Im Deutschen existiert eine Formulierung, mit der das, was sich momentan in der Parteienlandschaft abzeichnet, sehr gut beschrieben werden kann. Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Damit ist das unsinnige Unterfangen gemeint, etwas Schlechtes mit etwas anderem Schlechten bekämpfen zu wollen. Manchmal mag das zwar gelingen, kurzfristig, in der Regel ist es aber zum Scheitern verurteilt. Allerdings kommt es so häufig vor, dass sich sogar über einen großen Zeitraum eine Redewendung dafür etabliert hat. Und momentan, da treibt die Bundesregierung, aus Sorge vor dem Abschneiden bei anstehenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl 2017, in vielerlei Hinsicht mit dem Teufel den Beelzebub aus. Besserung ist nicht in Sicht und der Schaden, der damit angerichtet wird, wird groß sein.
Das wohl prominenteste Beispiel für diesen Mechanismus liefert die Befürchtung, plötzlich könnten wieder größere Mengen von ungerufenen Schutzsuchenden, Einwanderern, Flüchtlingen vor den Toren stehen. Diese, 2015 für bundesrepublikanische Verhältnisse große Zahl von ca. 1 Million, hat die Gesellschaft tief gespalten. Einerseits ist nach einer anfänglichen Überforderung der Bürokratie dann doch ein relativ gut funktionierender Prozess daraus geworden, bürokratisch. Was die tatsächliche Integration anbelangt, ist es noch viel zu früh, um das Gelingen oder Misslingen evaluieren zu können. Was allerdings bestimmte Parteien nicht davon abgehalten hat, ein ungeheures Desaster zu beschreiben und an die Wand zu malen.
Die Zeichnung war so groß und so furchterregend, dass die Kanzlerin von ihrer positiven Prognose der Eingliederung abwich und mit der Türkei ein Abkommen einfädelte, das die Flüchtenden an der syrischen Grenze oder in der Türkei festhielt. Das Versiegen des so genannten Flüchtlingsstroms hat dazu geführt, das geglaubt wird, man könne die Gefahr als gebannt bezeichnen und somit wieder vor die zum Teil beunruhigte Wählerschaft treten. Der Pakt mit Präsident Erdogan hat sich allerdings als ein Pakt mit dem Beelzebub erwiesen. Um die Erzählung von dem gebannten Flüchtlingsstrom weiter erzählen zu können, werden Erdogan Dinge zugebilligt, die das Ansehen der Bundesregierung bei einem anderen, ebenfalls großen Teil der Bevölkerung erheblich beschädigt.
Es werden nicht nur Menschenrechtsverletzungen in der Türkei hingenommen, sondern nahezu alles, was als Konsens für die demokratische Gesellschaft als gegeben gilt. Die Verfolgung und Kriminalisierung von Journalisten und Richtern, die Festnahmen ohne Haftbefehl, die Inhaftierungen ohne Prozess und jüngst eine schwere Verletzung des Völkerrechts durch das militärische Überschreiten der syrischen Grenze ohne Kriegserklärung und die Bekämpfung der kurdischen Peschmerga, ihrerseits unterstützt durch die ebenfalls NATO-Mitglieder USA und Deutschland. Alles, was der Despot vom Bosporus treibt, wird toleriert, Hauptsache, es kommen keine Flüchtlinge mehr ins Land. Die neueste Posse dieses fehlgeleiteten Verhaltens der Bundesregierung ist die Relativierung der im Bundestag verabschiedeten Armenien-Resolution, in der die Türkei des Völkermords angeklagt wird. Es wird besänftigt und appeased, was das Zeug hält.
Grundlage dieser untauglichen wie aberwitzigen Haltung sind Annahmen, die die demoskopischen Institute liefern, die alle Negativtrends mit der Flüchtlingsbewegung korrelieren. Was jedoch diese positivistischen Hurra-Agenturen nicht auf dem Radar haben, ist der schwerwiegendste Aspekt, unter dem die Regierung zu leiden hat, nämlich dem der Glaubwürdigkeit. Und alles, was sie treibt, um die vermeintliche Gefahr zusätzlicher Flüchtlinge zu verhindern, wirkt bei vielen Wählerinnen und Wählern bereits weitaus schwerer als die geglaubte Gefahr. Die Liaison mit Erdogan sorgt für mehr Unmut als die Flüchtlingsfrage. Der Wählerschaft geht es zunehmend um Haltung, man mag es kaum für möglich halten, aber es ist so.
