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Fucking Crazy und die Implosion

Ja, manche Zeilen aus längst vergangener Lyrik entpuppen sich als überaus prophetisch. Nicht, weil plötzlich etwas eingetreten ist, das noch nie da war, sondern weil sich in der Geschichte bestimmte Dinge wiederholen und dann die künstlerische Darstellung aus der Vergangenheit so schrecklich aktuell wirkt. Noch schlimmer wird es allerdings, wenn man sich in historischen Phasen befindet, in denen Kunst und Kultur keine Bedeutung mehr beigemessen wird, es sei denn, es handelt sich um affirmative, das Bestehende feiernde „Kunst“, ein Genre, das den Namen nicht verdient.

Anlass zu dieser Betrachtung war die Zeile aus John Lennons Working Class Hero, in der es so treffend heißt:

They hurt you at home and they hit you at school

They hate you if you ´re clever and they despise a fool

´Til you ´re so fucking crazy you can ´t follow their rules.

Wieviel Wahrheit verbirgt sich hinter dieser Sentenz! Nicht, dass mit Prügel in der Schule unbedingt etwas Physisches gemeint sein muss, sondern es reicht, wenn man sich die ideologische Bevormundung ansieht. Und der Hass gegenüber all jenen, die in der Lage sind, sich die tatsächliche Entwicklung jenseits der proklamierten Wahrheit vorzustellen, bewegt sich bereits wieder in Superlativen. Und die Arroganz denen gegenüber, die ihr Dasein längst in großer Zahl jenseits gesellschaftlicher Teilhabe fristen, ist jeden Tag und stündlich zu spüren. Dass viele Menschen bei solchen Verhältnissen die weiße Fahne hissen und laut deklamieren, sie kennten sich nicht mehr aus, ist kein Wunder.

Ob diese Beschreibung aus dem Working Class Hero allerdings nur noch auf die besagte soziale Klasse reduziert werden kann, ist fraglich. Ob nach dreieinhalb Jahrzehnten Herrschaft des Wirtschaftsliberalismus noch eine ordnende Substanz vorhanden ist, die in den Köpfen der Menschen als Kompass zu dienen vermag, ist allerdings fraglich. Angesichts dessen, was wir in dem täglichen politischen Diskurs und bei dem erleben, was sich als Medienwesen präsentiert, stellt sich zu recht die Frage, ob der Zustand des „fucking crazy“ nicht den Status einer allgemein gültigen Zustandsbeschreibung erreicht hat.

Verschiedene Indizien sprechen dafür: Die Kausalität als Grundmuster der Logik ist in der Politik außer Kraft gesetzt. Die Verifizierung von Behauptungen wird nicht mehr als erforderlich erachtet. Die Regeln der Sprache und ihrer Bedeutung genießen keinen Schutz mehr. Alles geht und alles ist erlaubt. Ideologische Umdeutungen von Sinn gehören zur Tagesordnung, die Sprache als die Zone, in der allgemein verbindliche Regeln gelten, die von allen bei deren Nutzung verbindlich sind, damit eine für alle verständliche Kommunikation entstehen kann, ist zu einem Schauplatz zweckgebundener Vermarktung geworden. Alles ist beliebig, alles geht, und jede Form der Vermarktung von Information ist legitim.

Bei derartigen Zuständen ist nicht nur der Weg für ein kollektives „fucking Crazy“ geebnet. Es mehren sich die Anzeichen, dass diese Entwicklung auch für etwas sorgt, was historisch in bestimmten Kulturen und ihren Institutionen für so etwas wie eine plötzliche Implosion gesorgt hat. Da genügte nur ein kleiner Anlass, dass wie von mächtiger Hand alles in Windeseile zusammenbrach und alles in einem grandiosen Chaos endete. Wenn eine Gesellschaft Referenzen wie ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Verpflichtung zu einer kollektiv akzeptierten Wahrheit nicht mehr pflegt, dann ist mit einer solchen Implosion zu rechnen.  

Fucking Crazy und die Implosion

Aufstand statt Auferstehung! Frohe Ostern!

Heute, am frühen Morgen, die meisten liegen noch im Bett oder sind verreist, erscheint die kleine Welt noch in Ordnung. Was der Neurastheniker als pure Langeweile bezeichnen würde, ist in Wahrheit ein Moment des Friedens. Es ist kaum auszumalen. Wenige Augenblicke, in denen das Weltgetöse nicht auf die Ohren hämmert. Stattdessen Johnny Cash. Der schafft es immer seltener, zu einem vorzudringen. Seine letzten Werke sind Messen für die menschliche Existenz. Umso betrübter wirken sie jetzt. Die Melancholie, die aus einer wilden Lebenserfahrung spricht, erscheint im Moment das Richtige zu sein. Das einzige Richtige.

In diesem Moment des Friedens drängen sich Assoziationen auf, die darauf stoßen lassen, das vieles, was erforderlich ist, einfacher ist als gedacht. In dem Augenblick, in dem die christliche Welt, vielleicht sogar zu Gustav Mahlers Musik, die Auferstehung feiert, könnte es doch für alle, egal welchen Glaubens oder welcher politischen Überzeugung, einfacher sein, aufzustehen. Aufstehen statt Auferstehung! Das wäre einmal ein Anfang.

Und auch der Anfang ist eine gute Metapher. Last die alten Rechnungen in der Schublade liegen und wendet euch dem zu, was in Gefahr ist, wenn das Spiel, das momentan in vollem Gange ist, weiter gespielt wird: der Zukunft. Es wird sie nicht geben, wenn den sprichwörtlichen Revolverhelden nicht das Handwerk gelegt wird. Denen, die ihre gierigen Krallen auf die Ressourcen dieser Welt legen wollen, denjenigen, die vorgeben, daraus einen Kreuzzug für den wahren Glauben machen zu wollen und denjenigen, deren Aufgabe es ist, die Köpfe zu verwirren. Es ist der Tag, um Musik zu hören. Gustav Mahler, Johnny Cash und John Lennon. Nein, nicht Imagine, sondern Working Class Hero. Wie treffend die Zeilen doch sind. Til You are so fucking crazy that you can ´t follow the rules. Oder: They hate you, if you ´re clever and they despise a fool. Neu ist bei diesem Spiel der Zerstörung nichts. Was fehlt, ist das, was es beendet. Aufstand. 

Die wenigen Stunden des Friedens, die an diesem Morgen hier und da zu genießen sind, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ohne Konflikte nicht gehen wird. Es ist eine Illusion, den Kriegstreibern beweisen zu wollen, dass man friedlich ist. Das verachten sie nur. Wir können das jeden Tag nachlesen. Die einzige Sprache, die dieses von den Kriegstreibern gesponserte Konsortium versteht, ist die der Macht. Daran gilt es zu arbeiten. 

Gesellschaftliche Macht entsteht durch Zusammenschluss, durch Organisation und Aktion. Es wird viel Phantasie erfordern, zeitgemäße Formen dafür zu finden. Aber es ist nicht die Form, die entscheidet, ob es einen neue Kraft geben wird, die mit dem System der kriminellen Gier in der Lage ist Schluss zu machen. Entscheidend wird der Wille sein. Der Wille, die Welt und den Frieden zu erhalten. Dazu erfordert es Mut und Haltung. Mit Jammern wurde noch nie etwas Neues, Lebenswertes geschaffen. Wir sind verantwortlich für das, was geschieht. Keine Ausreden, kein Haar in der Suppe! Jetzt ist die Stunde. Am Tag der Auferstehung geht es um das Aufstehen. Sonst nichts. Frohe Ostern!