Walter Benjamin schrieb in der Aphorismensammlung „Die Einbahnstraße“, dass man, auch wenn einem nichts mehr einfällt, einfach weiterschreiben soll, es würde sich schon etwas ergeben. Benjamin selbst war ein Meister der geistigen wie schriftstellerischen Montage, wohl am stärksten dokumentiert in seinem Werk über die Pariser Passagen. Die kolportierte Aussage, die, wenn ich sie zitierte, sehr oft Gelächter oder Verwunderung hervorrief, hat zumindest mich immer durch ihre Klugheit bestochen. Ich habe mir die Aussage zu einem Prinzip gemacht. Einfach einmal los schreiben, sich weder durch eine vorgegebene Struktur noch durch ein zu eng gesetztes Thema eingrenzen zu lassen und beim Schreiben zu sehen, was sich da entwickelt.
Ich sehe dabei eine Parallele zu Heinrich von Kleists kurzer Ausführung mit dem Titel „Über die allmähliche Entwicklung der Gedanken beim Reden.“ Im Grunde vollziehe ich seit Jahrzehnten nahezu täglich diese Übung. Die Texte, die dabei entstehen und die einen Großteil der Veröffentlichungen auf Blog M7 ausmachen, sind quasi eine Signatur dessen, was in meinem Kopf bezüglich bestimmter Themenstellungen vor sich geht. Nichts davon ist vorher skizziert, nichts strukturiert. Alles entsteht nach der Maxime Thema – und los. Es sind Etüden meines eigenen Geistes und dem Vermögen oder Unvermögen, diesen in Worte zu fassen.
Alles, was ich vorher versucht habe und machen musste, um akademische Abschlüsse zu erlangen, empfand ich als Fessel. Nicht, dass ich das Erlernen einer Schreibstruktur und Schreibtechnik und einer wissenschaftlichen Herangehensweise für falsch hielte! Ganz im Gegenteil, eine derartige Schule des Denkens sollte größtmögliche Verbreitung finden. Nur meine Fortführung des Schreibens nach der Ausbildung nahm einen anderen Weg. Ich nenne es das Schema Benjamin-Kleist, ohne in den Größenwahn zu verfallen, mich mit diesen beiden Giganten des schreibenden Gewerbes vergleichen zu wollen. Die Freiheit, einen Text beim Schreiben selbst zu weben, hat mir als kleinem Individuum eine Welt eröffnet, in der ich mich täglich bewege und in der, das muss ich gestehen, auch in vielerlei Hinsicht das Schreiben eine therapeutische Wirkung erzeugt. Wenn ich schreibe, ertrage ich die Welt besser, als wenn ich sie nur betrachte und mich nicht dazu verhalte.

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