Jetzt liegen sie im Schatten, sie suchen die Kühle, verzweifelt wegen etwas, dass sich als eine Hitzewelle nach der anderen manifestiert. In der gesegneten, gemäßigten Zone dieser Welt, in der das Phänomen seit Beginn der Moderne nicht mehr wahrgenommen wurde. Die Erschwernisse, die sich durch anhaltende Hitze ankündigen, werden verstärkt um die generelle Sorge um das Weltklima. Dass dieses Phänomen auf anderen Kontinenten seit ewigen Zeiten herrscht, das dort extreme Wetterbedingungen das angenehme Dasein in einer saturierten Zivilisation nicht ermöglichte, reiben sich die Menschen die Augen, wenn sie die Reaktionen aus Europa oder den USA lesen.
Was? Euch ist zu heiß? Kommt mal nach Mumbai oder Delhi, nach Jakarta oder Manila, dann könnt ihr lernen, wie man damit umgeht, dann könnt ihr lernen, was es heißt, unter erschwerten Bedingungen das tägliche Dasein zu fristen. Und jetzt, wo es euch ein bisschen warm wird, fangt ihr damit an, uns vorzuschreiben, wie wir unser Leben gestalten sollen? Wie wir sparsam mit Ressourcen umgehen sollen, die ihr über Jahrhunderte von unserem Terrain gestohlen und verschwendet habt, als gäbe es kein Morgen mehr? Was meint ihr, wie wir auf so etwas reagieren sollen? Ihr seid die Zivilisation? Ihr habt die Vernunft im Gepäck und ihr wisst, wie es weiter gehen soll?
Wie immer, wenn es um das geht, was aus der Selbstbetrachtung der regelbasierte Westen ist, kann nur eines einen Weg zeichnen, der vielleicht in der Lage wäre, eine neue Perspektive zu entwickeln. Es ist der Perspektivenwechsel. Der von einer euro- und us-amerikanischen Betrachtungsweise zu einer globalen. Ja, dieser Westen führte das Credo für eine unbeschränkte Entwicklung globaler Strukturen immer im Mund. Gemeint waren freie Märkte, der Zugriff auf Ressourcen, die Diversifizierung von Lieferketten und die Rückführung von Wohlstandsschrott in die Regionen, aus denen die edlen, für die Produktionsweise lebenswichtigen Rohstoffe einst kamen.
Ist es verwunderlich, dass sich mit Blick auf die Weltkarte neue Konstellationen herausgebildet haben, die dabei sind, die Dominanz des Westens zu beenden? Was spricht dafür, dass die Länder, die momentan so fahrlässig als die des globalen Südens bezeichnet werden, die akuten Nöte der alten Kolonialmächte und ihrer neuen Bündnisse als kompatibel mit ihren ureigenen Interessen identifizierten? Seien wir ehrlich: Nichts!
Ein geneigter, oder zumindest ein interessierter Blick auf die Reaktion der westlichen Forderungen und Avancen würde zeigen, wie sehr man es dort leid ist, den eigen Schweiß, die eigenen Ressourcen und das eigene Schicksal wieder einmal zu opfern für die so angepriesene Zivilisation, die ihnen bis dato nichts einbrachte als die Plünderung der eigenen Ressourcen, die Vernichtung ihrer eigenen Lebensgrundlagen und die Installierung von Regierungen, die ihrerseits dieses Spiel mitspielten und die eigene Bevölkerung knebelten.
Aber diese Geschichte, die nahezu alles erklärt, was die Perspektiven des Westens momentan so düster macht, hat es dort zum Tabuthema geschafft. Wer darauf verweist, wird als Feind der Demokratie bezeichnet. Niemand verfalle dem Irrtum, diese Zusammenhänge würden dort, wo sich die neue Kräfte formieren, nicht registriert. Die eigene Nabelschau, die nahezu alles überstrahlt, ist das Hindernis, das einer neuen, vielleicht für alle akzeptablen Weltordnung im Wege steht. Wer dann noch daran glaubt, mit der Drohung von Gewalt die Lage verbessern zu können, der hat, global betrachtet, die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
