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Alte Katzen, wild wie eh und je

Guru Guru. Electric Cats

Bestimmte Bands erscheinen nie in den Charts und dennoch bilden sie bestimmte Epochen mehr als die viel beachteten. Sie erscheinen wie aus dem Nichts, um mit ihren ersten Signalen zu verstören, sie setzen neue Trends und bleiben ihrer Linie treu. Die Band Guru Guru um den Schweizer Schlagzeuger Mani Neumeier ist ein solcher Fall. Sie wurde 1968 gegründet und verstörte vom ersten Auftritt an das Publikum. Das liegt natürlich an ihrem Repertoire, das von immer neuen, andersartigen, bizarren und frivolen Inspirationen lebt. Mani Neumeier war es, der früh nach Bali reiste, um dort mit Gamelan-Orchestern zu experimentieren. Von dort stammt auch der Name, Guru-Guru ist im Javanischen, das starke Wurzeln im Sanskrit hat, der Plural von Lehrer. Die Band lebt bis heute in Finkenbach im Odenwald und die jährlichen Open-Air-Festivals dort haben wie die Band selbst seit Jahrzehnten Kult-Charakter.

Heute, nach 45 Jahren Bandexistenz, erscheint das insgesamt 30. Album mit dem Titel Electric Cats. Damit hat die Band, durch die unzählige verwegene wie exzentrische Mitglieder wie durch einen Durchlauferhitzer gegangen sind, ein Fazit gezogen, das der alten Linie treu bleibt: Experimentell und gegen den Mainstream, musikalisch exzellent, rockig, psychedelisch und immer auf dem Korridor zur Weltmusik. Dafür sorgen neben Mani Neumeier wieder einmal Roland Schaefer, der seine eigenen Akzente mit dem indischen Blasinstrument, dem Nadaswaram setzt, Hans Reffert, der Lucifer an der Gitarre, der immer wieder bizarre Schleifen durch den Electric Blues zieht, die Gäste Ax Genrich und Helmut Hattler sowie Peter Kühnstedt, der den Bass aus dem Industriezeitalter gerettet hat.

Die einzelnen Stücke sind eine Referenz an den eigenen musikalischen Reichtum. Return Of The Platypus ist eine Kurzrevue über die eigene Entwicklung des originär in der Geschichte der Band verhafteten Rock, der Titelsong, Electric Cats, verzaubert durch seine psychedelischen Eskapaden und verrät etwas über das mentale Konzept von Guru Guru, Rock `N`Roll Machine knallt auf die wurmstichigen Ohren eines jeden Altrockers, Sweet Orbit erinnert an die bewusstseinsverändernden Experimente, Afghani weist auf die Affinität zu asiatischen Erzählweisen hin, A Trip To Gurustan transportiert Jazzelemente in die narrativen Muster von Nomaden, Drumoroto2 zeigt, wie der in Japan mit soviel Respekt verehrte King Of Drums, Mani Neumeier, entlang der Hendrix-Riffs Hans Refferts trotz der überschrittenen 70 mühelos wandern kann, African Beauty vermittelt den unbekümmerten Groove aus der Wiege des Blues, Psylo wirkt wie eine böse Erinnerung an die Magic Mushrooms aus dem Odenwald und Little Figatree, der letzte Song, schafft einen Zugang zu der großartigen Infantilität dieser Musiker, ohne die nie etwas wirklich Neues entstehen könnte, und natürlich souffliert diese Botschaft das Nadaswaram.

Guru Guru haben mit ihrem 30. Album unter Beweis gestellt, dass sie nach wie vor einen Weg gehen, der sich um keine Trends schert. Da werden Traditionen dazu benutzt, um sie einmal anders zu denken und auszuprobieren, wohin das alles führen kann, wenn die Weisen nicht festgeschrieben sind. Das ist vielleicht mutiger denn je, denn als die Band 1968 entstand, wartete die ganze Welt auf kulturelle Veränderungen und arrangierte sich mit den Schocks, die das Neue verursachte. Heute ist das Neue wie der Schock verpönt, für Guru Guru ist beides nach wie vor nichts als ein notwendiger Auftakt.