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Holen wir den Humor zurück!

Die Liste der Anlässe, die den Stoff liefern, um die Hände über dem Kopf zusammenschlagen zu lassen, wird immer länger. Jeden Tag liefern uns die Figuren, die die wesentlichen Funktionen von Staat und Gesellschaft repräsentieren, genug Material. Ob es nun eine Außenministerin ist, die zunehmend in der Bevölkerung als US-Außenbeauftragte bezeichnet wird, die vor einer Kriegsmüdigkeit im westlichen Lager warnt, ob es ein Gesundheitsminister ist, der quasi nach den nächsten, pandemisch begründeten Notverordnungen lechzt, ob es eine Verteidigungsministerin ist, für die NATO und EU deckungsgleich sind, ob es ein SPD-Vorsitzender ist, der die Ansicht vertritt, eine europäische Friedensordnung ohne Russland sei möglich, oder ob es ein Landwirtschaftsminister ist, der mit der These viral geht, Fleischkonsum sei eine Unterstützung Putins – man sehnt sich die Blütezeiten des deutschen Kabaretts zurück, in denen Lach- und Schießgesellschaften und Stachelschweine es der politischen Klasse so besorgten, dass die Parteien in dem einen oder anderen Fall sogar reagierten und Positionen änderten. 

Das lange beklagte und nicht mehr zu widerlegende Elend des Journalismus, das historisch einher ging mit 9/11 und einer nahezu vollendeten Entwicklung der Monopolisierung, die Kaperung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durch atlantische Think Tanks, die exklusive Orientierung auf Aufmerksamkeit und die Verfolgungswellen bis zur Vernichtung für diejenigen, die sich dieser Gleichschaltung widersetzen, bilden die eine Seite der Misere.

Die andere ist tatsächlich in dem Verfall von Kabarett und Satire zu sehen. Bis vor kurzem noch existierte das eine oder andere Format, dem von politisch oppositioneller Seite noch zugestanden wurde, dass es wie ein Leuchtturm in der Nacht die einzige Institution sei, die sich an das dilettantische Handwerk der Mächtigen wagte. Aber auch diese Leuchttürme sind größtenteils nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine erloschen. Die Angst vor den Repressalien einer unbändig kriegsgeilen Öffentlichkeit war wohl zu groß. Manch wackerer Barde fand sich auf Knien winselnd wieder, um in den mentalen Schoß des diesseitigen Imperialismus zurück zu kriechen. 

Wir reden über einen vorläufigen Endzustand eines Krisenmanagements, das nicht mehr dem Interesse des Großteils der Bevölkerung entspricht. Denn wer von denen, die morgens aufstehen und im Prozess gesellschaftlicher Wertschöpfung einen Beitrag leisten, hätte Interesse an Krieg, Inflation und Naturzerstörung? Die Nachrichten darüber sind Trash und die Stimme des Humors ist verstummt. 

Damit sind die Arbeitsfelder definiert. Neben den ökonomischen Kämpfen, die spätestens im Herbst anstehen, weil die Lasten des Imperialismus genau die beschriebenen, leistungsorientierten Kreise treffen sollen und nicht die, in deren Interesse er betrieben wird, wird es notwendig sein, an dem Projekt eines nach den Grundsätzen eines kritischen Journalismus arbeitenden Aufbau eines Nachrichtenwesens weiterzuarbeiten.

Neben diesen sehr kalten Feldern, auf denen es um Macht und Verstand geht, bleibt das des Bauches, und zwar im Sinne einer die Mentalität und Seele betreffenden Ansinnens, das darauf hinausläuft, den Humor zurückzuholen und die seelen- und mentalitätslosen Charaktermasken aufs Korn zu nehmen. Mit ihrem Irrsinn, mit ihren Fieberphantasien, mit ihrer unendlichen Arroganz und ihrer sozialen Unzulänglichkeit. Der Humor war immer eines der essenziellen Mittel, wenn es darum ging, überkommenen Institutionen und ihren Vertretern den Weg zum Friedhof zu erleichtern und das Publikum auf diesem Weg bei Laune zu halten. Das politische Kabarett, der Witz und die Satire müssen zurück. Mit aller Schärfe! Nicht so leicht zu machen in Zeiten wie diesen. Der Appell bleibt!

Die vermasselte Büttenrede

Und wieder einmal geht der Geruch von Schwefel, Fleisch und Autoreifen über ein Land. An einem Tag, der, zumindest hier, im Zentrum Europas, und in seiner katholischen Prägung, dazu einlädt, nicht nur ausgelassen zu sein, sondern den Herrschenden ungestraft den Stinkefinger zu zeigen. Ehrlich gesagt, vieles ist schwer geworden. Auch, wenn man humorvoll sein will, ist es ein Navigieren zwischen albernem, toten Ritual, trefflichem Witz und kaltem Zynismus. Und so begann auch mein Räsonnement hinsichtlich einer Büttenrede, die es mir leichter machen sollte in diesen Tagen. 

Es fing an mit einem Zitat von einem Mann aus der Nachbarschaft, der mir, ganz seine Art, aus dem Fenster laut über die Straße zurief, du, mit den Grünen fährst du gut, wenn du Krieg willst, kaum sind sie an der Regierung, dann brennt der Baum. Und dann lachte er sein dreckiges, halb deutsches, halb niederländisches Lachen und wünschte mir einen schönen Tag. Phänomenologisch hatte der alte Zyniker natürlich Recht, aber dahinter eine Regel oder ein Arrangement zu vermuten, schien mir doch zu weit hergeholt. Was in dem Kontext des Krieges auffällt, ist die plötzlich aus dem Coronaschockzustand blitzartig aufgewachte Menge derer, die sich mutig und ohne jede Konsequenz gegen den Krieg in den sozialen Netzwerken empört erhoben. Manche gingen sogar auf Demonstrationen und mein unliebsamer Nachbar würde sagen, weil sie mal wieder ohne Mundschutz demonstrieren wollten, ohne dafür aufs Maul zu kriegen.

Ja, immer wieder, wenn es darum geht, seriös und bei der Wahrheit zu bleiben, kommt der Zynismus um die Ecke und vergewaltigt selbst den Wohlmeinenden ohne Rücksicht auf Verluste. Genauso bei dem Gedanken, dass dieser Krieg, bei aller Empörung, versteht sich, ein prächtiges Geschäft zu sein scheint. Rüstungsaufträge himmlischen Ausmaßes, und das ohne eigenes Risiko. Das tragen heldenmütige Ukrainer und jetzt, wie zu vernehmen ist, Söldner, die man ins Land schafft, um die Nachfrage zu erhalten. Gleichzeitig kann man beobachten, wie schlagkräftig das russische Militär wirklich ist. Für den in der NATO vereinigten Westen eine wunderbare Laborsituation. Und, was als Nebenprodukt bereits auf dem Schwarzen Markt als Tipp verkauft wird, ist die Perspektive, bald dem Fachkräftemangel mit frischen Lieferungen aus der Ukraine wird Abhilfe schaffen können.

Und schon steht der missratene Büttenredner auf der Fahndungsliste, wenn es ihm nicht gelingt, zumindest auch eine Sottise Richtung Osten zu platzieren. Dem russischen Volke sei gedankt, denn das schickte ihm eine wunderbare Vorlage, die er hier nur zu berichten braucht. Denn zu Zeiten der glorreichen Sowjetunion war es Usus, wenn es zu nicht seltenen Machtkämpfen im Zentralkomitee kam, was in der Regel eine neue Führung zur Folge hatte, dass die Radiosender ihre Programme stoppten und stattdessen Tschaikowskis Schwanensees abspielten, bis die Situation geklärt war. Und in diesen Tagen sollen sich Russen, wenn sie sich beim Einkaufen oder auf der Straße begegnen, immer wieder erzählen, sie würden sehr gerne einmal wieder im Radio den Schwanensee hören.

Ehrlich gesagt, was mein eigenes Empfinden angeht, spricht gerade diese Episode für eine immense Überlegenheit der Russen gegenüber dem pazifizierten Westen. Wo, bitte schön, findet sich hier noch, bis auf wenige, als Geheimtipp gehandelte Plätze, so etwas wie subversiver Humor? Der mentale Mainstream scheint exklusiv nur noch aus Empörung, Entsetzen und Hass zu bestehen. Wer so drauf ist, der hat auch in Zukunft nicht zu lachen.

Der Versuch ist, ich gebe es zu, grandios gescheitert. Gut, dass der Karneval abgesetzt wurde. Und ich bekenne, auch ich würde gerne einmal wieder Schwanensee hören. Aber hier im Radio! Schluss mit Lustig! 

Den Dogmatismus der Lächerlichkeit preisgeben!

Der entscheidende Dialog in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ findet bei längst fortgeschrittener, hoch dramatischer Handlung in der Bibliothek des Klosters statt. Der blinde Jorge von Burgos, ein Vertreter des klerikalen Absolutismus und Befürworter der Inquisition, streitet sich dort mit dem vieles hinterfragenden Wandermönch aus Baskerville. Im Grunde geht es darum, ob der irdische Mensch das Recht hat, das Dogma der Kirche anzuzweifeln und es durch Fragen erläutern zu lassen. Jorge de Burgos bestreitet das vehement und geht in dem Dialog noch weiter, bevor er lieber die ungeheuer wertvolle Bibliothek und sich selbst in Flammen aufgehen lässt, als der Suche nach Wahrheit eine Chance zu geben. Ganz in der Tradition der Inquisition sagt der Dogmatiker selbst dem Lachen den Kampf an. Er ist der Überzeugung, dass das Lachen der erste Schritt ist, um die kirchlichen Dogmen zu vernichten. Und mit dieser für ihn selbst so schrecklichen Einsicht lag er goldrichtig.

Gehen wir von der Geburtsstunde der Aufklärung in unsere Tage, dann vernehmen wir aus den so vielen Aussagen über die Notwendigkeiten der Zeit immer wieder den Ratschlag, wir, als aufgeklärte Gesellschaft, sollten uns auf die Grundwerte der Aufklärung und der Demokratie besinnen. Ich gäbe alles dafür, wenn die Zustände so wären, wie sie beschrieben wären. Aber leider komme ich mir oft so vor, als säße ein Jorge de Burgos vor mir und erklärte mir, ich dürfe die Dogmen unserer modernen Gesellschaft nicht hinterfragen, sonst begäbe ich mich in die Arme der Blasphemie oder gar des Populismus. Wie soll ich schlau daraus werden, wenn es nur eine Meinung darüber geben soll, was richtig und falsch ist? Und wenn alle, die sich die Mühe machen, hinter nachweislich falschen Begründungen von politischen Entscheidungen auch Gründe dafür zu suchen, warum das so ist, als Feinde des Landes, der EU und der Menschlichkeit bezeichnet werden? Diese eine, offizielle, moralisch begründete Meinung ist allzu oft dogmatisch. Und diejenigen, die sie befragen, werden ausgegrenzt wie zu den Hochzeiten der Heiligen Inquisition.

Diese Erkenntnisse sind nun schon alt genug als dass es ein wenig langweilig wäre, sich nur über diese Zustände zu beschweren. Nehmen wir doch den Appell ernst und zerlegen die falschen Aussagen über die existierenden Verhältnisse mit dem messerscharfen Verstand der Aufklärung. Das ist eine gute Empfehlung und immer mehr Menschen nehmen sie sich zu Herzen. Wer laut denkt, macht schon den ersten Schritt. Dabei sind viele, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, mit den Methoden der modernen Inquisition sehr vertraut und können berichten, wo die Analogien sind zwischen dem, was sie in schmerzhafter Erinnerung haben und dem, was sich hier entwickelt hat. Manchmal ist alles auch ganz einfach. Wieso, so muss gefragt werden, wird ein mehrtägiger offizieller Besuch der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in Saudi Arabien nirgendwo erwähnt und wieso wird aus Aleppo in Form von Privatvideos berichtet, aber nicht, dass es bei der UNO eine Geheimsitzung gab, weil in Aleppo NATO-Offiziere festgenommen wurden? Aber lassen wir auch das.

Umberto Eco hat es mit der Verwundbarkeit des Dogmatikers Jorge de Burgos wunderbar auf den Punkt gebracht. Der Dogmatismus wird nicht nur mit der Analyse und mit politischen Argumenten bekämpft, sondern ihm kommt man auch mit beißendem Spott und Humor bei. Keine politische Auseinandersetzung von Bedeutung war so humorlos wie diese. Das ist ein Erfolg der Dogmatiker. Und das muss aufhören. Wir müssen sie der Lächerlichkeit preisgeben.