Alle Gewissheiten sind temporär. Die Probe aufs Exempel liefert der Rückblick. Aus seiner Perspektive wird es klar und deutlich. Das, was aus historischer Sicht einmal als unumstößliche Wahrheit galt, war kurze Zeit später als ein kolossaler Irrtum angesehen. Und vieles, was als Hirngespinst angesehen wurde, entpuppte sich in einer späteren Phase als eine wichtige Grundlage für weiteres Handeln. Wenn es so ist, wie beschrieben, könnte man sich fallen lassen auf ein weiches Kissen des Relativismus oder des Fatalismus. Denn nichts bleibt so, wie es war und aufgrund dessen ist nichts von Dauer.
Diese Position wird, wen sollte es wundern, von vielen Menschen zunehmend vertreten. Es verwundert nicht einmal. Denn in Zeiten, in denen das scheinbar Unumstößliche nahezu täglich in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus, liegt der Schluss nahe. Und wenn das Gefühl die Oberhand gewinnt, nichts habe mehr Geltung und man selbst habe keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung, der man auch keine günstige Prognose gibt, dann ist der Fatalismus eine Art von Sedativum, das Linderung verschafft.
Eine der wenigen Gewissheiten, die in diesem Zusammenhang Geltung behalten, ist die erkenntnistheoretische Konstante, dass Fatalismus immer und unter allen Umständen zu keiner Verbesserung der Verhältnisse führt. Ganz im Gegenteil, wer sich vor den harten Gesetzen der Veränderung zu schützen sucht, in dem er die Segel streicht, wird vom Wind der Zeit in eine Richtung getrieben, auf die er keinen Einfluss hat. Das Ergebnis ist in der Regel schlimmer, als der beklagte Zustand des Ausgangspunktes.
Nun könnte der Eindruck entstehen, dass außer einem Urteil über das Verhängnisvolle des Fatalismus nichts übrig bleibt. So, als priese man die lakonische Weisheit, man hätte keine Chance, die allerdings zu nutzen sei. Dem ist jedoch nicht der Fall.
Denn neben den von der konkreten historischen Situation abhängigen und somit vergänglichen Gewissheiten existieren noch andere. Und diese Gewissheiten haben universalen Charakter und sind mit der grundlegenden Existenz des homo sapiens verbunden. Sie sind schnell aufgezählt und sie sind in den Kodizes des verschiedenen Kulturreise dokumentiert. Und das Interessante daran ist, dass sie sich gar nicht so voneinander unterscheiden, wie es oft reklamiert wird.
Da geht es darum, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Dass er nur dann zu existieren imstande ist, wenn er die Existenz anderer Individuen oder sozialer Verbände anerkennt. Wenn er sich für die Kooperation entscheidet und die damit verbundenen Gesetze respektiert. Man könnte diese Kodizes auch die Naturgesetze der menschlichen Existenz bezeichnen. Der in diesem Jahr wieder einmal gefeierte Immanuel Kant hat vieles davon zu Papier gebracht, quasi als ein Schriftführer der menschlichen Existenz. In der Schrift „Zum ewigen Frieden“ und im „Kategorischen Imperativ“ sind diese Erkenntnisse in aller Prägnanz manifestiert. Das sind Gewissheiten, die bleiben. Und auf ihnen ist alles aufzubauen, was ein Bleiberecht in der Zukunft reklamiert.
Alles, was derzeit durch den Äther wabert an Dummheit und Ressentiment, an Destruktionsphantasien und Rankünegedanken, an Arroganz und Selbstverliebtheit ist in diesen Archiven der Zivilisation nicht zu finden. Das ist doch Gewissheit genug, um sich nicht vom Fatalismus betäuben zu lassen. Es ist ein Fingerzeig, wie die Erschütterungen des Daseins zu überwinden und ein Weg in die Zukunft zu finden ist. Oder nicht?
