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Danger Zone

Es ist die Stunde der Psychodynamik. Alles, was aus dem Feld der kühlen Argumentation in den Blick gerät, hält einer Überprüfung kaum noch stand. Alle auf Unwissenheit basierenden Versprechen hinsichtlich des Corona-Virus haben sich als Wunschdenken herausgestellt. Unabhängig von Impfstoffen und deren Wirkung, unabhängig von Verhaltensregeln und unabhängig von selbst an den Tag gelegter Disziplin. Das führt zu Verstörung, Verzweiflung und Wut. 

Gleichzeitig, ja immer wieder gleichzeitig verhandelt eine Koalition in spe ihre Eckpunkte, damit daraus ein Regierungsprogramm werden möge, von dem im Moment niemand weiß, wie es sich letztendlich auswirken wird. In Glasgow versammeln sich das weltweite Klima-Management und berät über Maßnahmen, die die nationalen wie internationalen Prozeduren, wenn sie denn in der jetzigen Form beibehalten werden, nicht in den geplanten Fristen werden umsetzen können.

Im südchinesischen Meer spitzt sich ein Konflikt geostrategischer Reichweite zu, bei dem sich die Kriegsschiffe des Westens und Chinas gegenüberstehen. An der Grenze zwischen Belarus und Polen spielen sich Tragödien ab, die die Renaissance des Konflikts zwischen West und Ost und die Zerrissenheit innerhalb der EU illustrieren. Und auch in der NATO weiß niemand mehr so genau, ob nicht Mitglieder aus dem eigenen Bündnis mit der vermeintlichen Gegenseite im Geheimen kooperieren.

Die USA erleben momentan die größte Streikwelle seit Jahrzehnten, die sich gegen die Auswirkungen des glorreichen Endes der Geschichte richten und in Frankreich ist im Vorfeld der anstehenden Präsidentschaftswahlen der Roulette-Tisch angerichtet. Da steht der amtierende Kandidat des Wirtschaftsliberalismus nun gegen die ganze Gesellschaft, die ihrerseits, wie fast überall im Westen, tief gespalten ist. So, wie es aussieht, geht es da nur noch um Noir oder Rouge, ein Dazwischen existiert nicht mehr. 

Und in China kocht ein heißer Richtungsstreit zwischen Militärs, dem freien Unternehmertum und dem Präsidenten. Es geht um geostrategische Ziele, es geht um die Ordnungsfunktion der Kommunistischen Partei und es geht um die Einheit des bevölkerungsreichsten Landes des Planeten. In Russland scheint die unangefochtene Ära des Präsidenten Putin längst vorbei zu sein, auch wenn im Westen diese Botschaft noch nicht angekommen zu sein scheint. Die jüngsten Wahlen haben gezeigt, dass auch dort die Spaltung der Gesellschaft rasante Züge angenommen hat. Auf der einen Seite erhalten orthodox-monarchistische Sammlungsbewegungen zunehmend Zuspruch, auf der anderen Seite ist eine sehr veränderte, verjüngte Kommunistische Partei die Gewinnerin der Stunde. Wirtschaftsliberale nach westlichem Muster bekamen keine zwei Prozent.

Eine innerlich mehr und mehr angeschlagene Türkei versucht die große Unordnung zu nutzen und strebt international nach alter osmanischer Bedeutung, in Afghanistan gärt es, aber ohne Einfluss des Westens, Syrien scheint sich zu stabilisieren, der Irak findet zu keiner Identität, in Chile steht es wieder einmal Spitz auf Knopf, die Versuche, Venezuela zu kapern sind gescheitert und Kuba hat wieder einmal den Todeskuß der USA verweigert. Die Liste ließe sich fortsetzen, und sie fände kein Ende. So ist es mit der Menschheit, so ist es mit der Komplexität und so ist es, wenn alte Ordnungen zerfallen und die neuen noch nicht in Sicht sind. 

Danger Zone, the world is in an uproar, heißt es in einem alten Lied. Ja, aber wo Gefahr ist, liegen auch Chancen. Nur eines wäre ein schlechter Rat: sich die Welt so zu malen, wie man sie gerne hätte, ohne zu berücksichtigen, welche Einflussmöglichkeiten einem wirklich gegeben sind. Aber dort, wo es möglich ist, hilft Entschlossenheit, und keine Träumerei. Wir leben nicht in der Puppenstube. Soviel ist gewiss.