In der Fortentwicklung allen Lebens, auch des sozialen und politischen, geht es weder um Schuld noch um Moral. Es sind andere Gesetze, die das menschliche wie gesellschaftliche Handeln bestimmen. Da sind einerseits Grundbedürfnisse, im individuellen wie im gesellschaftlichen Bereich, die gestillt werden wollen und es erwachsen in diesem Prozesse auch soziale und kulturelle Anliegen, die beachtet werden wollen und die mit dem Begriff des Interesses sehr gut beschrieben sind.
Alle politischen Subjekte, von denen heute in den Geschichtsbüchern zu lesen ist, sind von dieser Erkenntnis geleitet worden. Und sie haben, indem sie Interessen vertreten haben und sich ihrer eigenen Wirkungsmacht bewusst waren, Dinge schaffen können, die überdauerten. Und andere, die sich ihren Wunschvorstellungen hingegeben haben, sei es in Bezug auf die Allgemeingültigkeit ihrer eigenen Moral oder in der Identifizierung des Bösen, das anders war als sie selbst, stehen auch in den Geschichtsbüchern, allerdings auf den Seiten, auf denen das Scheitern verewigt ist.
Nehmen Sie ein Beispiel Ihrer Wahl und spielen es durch! Welche Subjekte und Entitäten haben konsequent ihre Interessen vertreten und sich im Rahmen ihrer eigenen Wirkungsmacht um ihre Erfüllung bemüht und wer wurde von Missionarismus geleitet und hat sich sich und seine Möglichkeiten überschätzt? Spielen sie es durch, vom großen Alexander, über Napoleon bis zu Hitler. Und denken sie daran, dass selbst die Dinge, die lange funktionieren, irgendwann anfangen fehlerhaft zu sein, schleppend werden und einem Phänomen unterliegen, das sehr gut mit dem Begriff der strategischen Überdehnung beschrieben ist. Von Rom über das British Empire bis hin zu den USA.
Es hilft allerdings überhaupt nicht, sich die Fälle von Gelingen und Scheitern anzusehen und bei dem einen oder anderen Fall zu trauern oder sich schadenfroh die Hände zu reiben. Diese Übung vermittelt nur dann Sinn, wenn sie in einer sehr enthaltsamen Weise das gegenwärtige politische Geflecht auf der Welt beschreiben! Als neutrale Beobachter quasi! Wie handeln die Protagonisten, vertreten sie die Interessen ihrer Länder im Rahmen der eigenen Wirkungsmacht? Sind manche vielleicht bereits strategisch überdehnt? Und wer ist dabei, in Wunschvorstellungen, Selbstüberschätzungsszenarien und einer Ungewissheit über die eigenen, essenziellen Interessen auf der Weltbühne herumzutaumeln?
Namen müssen nicht genannt werden. Die Frage ist, inwieweit die verschiedenen Gesellschaften und ihre Mitglieder in der Lage sind, ihre eigene Politik mit den hier entwickelten Maßstäben zu beurteilen. Das ist das entscheidende Kriterium. Wer mental der Illusion folgt, kann das Ruder nicht herumreißen. Nur wer der eigenen Realität den Platz einräumt, der ihr gebührt, hat eine Chance, nicht auf den Seiten der Geschichtsbücher, auf denen das Scheitern illustriert wird, zu erscheinen.
Sehen, was tatsächlich ist, machen, was tatsächlich geht und das tun, was sein muss. Wie war das noch mit dem Schulgeheimnis der Hegel´schen Philosophie? Alles, was vernünftig ist, muss sein!
