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Demolition Type

Kennen Sie den Typus? Der, der immer dazu kommt, wenn sie sich mit jemanden unterhalten und gleich interveniert? Das, was er gehört hat, nimmt er als Aufhänger, um die Sache richtig zu stellen, um Sie als Interakteure zu korrigieren? Um dann das Gespräch an sich zu reißen und Ihnen den Eindruck zu vermitteln sucht, dass Sie bislang eigentlich sehr naiv durch Leben gegangen sind. Der, der keine Formate respektiert, der immer im Mittelpunkt ist, unabhängig davon, nach welchem Reglement die anderen sich bewegt haben?  Und der, sollten Sie die Chuzpe besitzen, ihm aufgrund der Art wie des Inhalts seiner Intervention zu widersprechen, versucht Sie zu disqualifizieren, lächerlich zu machen und als üblen Akteur zu diskreditieren? Und, sollte das nichts fruchten, damit beginnt, Sie hinter ihrem Rücken in ein schlechtes Licht zu setzen?

Ja, diesen Typus gibt es. Überall. Er gehört zur menschlichen Spezies. Seine Wirkung ist fatal. Denn, lässt man ihn gewähren, vermag er jedes soziale System über kurz oder lang zu beschädigen und zu zerstören. Die Betroffenen versuchen, mit unterschiedlichen Mitteln, sich dieses Typus zu erwehren. Die einen pädagogisch, in dem sie bei jeder Gelegenheit auf das konkrete Ereignis hinweisen und im Guten versuchen, ihn noch zu formen. Andere wiederum wenden sich nach einer Zeit ab und beginnen, unter bewusstem Ausschluss seiner Person zu kommunizieren. Und dann gibt es diejenigen, denen das Phänomen aus anderen Kontexten bereits bekannt ist. Bei ihnen überwiegt die Auffassung, dass nur der kalte Schnitt des Ausschlusses das jeweils soziale Subsystem noch retten kann.

Die Motivlage dieses Archetypus ist nicht selten Gegenstand der Diskussion. Je nachdem, welchen Interpretationsansatz man wählt, ob sozial, psychoanalytisch oder phänomenologisch, es läuft immer auf eine Ursache hinaus: die Probleme mit dem eigenen Ego sind größer als der Glaube an die Gruppe. Und wäre dieser Typus nicht archetypisch, d.h. gäbe es ihn nicht schon seit Menschengedenken, könnte man auf die Idee kommen, es läge an der Individualisierung in der bürgerlichen Gesellschaft, oder an der Ellenbogenmentalität des Neoliberalismus, oder am Wesen des Kapitalismus. Wären da nicht Repräsentanten dieses Verhaltensmusters bereits im alten Rom, im Reich der Mitte oder der griechischen Mythologie, dann wäre das ein Ansatz. Aber helfen würde dieses Wissen auch dann nicht.

Das disruptive Ego eines in der Gemeinschaft Gescheiterten oder ihr Misstrauenden ist ein Faktum, mit dem die Gemeinschaft selbst umgehen muss. Jeder möge für sich selbst entscheiden, wie er oder sie damit umgehen möchte. Über jeden Zweifel erhaben ist die Erkenntnis, dass der beschriebene Typus eine große Gefahr für jedes soziale System ist. Die Stabilität sozialer Systeme wiederum generiert sich aus klaren Regeln, und, um die höhere Kategorie zu wählen, aus den Gesetz. Das Gesetz die die Formulierung des Geistes des Zusammenlebens. Und ist dann nicht die Präferenz die beste, mit aller Konsequenz in Berufung auf das Gesetz mit dem, der durch sein Verhalten die Prinzipien, die dort formuliert sind, missachtet, zur Räson zu rufen und konsequent bis zum Ende zu gehen? Wer das friedliche Zusammenleben stört, wer andere verächtlich macht, wer die Prozesse der Entschlussfindung sabotiert und wem es nur darum geht, die Gemeinschaft zu einem Forum der Selbstdarstellung zu machen, ist dort deplatziert. 

Schokolade aus dem Panzerturm

Sie jubeln einmal wieder. Diejenigen, die wissen, wie man Kriege in der Öffentlichkeit populär macht. Die geübt sind im Umdrehen von Ursache und Wirkung, die schnell sind im Anheften von Attributen, so dass immer möglich ist, sehr schnell zu sehen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Am Wochenende gab es Tote an Venezuelas Grenzen zu Kolumbien wie Brasilien. Beides hat zu tun mit dem Versuch, das Land medienwirksam so zu diskreditieren, dass eine militärische Intervention seitens der USA als ein humanitärer Akt erschiene. In diesem Zusammenhang zeigt sich, wo die hiesigen öffentlich-rechtlichen Medien stehen: Da, wohin es die Bundesregierung auch schon geschafft hat, nämlich auf die Gegenseite von Völkerrecht und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Völker. 

Um noch einmal Klarzustellen: Venezuela befindet sich trotz der Ölreichtümer in einem schlimmen Zustand. Wie das Land aus einer korrupten Verwaltung, einer veralteten Infrastruktur und einer desolaten Mentalität herauskommen will, muss es selbst entscheiden. Es ist gut und wichtig zu wissen, dass die Lage zu den Zeiten, als die Ölfirmen aus den USA schalten und walten konnten, wie sie wollten, nicht anders war. Eigentlich ging es Venezuela immer schlecht, bis auf ungefähr ein Jahrzehnt unter Präsident Hugo Chavez, der die Ölkonzerne nationalisiert hatte und Gesundheit wie Bildung kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Und bei aller Geschichtsklitterung, die derzeit vollmundig betrieben wird, jeder neue Präsident, der in Venezuela kommen wird, muss sich seitens des Volkes den Vergleich mit Hugo Chavez gefallen lassen. Und die in den USA gecastete Marionette Guaido ist schon durchgefallen, bevor es losgegangen ist.

Und da wären wir wieder bei unseren Qualitätsmedien: Wäre irgend jemand an einer halbwegs realistischen Berichterstattung über die Zustände in Venezuela und den Ansinnen der US-Administration interessiert, so müsste nur ein wenig in den amerikanischen Medien gestöbert werden. Denn dort tobt ein sehr heißer Kampf zwischen den Befürwortern einer Intervention und denen, die den ganzen Coup bereits aufgedeckt haben. Da wird deutlich dokumentiert, wie der „Hoffnungsträger“ – allein bei dem Wort sollte, spätestens seit Macron, das gesamte Warnsystem aufscheinen – Guaido in den USA tatsächlich zu einem solchen in seiner Heimat aufgebaut wurde. Es handelt sich um eine von langer Hand geplante Intervention.

Dass sich bei einem solchen Plan die Bundesregierung mit ihrem Duo von der Leyen/Maas ihrerseits in der Wiederholung der Interventionsmarketingstrategie hervortut, sollte mittlerweile kein Wunder sein. Mit Völkerrecht haben sie es nicht so, mit Säbelrasseln am Rockschoss des Imperiums allerdings sehr. Dass die Sozialdemokratie ihrerseits den alten Kurs einer marktimmanenten Solidarität mit den sozial Benachteiligten wiederentdeckt, spricht für die Verzweiflung, aber dass sie dabei vergisst, dass mit Imperialismus und Krieg diese Schichten auch bei aller propagandistischer Unterstützung nicht zurück zu gewinnen sind, muss ihnen noch jemand erklären. Von selbst kommen so manche, die komplett in der Epoche des Wirtschaftsliberalismus sozialisiert wurden, nicht mehr auf so etwas.

Und während sich hier die öffentlich-rechtlichen Meinungsschmieden beraten lassen, mit welchen sprachlichen Tricks sie die richtige Parteilichkeit erzeugen, bereiten sich amerikanische Soldaten auf den Einmarsch in Caracas vor. Wahrscheinlich werfen sie dann aus ihren Panzertürmen Milchpulver und Schokolade auf die am Straßenrand weinenden Mütter. Das Imperium schämt sich für keine Kolportage. Und der lärmende Tross weiß nicht mehr, was Scham ist.

Über das Scheitern von Interventionen

Solange Systeme funktionieren und in einer relativ friedlichen Umgebung ihrer originären Zweckbestimmung nachkommen können und  mit vertretbaren Leistungen aufwarten, ist die Welt in Ordnung. Doch wann ist das schon der Fall? Um ehrlich zu sein, eigentlich nie. Konkurrenzverhältnisse zwingen immer zu besonderen, kurzfristig anberaumten Veränderungen, auch langfristig angelegte und stabile Rahmenbedingungen verlangen heutzutage nach einer Strategie, die nicht nur Ziele formuliert, sondern auch berücksichtigt, was passiert, wenn sich schlagartig die Rahmenbedingungen ändern. Zuweilen wird, zumindest der erste Teil einer solchen Überlegung, mit dem Titel Risikomanagement belegt.

Systeme, die nicht funktionieren und dennoch von sich überzeugt sind, existieren ebenfalls. Die irritierende Feststellung kann zutreffen, wenn folgender Zustand eingetreten ist: Das System produziert zwar kaum noch oder keine Leistung mehr, es reproduziert sich aber famos selbst. Dann hat sich der erste Lehrsatz der Systemtheorie durchgesetzt, der da lautet, Systeme sehen ihren Sinn nicht in der Zweckbestimmung, sondern in ihrer Reproduktion. Spätestens wenn ein solcher Zustand erreicht ist, ist eine Aktion erforderlich.

Die Aktionen, mit denen Systeme kuriert und wieder leistungsfähig gemacht werden sollen, werden als Interventionen bezeichnet. Interventionen sind, wie es das Wort bereits sagt, Eingriffe von außen, die etwas bewirken sollen. Es wird unterschieden zwischen Interventionen mit Impulscharakter, übergriffigen, paradoxen und absurden Interventionen, je nach der Intention dessen, der die Intervention bestellt oder lanciert hat. Zumeist ist der Zweck der Intervention reflektiert, bevor die Art der Intervention gewählt wird. Wenn das nicht der Fall ist, mangelt es an Professionalität oder es spielen noch weitere Motive einer anderen Ordnung eine Rolle, die allerdings nicht thematisiert werden können.

Jede Intervention in ein bestehendes System führt zunächst zu einer Störung der Abläufe und einer Verstörung der Aktiven. Es geht darum, dem System an sich deutlich zu machen, dass die eigene Systemrationalität und das eigene Agieren nicht mehr ausreicht, um das System längerfristig existenziell zu sichern. Auch dabei handelt es sich um eine paradoxe Erkenntnis: Obwohl das System bestrebt ist, sich immer wieder zu reproduzieren, bringt es dennoch nicht die strategische Kompetenz hervor, um die erforderlichen Dimensionen der Innovation zu taxieren.

So sinnvoll und so überlebensnotwendig Interventionen sind, so destruktiv und suizidal können sie sein, wenn bei der Wahl der Art und Mittel falsche Entscheidungen getroffen werden. Einmal abgesehen von einer feindlichen, auf Destruktion abzielenden Intervention, sind bei den Interventionen, die etwas Positives bewirken sollen, einige Dinge zu beachten:

Der Anlass der Intervention muss mit den Zielen des Systems korrelieren. Dazu ist es erforderlich, Transparenz herzustellen über eine Identität der Interessen von System und Intervention. Es ist die alles entscheidende Voraussetzung, denn wenn die Kongruenz der Ziele von System und Intervention nicht gegeben ist, dann entwickelt sich ein mit der typischen Schärfe eines Überlebenskampfes geführte Auseinandersetzung zwischen beiden Faktoren.

Neben der Kommunikation über die Ziele müssen ebenfalls die sozialen Verkehrsformen des traktierten Systems berücksichtigt werden. Denn der Charakter der Intervention in ein System wird im System identifiziert mit der Art und Weise, wie miteinander umgegangen wird. Wer anderen Gesetzen des Umgangs folgt, so der Schluss im System, der verfolgt auch andere Ziele. Und zu den Verkehrsformen zählen nicht nur die sozialen Umgangsformen, sondern in vielen Fällen auch die Produktionsmethoden.

Der Schluss, der nahe liegt, ist empirisch und beispielhaft sehr oft zu beobachten. Wer bei einer Intervention die Ziele nicht kommuniziert, wer sich an die sozialen Umgangsformen nicht hält und keine überzeugenden Argumente vorzubringen vermag, die Produktionsmethoden, die vielleicht doch veraltet sind, zu ändern oder selbst mir antquierten Vorschlägen daherkommt, der hat das Scheitern der Intervention bereits fest eingebucht.