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Politik: Von der Strategie zur Sachbearbeitung

Analysen, die sich mit einem drastischen Wandel des Journalismus beschäftigen, markieren dafür die Jahrtausendwende. Zunehmend mehr beziehen sich diese Analysen auf das Datum des 11. September 2001, als die Türme des New Yorker Finanzzentrums einstürzten. Es folgte ein auf Fake News basierender irak-Krieg, bei dem der Terminus von „eingebetteten Journalisten“ kreiert wurde und zum Ausdruck brachte, dass Berichterstattung unter der Regie einer Krieg führenden Partei zu funktionieren habe. Seitdem ist der westliche Journalismus, dessen Produktionsbedingungen zudem durch die rapide Medienkonzentration in den Händen weniger Magnaten drastisch verändert wurden, auf einem Weg, der das gewünschte Spektrum einer aus mehreren Perspektiven berichteten Positionen kaum noch bietet. 

Kaum bemerkt und wenig thematisiert fand ein Paradigmenwechsel in der Politik statt. Die Vorstellung, dass die politische Macht das Zentrum darstellt, in dem über die großen Linien der Entwicklung entschieden wird, die den Rahmen für die jeweiligen gesellschaftlichen Kräfte bestimmen, die ihrerseits diesen Rahmen mit Leben füllen, ist seit der Jahrtausendwende zu einer Schimäre verkommen. Immer deutlicher wird die Tendenz, dass Politik Dinge in die Hand nimmt, die einzelne Aspekte notwendigen Handelns aufnimmt und sich exklusiv mit Aufgaben beschäftigt, die eher das Attribut der Sachbearbeitung verdienen als das der Weichenstellung.

Ein Blick auf die Gesetzesentwürfe der Regierungen aus den letzten beiden Jahrzehnten untermauert diese These. Vom Dosenpfand bis zur Müllentsorgung, von der Bezahlung von Paketausträgern bis zur Verwendung von Plastiktüten werden konkrete Handlungsweisen für Teilbereiche komplexen gesellschaftlichen Handelns selbst in die Hand genommen und bis zu einer konkreten Ausführungsbestimmung formuliert. Damit verbunden ist die Mutation von politischem Handeln zu bürokratischer Regelung.

Einmal abgesehen von der immer fragwürdiger erscheinenden Detailintervention in komplexe gesellschaftliche Prozesse und deren oft kontraproduktive und nicht intendierte Wirkung, ist die zu beobachtende Folge eine Verarmung politischen Denkens bei denen, die angetreten sind, Politik selbst zu gestalten. Wie absurd wäre es vor wenigen Jahrzehnten gewesen, sich mit Ministern über de Sinn und die Wirkung von Warenaufklebern streiten zu müssen, anstatt sich darüber auszutuschen, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll. Das Wort Strategie, das diese essenzielle Fragestellung am besten beschreibt, ist verkommen zu einer in jedem nur möglichen Zusammenhang gebräuchlichen Abstraktion, die keinerlei Vorstellung mehr vermittelt. Politische Ziele sind untergegangen im Nebel eines Hochdruckgebiets von Einzelmaßnahmen, die partiell Sinn machen, aber nie mächtig genug sind, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.

Dass diese Entwicklung so voran schreiten konnte, liegt an der Vorstellung, dass man die Bevölkerung aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung der Umsetzung von Politik entlassen hat und sie zu einem Mündel wohl oder nicht wohl meinenden Politik hat werden lassen. Konkret bedeutet es, dass ein Entmündigungsprozess der Bevölkerung stattgefunden hat, der als Ergebnis die zu beklagende Sachbearbeitung der Politik zur Folge hatte.

Wenn eine legislative Bürokratie die Macht übernommen hat, dann ist der Stillstand vorprogrammiert. Aus dem Auftrag der Gestaltung, deren Dimension immer die Vision, die Strategie und das Zukunftsprogramm ist, wurde Verwaltung. Verwaltung, wenn sie funktioniert, bedeutet reibungslosen Verlauf, jedoch nicht Innovation und Richtungsentscheidung. 

Der zunehmend beklagte Zustand einer orientierungslosen Politik hat seine Ursprünge in dieser Entwicklung. Bürokraten sind keine Boten der Erneuerung. Indem sich diese Vorstellung von Politik in der gesamten Gesellschaft etabliert hat, wurde der Grundstein für das Beharren auf dem Status Quo gelegt. Ein unhaltbarer Zustand in einem an Dynamik nicht zu überbietenden internationalen Umfeld.