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Transatlantik: Eine relevante Linie der Spaltung

Biden führt, Trump klagt. Die hiesige Berichterstattung verfolgt den inszenierten Krimi, die notwendigen Schlüsse aus dem, was sich in den USA seit geraumer Zeit abspielt, werden nicht einmal in Ansätzen gezogen. Einmal abgesehen von den Konsequenzen im internationalen Kontext, die keine große Veränderung im Verhalten der USA erwarten lassen, unabhängig davon, wer nun das Rennen macht, sind innenpolitische Problemstellungen zumindest in bestimmten Punkten auch hier zu erwarten. Und es ist nicht eine demographische Verschiebung im Sinne einer neuen ethnischen Majorität, auch wenn diese von rechtspopulistischen Kräften gerne herbeigeredet wird. Die USA sind seit ihrer Genese ein Einwanderungsland und das Ende der weißen Majorität ist in Sicht. In spätestens 25 Jahren sind dort die heutigen so genannten Minderheiten in der Überzahl gegenüber den europäisch-weißen Gründerinnen und Gründern. Das wird in keinem europäischen Land der Fall sein.

Was jedoch die gleiche Brisanz besitzt wie es derzeit in den USA zum Ausdruck kommt, also quasi transatlantischen Charakter hat, ist die durch die Globalisierung forcierte und längst überwundene Spaltung von Stadt und Land. In den Städten hat eine rapide Internationalisierung stattgefunden, die sich vor allem durch Multikulturalität, Technologieaffinität, Toleranz und Tempo auszeichnet. In den Städten entwickeln sich Wirtschaft, Infrastruktur, Bildungsverfügbarkeit und Kultur in einem nie gekannten Ausmaß, die dort Ansässigen, die dem inhärenten Tempo nicht gewachsen sind, erleben einen sozialen Abstieg und werden nicht nur sozial, sondern auch geographisch marginalisiert, d.h. sie werden aus den Städten vertrieben.

In den ländlichen Regionen herrscht dagegen Stagnation. Die jungen Talente zieht es in die Städte, die Infrastruktur verkommt physisch, die der virtuellen Kommunikation kommt nur unzureichend an. Die Abkoppelung des Landes ist in vollem Gange, mit der Konsequenz, dass die Dichotomie von Stadt und Land fortschreitet. Das Ergebnis sind zwei von einander völlig unterschiedene Erfahrungswelten. Während in den Metropolen das Hohelied auf Internationalisierung und Globalisierung gesungen wird, wächst auf dem Land das Gefühl, sich auf dem Abstellgleis zu befinden. Das ist der Widerspruch, der strukturell zu einer neuen, neben der sozial immer weiter fortschreitenden, Spaltung führt.

Genau das lehren momentan die USA. Denn dort ist der tiefe Riss, der durch das Land geht, gekennzeichnet durch diese durch die Globalisierung erzeugte Veränderung der Lebenswelten. Wenn etwas daraus gelernt werden kann, dann die Erkenntnis, dass das strukturelle Auseinanderdriften von städtischen Metropolen und vernachlässigten Regionen nicht aufgehalten werden kann, wenn es nicht zu neuen Denkansätzen und daraus resultierenden politischen Konsequenzen kommt. 

So, wie die Städte beginnen, sich im politischen internationalen Kontext neu zu definieren und zu organisieren beginnen, wie im International Council of Mayors, so ist es an der Zeit, dass das Gleiche auf regionaler Ebene geschehen muss. Die ländlichen Regionen müssen ebenfalls die Initiative ergreifen und sich zunehmend Koalitionspartner im internationalen Kontext suchen. Das stärkt das Selbstbewusstsein, schafft neue, soziale, wirtschaftliche und politische Perspektiven und zwingt zu neuen Dialogen zwischen Stadt und Land. Mit der Möglichkeit einer neuen Konvergenz. Neue regionale Organisationsformen, auch zwischen Metropolen und ländlichen Regionen sind eine notwendige Konsequenz aus den Tendenzen der fortschreitenden, tiefen Spaltung.

Dabei geht es nicht um Folklore, sondern um Autonomie. Diese resultiert aus politischer Selbstbestimmung, wirtschaftlicher Interdependenz und sozialer Konvergenz. Das beinhaltet Kompromisse, die dazu führen müssen, die Provinz zu internationalisieren und die die Metropolen zu provinzialisieren. Beides im positiven Sinne.