist eines der ganz großen Rockkonzerte auf deutschem Boden. Zeiten kann man nicht zurückholen. Bestimmte Momente schon.