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Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Das Geschrei dauerte noch an, da hatte die Arbeit schon längst begonnen. Natürlich im Stillen und jenseits der großen Aufmerksamkeit. So könnte die Situation beschrieben werden, wie sie sich momentan im Land nach dem großen Schock darstellt. Viele, sehr viele Menschen drängten hierher um Zuflucht zu suchen und viele, auch und besonders die Öffentlichkeit, wurden dadurch überrascht. Angesichts der politischen Vorarbeit auf der Welt müsste das nicht überraschen, aber auch die kluge Rückbetrachtung hilft nicht wirklich, wenn es darum geht, den Status Quo zu managen und die Zukunft vorzubereiten. Und dann wurden die Wurfgeschosse der Beschuldigung in alle Richtungen geworfen, gegen die, die kamen, gegen die, die sie Willkommen hießen, gegen die,, die das alles zu verantworten hatten, gegen die, die darüber berichteten. Die gesamte Geschichte ist typisch dafür, wie eine saturierte Gesellschaft mit etwas fundamental Neuem umgeht. Die Erregung und die sich in Superlative steigernde Emotionalität dominierten lange nahezu alles, vor allem den von einem Grundgefühl der Humanität aus handelnden Pragmatismus.

Aber, und das ist die positive Nachricht, jenseits der großen Öffentlichkeit, längst hat sich in dieser Republik eine Kraft zu Wort gemeldet, die ihre Arbeit längst begonnen hat und dabei ist, erste, kleine Erfolge zu erzielen. Das sind diejenigen, die nicht zum ersten Mal Immigranten zur Seite stehen, wenn sie in dieses Land kommen, es sind diejenigen, die Schulen organisieren und am Laufen halten und natürlich diejenigen, die dort unterrichten, es sind diejenigen, die ihre Vereine schon immer für fremde, neue Bürgerinnen und Bürger geöffnet haben, es sind politische Parteien, es sind Initiativen und es sind ganze Belegschaften in den Betrieben und es sind die ganz normalen Leute auf der der Straße. Sie sind längst dabei, Gutes zu finanzieren, sie sind dabei, Projekte zu organisieren und sie sind dabei, Beistand zu leisten. Die Berichte darüber sind spärlich, was nichts macht, aber die Spärlichkeit erweckt den Eindruck, als dominierten die Propagandisten, Hetzer und Hassprediger dieses Land. Doch das stimmt nicht. Der Anteil derer, die jetzt die Arbeit machen, die diese Gesellschaft braucht, ist weitaus größer.

Und, was sich jetzt herausstellt, ist die tatsächliche Kraft derer, die als Immigranten vor langer Zeit in dieses Land gekommen sind und die sich jetzt sehr selbstverständlich ebenfalls an die Arbeit machen. Sie sind es, die noch größeren positiven und vor allem pädagogischen Einfluss auf diejenigen haben, die neu kommen, sei es aufgrund der gleichen, ursprünglichen Heimat, sei es aufgrund der gleichen Sprache oder der gleichen kulturellen Sozialisation. Viele von ihnen sind längst bei der Arbeit, sei es, sie organisieren in Form von Bildungsvereinen Willkommensklassen, sei es, sie betreiben Küchen, sei es, sie gehen in die Lager und erzählen einfach. Wie es Ihnen ergangen ist, was sie haben lernen müssen und wie sie begonnen haben, die, die hier schon immer gelebt haben, zu begreifen. Das sind zum Teil Botschaften, die nicht ganz so einfach für die, die neu sind, zu begreifen sind, die ihnen von ihnen aber in einer durchaus konsequenten Art und Sprache beigebracht werden.

Nach dem Vorlauf der destruktiven Rituale bekommt nun auch eine gestaltende Kraft in diesem Land Konturen. Es ist eine überaus positive Entwicklung, die sich nicht von denen, die auf Angst und Schrecken spekulieren, bremsen lassen darf. Es ist wie immer: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Tote in Amerika

Erst die Ereignisse von Ferguson, nun der Fall Eric Garner in New York. Die deutsche Öffentlichkeit wird unterrichtet von Vorkommnissen in den USA, die nach Rassismus riechen. Die Berichterstattung ist nicht zufällig. Da es sich bei den USA tatsächlich um ein Land handelt, in dem Rassismus und Diskriminierung auf der Tagesordnung stehen, lässt es sich nach einem gut etablierten Schema vortrefflich aufregen. Dass bei beiden Fällen Untersuchungen stattgefunden haben und Gremien einer unabhängigen Justiz Entscheidungen getroffen haben, stört da nur. Die Nation des Westens mit den größten nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschieden macht aus hiesiger Sicht einen schlechten Job. Es geht schließlich darum, Vorurteile zu bestätigen. Und, das ist das eigentlich Ärgerliche daran, die eigenen Lebensumstände dabei aus den Augen zu verlieren.

Ein Journal über die Vorfälle hierzulande ist Besorgnis erregend genug. Hier gewaltsame Demonstrationen gegen ein geplantes Asylbewerberheim, dort eine totgeschlagene Immigrantin, und woanders Rekrutierungen für den vermeintlich Heiligen Krieg. Religiös gerechtfertigte Morde, Zwangshochzeiten, Fremdenhass, No-Go-Äras für Ausländer in ganzen Bundesländern und ein Prozess, bei dem über Jahre Einwanderer abgeknallt wurden wie tollwütige Hunde. Ein Prozess, der irgendwie nicht vom Fleck kommt, bei dem immer wieder der Verdacht hochkommt, dass Staatsbeamte da beteiligt waren, verdeckt versteht sich, um Schlimmeres zu verhindern. Das Journal ist so dick wie das Telefonbuch von Berlin. Mindestens. Aber die wenigen Beispiele reichen.

Und dann das andere Bild, welches dem Dümmsten zeigen sollte, dass die Welt ein wenig komplizierter ist als ein einziges Feindbild. Nämlich die internationale Umfrage, die zutage fördert, dass Deutschland ein freundliches Land ist, auch Fremden gegenüber. Und das Testat derer, die auch nur mit einem Rucksack hierher kamen, vor vierzig, dreißig oder zwanzig Jahren und die heute strahlend erzählen, dass sie hier ihr Ding gemacht haben und machen konnten. Werden sie befragt, dann entpuppen sich gerade die Erfolgreichen der Einwanderung als die Gralshüter der vermeintlichen deutschen Werte. In keinem Land, so die Rückmeldung, wird die Leistung so objektiv betrachtet, egal von wem sie erbracht wird, wie hier.

Wir, hier in unserem eigenen Land, müssen uns zurecht finden mit den widersprüchlichen Meldungen. Wer allerdings der Wahrheit eine Chance gibt, tut sich damit gar nicht so schwer. Dichte und Vielfalt haben es an sich, dass sie viele Teilwahrheiten in sich bergen, die sich zuweilen sogar widersprechen. Und diejenigen, die die Welt verbessern wollen, sollten sich immer darin erinnern, dass die eigene Fehlbarkeit der größte Feind und das größte Geschenk zugleich ist. Ein Feind, wenn geglaubt wird, man sei selbst unfehlbar und die anderen dabei verletzt. Das größte Geschenk, wenn aus der eigenen Fehlbarkeit eine Toleranz gegenüber allen erwächst, die guten Willens sind. Wer Fehler macht, sich zu ihnen bekennt und darüber spricht, hat das Portal zum Lernen aufgestoßen. Und wer nicht lernen will, der wird sich darauf beschränken, zu belehren.

Wer frei von Fehlern ist, der ist ein fauler Hund. Denn nur wer sich nicht bewegt, ist davor gefeit. Insofern ist das, was berechtigt oder nicht, hier aus dem ganz anderen Amerika als Stoff für moralische Empörung in die Wohnzimmer rauscht, eine willkommene Ablenkung von dem, was hier noch alles zu leisten ist. Wenn auch nicht die Duldsamkeit gegenüber den Anderen gepflegt wird, kritisch gegenüber uns selbst, das sollten wir schon sein.

Angekommen und von der Gestaltung ausgeschlossen

Das alles inspirierende Element menschlicher Erfüllung ist die gelungene Leistung. Nichts motiviert mehr, als etwas lernen zu können, dass bei seiner Tätigkeit quasi als Nebenprodukt vonstatten geht. Alle ernst zu nehmenden Anthropologen der Moderne hatten auf diesen Umstand hingewiesen. Gemeint ist der zivilisatorische Prozess. jeder Mensch durchlebt seine eigene Entwicklungsgeschichte. Und wer nicht gefordert wird, der langweilt sich nicht nur, dem werden auch die Chancen genommen, sich zu entwickeln. Der Prozess der Erkenntnis ist untrennbar mit dem „Stoffwechsel“, der Interaktion des Individuums mit seiner Umgebung bei Gestaltungsprozessen verbunden.

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur eines der exportfreudigsten Länder dieser Welt. In der Natur der Sache begründet liegt die Tatsache, dass hier eine Menge Verfahren zur Verfügung stehen, die für Volumen wie Güte der Produktion verantwortlich zeichnen. Das erfordert menschliche Leistung in hoher Konzentration und in hohem Ausmaß. Genau dieser Umstand führt dazu, dass die Verantwortlichen für den leistungsbezogenen Output im Land angesichts der demographischen Entwicklung seit langer Zeit die Warnung aussprechen, das Ende der Exportnation sei in Sicht, wenn nicht intelligente und leistungswillige Menschen hinzukämen. Momentan wird versucht, diese Menschen zu akquirieren, indem auf anderen europäischen Arbeitsmärkten wie in Spanien und Portugal die Zukunft dieser Länder abgeworben wird, um die deutschen Optionen zu erhöhen. Außerhalb Europas tut man sich schwer, wären dann doch Anstrengungen erforderlich, die kulturell anspruchsvoll und weit jenseits der reinen Wissensvermittlung angesiedelt wären.

Wegen seiner Attraktivität hinsichtlich der Leistung streben immer mehr junge Menschen Richtung Europa. Sie kommen aus allen Teilen der Welt. Ihnen gemeinsam ist die Perspektivlosigkeit in den Arealen, aus denen sie kommen. Im Zeitalter der digitalen Kommunikation sehen sie zwar die Bilder der güterlichen Hochzivilisation, aber sie dürfen sie nicht genießen. Weltweit führt das zur Verstädterung, deren Ende erst für die fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts prognostiziert wird, und nicht, Weil diese Menschen sich eines anderen besännen, sondern weil dann die Landflucht abgeschlossen ist. Diejenigen, die sich auf den Weg in die Metropolen der Leistung machen, können zweifellos als die Alphatiere der Unzufriedenen bezeichnet werden. Unzufriedenheit allein kann auch zu nachhaltiger Depression führen. Unzufrieden zu sein, und es gegen ein autokratisches Regime, über bewachte Grenzen und unwirtliche Meere hinweg in die entfernten Zentren der ersehnten Metropolen zu schaffen erfordert Mut, Widerstandskraft und Permanenz. Kurz, wer hier ankommt, der hat ein Assessment Center hinter sich, wie es die Privatwirtschaft wohl nie bieten wird.

Nun wäre es sicherlich nicht nur ein Zeichen von Souveränität, sondern auch eine Geste des Respektes, wenn man denjenigen, die die weite, beschwerliche und nicht selten riskante Reise hinter sich gebracht haben, an den gestalterischen Möglichkeiten hierzulande teilhaben ließe. Ja, richtig verstanden, anstatt sie in irgendwelchen alten Immobilien unter fragwürdiger Bewachung zu kasernieren, könnte man ihnen Zugänge gewähren zu Lehrwerkstätten wie Produktionsstätten, zu Volkshochschulen wie zu Lernprojekten. Statt bewacht auf das Ende eines bürokratischen Aktes abwarten zu müssen, könnten die Immigranten sehr genau sehen, wie sich dieses Land definiert, in nützlichen, gestalterischen Prozessen. Und es könnte bei denen, die hierher mit all ihrer Hoffnung gekommen sind, dafür werben, dass es eine positive Perspektive sein könnte, sich in diesen Prozess der entstehenden Werte einbringen zu können. Man nennt so etwas Perspektiven schaffen. Dagegen stehen die übliche Phalanx derer, die sich hinter Rechtsverfahren verschanzen und eine phlegmatische Wirtschaft, die ihr eigenes Geschrei so richtig wohl nicht zu glauben scheint.