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Von Giganten und Zwergen

Die hohe Diplomatie German style ist in vollem Gange. Da juckeln deutsche Panzer und insgesamt 8000 deutsche Soldaten bei dem größten NATO-Manöver seit dem Kalten Krieg direkt an der russischen Grenze herum und die Kanzlerin empfängt den russischen Präsidenten auf einem norddeutschen Schlösschen. Was interessiert, ist die Frage, inwieweit auch die von anderen Kabinettsmitgliedern immer wieder geforderte Position der Stärke die Gemütslage des russischen Verhandlungspartners beeinflussen wird. Wird er tatsächlich eingeschüchtert sein und sich selbst zuflüstern, pass mal schön auf, mein Freund, mit den Deutschen ist nicht gut Kirschen essen? Oder wird er sich fragen, was das Gegenüber eigentlich reitet, bei der vorliegenden Interessenlage so aufzutreten? 

Die Themen, die das Kanzleramt als die zentralen bei dem Treffen mitteilte, sind international komplex und von der deutschen Politik alleine kaum beeinflussbar. Das am besten steuerbare Thema ist das Northstream-Projekt, bei dem es sich um die Versorgung der Bundesrepublik mit russischem Gas handelt. Das Problem liegt dabei allerdings nicht bei Russland, sondern den USA, die sehr aggressiv durch ihren Präsidenten formuliert haben, dass Deutschland gefälligst amerikanisches Flüssiggas kaufen solle. Ein klares Wort der deutschen Seite an die Adresse der USA fehlt, da wird die Kanzlerin wohl anfangen zu flüstern und dem lieben Wladimir bedeuten, alles bliebe so, wie verabredet.

Im Falle der Ukraine sind die Fronten verhärtet. Russland hat sich den Satelliten nicht wegputschen lassen. Auch wenn Präsident Obama seinerzeit von der Regionalmacht Russland sprach, so hat diese implodierte Weltmacht in den letzten fünf Jahren imperialer gehandelt als die USA. Dass diese nun nachlegen, sollte das russisch-deutsche Verhältnis nicht belasten, gäbe es da nicht gekaufte Enhancer oder Enforcer, die der deutschen Öffentlichkeit permanent suggerieren, die Freundschaft zu Amerika sei dasselbe wie die Befolgung von Befehlen aus deren Kriegsabteilung. Allein die Entledigung dieser dunklen Mächte und Seilschaften aus dem, was am besten als gesellschaftlicher Klärungsprozess beschrieben werden könnte, hätte eine dramatische Verbesserung des Verhältnisses zu Russland wie der amerikanischen Gesellschaft zur Folge.

Und im Falle Syriens sind alle Kapitel bereits geschrieben. Was will die Kanzlerin einem Präsidenten erzählen, der seinerseits von einem Präsidenten zur Hilfe gegen ausländische Interventionen gerufen wurde, den man selbst so lange unterstützt hatte, wie er sich nicht gegen den Bau einer Pipeline gestellt hat? Was dann folgte, war das Traurigste, was die deutsche Außenpolitik seit der Ära Brandt hat bieten können. Auf welche Giganten blicken wir zurück, mit welchen Zwergen schlagen wir uns herum?

Egon Bahr, das operative alter Ego des einzigen Kanzlers, der erhobenen Hauptes aus dem Exil in die verfluchte Heimat zurückkehrte, sprach einmal davon, dass es geraten sei, sofort den Raum zu verlassen, wenn statt von den Interessen von den Werten gesprochen würde. Dann ginge es ins Spekulative, und dann sei das Vertrauen dahin. Letzteres durchzieht die deutsche Politik in erschreckender Kontinuität. Die Werte sind durch permanente Kolportage kompromittiert, die Interessen weit von denen des gesellschaftlichen Wohls definiert und die Akteure ohne eigenen Kompass. Das ist gefährlich, brandgefährlich. Für das Land, das sich so etwas leistet.

Der russische Präsident trifft auf einen schwer angeschlagenen Verhandlungspartner. Und das ohne eigenes Zutun. Putin hat außenpolitisch in den letzten Jahren aus Sicht der russischen Stärke vieles richtig gemacht. Die Kanzlerin, gemessen mit dem gleichen Maß, nahezu alles falsch. Da bleibt nur noch interessant, wie das Treffen und seine Resultate im eigenen Land kommuniziert werden. Und das, auf seinen Gehalt analysiert, hört sich dann an wie ein Krankenbericht.