Noch ist es eine Woche hin bis zu den Landtagswahlen in Bayern. Und bei aller Vorsicht, die bei der Betrachtung von Prognosen gegeben ist, sieht es so aus, als müsse in dem immer etwas besonderen Bundesland mit einem politischen Erdrutsch gerechnet werden. Wenn sich das Bild, welches gegenwärtig gezeichnet wird, bestätigen sollte, dann ist es vorbei mit der absoluten, nahezu in Stein gemeißelten Mehrheit der CSU. Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich die Struktur des Landes gewaltig geändert. Wie in der fernen Türkei ist auch in Bayern etwas geschehen, das mit der Globalisierung dieser Welt zu tun hat. Es hat eine Urbanisierung stattgefunden, die die Zusammensetzung der städtischen Gesellschaft stark verändert hat. Zu dem gesetzten Bürgertum und einem abnehmenden Proletariat hat sich eine Klasse hinzugesellt, die in kreativen Berufen unterwegs ist, die international vernetzt ist und vor allem eine neue Dimension toleranter Lebensverhältnisse für unabdingbar hält.
So, wie Erdogan diesen Faktor in Städten wie Istanbul gewaltig unterschätzt hat, so ist es auch in München. Die Zeit der provinziellen Verabsolutierung des eigenen, illusorisch unterstellten Charakters, ist vorbei. Das Starren der CSU-Strategen auf Wahlarithmetik hat den Fokus darauf verhindert. Statt mit der landsmannschaftlich geprägten Tradition auftrumpfen zu können, wäre eine weltoffene, tolerante Perspektive die logische Konsequenz gewesen.
Die Arbeitsteilung zwischen dem neuen CSU.Ministerpräsidenten und dem Heimatminister in Berlin, die darauf abzielte, mit dem alles dominierenden Thema der Überfremdung zu punkten, um der wachsenden Zustimmung von potenziellen AFD-Wählern zu gefallen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Fiasko enden. Die Folge wird, dazu gehörten keine prophetischen Fähigkeiten, eine Diskussion um den Sündenbock sein. Der gerade von Seehofer so gern benutzte Slogan „Wir haben verstanden“ wird sich herausstellen als eine niederschmetternde Lernblockade. Verstanden haben sie nichts, weil sie glaubten, mit rückwärts gewandten Erklärungen die Weichen für die Welt von Morgen gestalten zu können. Die Probleme, die sich aus dem technologischen Fortschritt und der Internationalisierung der Ökonomie ergeben, sind mit dem Integrationserfordernis von maximal 1.5 Prozent der Bevölkerung nicht zu erklären. Da hat der faschistische Igel den bayrischen Hasen gewaltig genarrt.
Die Fakten, die sich in den Wahlergebnissen etablieren werden, könnten dazu führen, aus der gravierenden politischen Dyskalkulie zu lernen. Nur nicht, so ist abzusehen, bei den Betroffenen. Um die wird es aber schon bald nicht mehr gehen. Die Fragestellung, die sich auf die Zukunft konzentriert, wird anders aussehen. Sie wird sich beschäftigen müssen mit der gesellschaftlichen Adaption des technischen Fortschritts, sie wird sich befassen müssen mit den allgemeinen Anforderungen der Internationalisierung und sie wird sich befassen müssen mit den sich daraus ergebenden sozialen Herausforderungen. Die Antworten werden liegen im Bereich von Bildung und Qualifizierung, sie werden liegen auf dem Sektor von Wohnen und Arbeiten und sie werden liegen auf dem Feld des sozialverträglichen Arrangements unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte, die ökonomisch unterschiedliche Motive haben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer politischen Kommunikation, die diese Aufgaben im Blick haben wird.
Das Debakel der CSU liegt in ihrer kompletten Ausblendung dieser Veränderungen. Dass dem so ist, ist der eigenen Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn ebenso geschuldet wie dem Versuch, durch Ausgrenzung Sympathien bei denen zu erzeugen, die durch die eigene Politik bereits ausgegrenzt sind. schlimmer kann man sich nicht verrechnen.

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