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Außenpolitik: Von Brunnenfröschen und Ozeanen

Wenn Kriege toben, existiert kein Sommerloch. Und zwei Ereignisse werden den Verlauf der vor uns liegenden Woche prägen. Zum einen die Entscheidung der Bundesregierung, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, die in Gaza eingesetzt werden könnten. Unterstellt man, dass es sich dabei um eine ernst zu nehmende Meldung handelt, weil dem Kaufmann Krieg nie zu trauen ist und das Tötungshandwerk immer den Weg zu seiner Nutzung findet, dann wird spannend sein, ob der gegenwärtige Kanzler vom Meinungsmagnaten Springer zum Abschuss freigegeben wird oder nicht. Was vielen eigenartigerweise immer wieder entgeht, ist das Faktum, dass vor allem in der Bildzeitung politische Karrieren gemacht und auch beendet werden. 

Wer sich noch an das Ende des Bundespräsidenten Wulf erinnert, dem fällt zunächst so ein Blödsinn ein wie von Dritten bezahlte Hotelaufenthalte, geschenkte Bobby-Cars und Einladungen zu exklusiven Dinners, aber weniger die Initialzündung, die zu seinem Sturz geführt hatte. Der frevelhafte Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, hat dem Hause Springer, seinerseits dem Staate Israel verpflichtet und verschrieben, gereicht, um die Kampagne zu eröffnen, die den präsidialen Hasen zur Strecke brachte. Bleibt abzuwarten, wie es dem Niederwild Merz in den folgenden Wochen ergeht. Böse Beller aus der eigenen Meute haben sich bereits gemeldet.

Die andere Geschichte wird sich im fernen Alaska abspielen. Wenn dort am kommenden Freitag der amerikanische und der russische Präsident zusammentreffen, wird es um das weitere Schicksal der Ukraine gehen. Was bereits heute vielen gegen den Strich geht, ist die Realität, die diesem Treffen zugrunde liegt. Dass nämlich der Konflikt, der zu einem Jahre währenden Krieg geführt hat und unter dem vor allem die Ukraine leidet, durch ein Kräftemessen derer, die dort verhandeln werden, verursacht wurde. Russland wollte aus sicherheitspolitischen Erwägungen die strategische Tiefe gewahrt wissen und keine erneute Erweiterung der NATO vor seiner Tür und die damalige amerikanische Administration wollte Russland zeigen, wer der Koch und wer der Kellner ist. 

Die Forderungen Russlands haben sich nicht geändert, der neue amerikanische Präsident will die Beziehungen zu Russland einigermaßen normalisieren, um es aus der Allianz mit China wieder etwas herauszulösen. Das sind geostrategische Motive, bei denen die Ukraine ein kleines Steinchen ist. Mehr nicht. 

Dass das wiederum den irregeleiteten Medialstrategen in Deutschland und dem EU-Kordon gar nicht gefällt, ist seit langem bekannt. Dass besagtes Ensemble strategisch so lange in den Ofen schaut, als man der Illusion anhängt, als Schwanzfortsatz der USA die Neuaufteilung der Welt mit einer anderen Ordnung formidabel überleben zu können, weiß man übrigens in Washington wie in Moskau. Doch wer wie Provinz denkt, bleibt Provinz. So einfach ist das. Für manche der Handelnden ist das allerdings eine Weisheit, die mit Hochverrat gleichgesetzt wird.

Folglich werden wir besonders hinsichtlich des bedeutenden Treffens in Alaska hierzulande wieder Zeugen sein, welcher semantische Unrat vor allem die deutsche Debatte um einen passablen Weg im internationalen Gefüge dominiert. Da werden wieder Hobby-Experten von schlecht gespielten Journalisten interviewt werden und ihren Unsinn zum besten geben. 

Und wieder, ob im Falle Gazas oder der Ukraine, wird einem nichts übrig bleiben als resigniert das kluge Wort aus Asien zu zitieren: Mit einem Brunnenfrosch kann man nicht über den Ozean reden.  

Trump: Erleichterung wie Entsetzen

Es kann durchaus vorkommen, dass derselbe Akteur durch sein Handeln auf der einen Seite Erleichterung und auf der anderen Entsetzen auszulösen imstande ist. Der amerikanische Präsident Donald Trump führt momentan eine solche Übung vor. Nicht, dass jemand auf die Idee käme, der Mann sei konzeptionell erratisch. Nein, nur ist er kein Politiker, der in einem bestimmten Setting sozialisiert wurde und so etwas wie den gesellschaftlichen Zeitgeist in sich trüge. Nein, Donald Trump ist eine Registrierkasse, die konsequent der eigenen Logik folgt. Zwar schmückt er zuweilen seine Absichten mit humanistischen oder freiheitlichen Girlanden, aber das ist unwesentliches Beiwerk.

Sein Versprechen, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden, entspricht der Strategie, die direkte Konfrontation mit Russland zu beenden und das zu spielen, was in Washington mittlerweile unverblümt die russische Karte genannt wird. Bei der Formulierung handelt es sich um eine Anspielung auf die von Richard Nixon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als chinesische Karte bezeichnete Politik, d.h. eine freundliche Annäherung an die Volksrepublik China, um den Hauptkonkurrenten UdSSR zu schwächen. Und Donald Trump geht es um genau das: ein Modus Vivendi mit Russland zu schaffen, um die wachsende Allianz von China und Russland zu schwächen. Und dass in der Ukraine Seltene Erden auf Bergung warten, die man momentan aus China beziehen muss, ist eines der Argumente, das die Kasse klingeln lassen könnte. So könnte eine Prognose lauten, dass der jetzige Frontverlauf zur neuen Grenze zwischen Russland und der Ukraine wird, langfristige Verträge über die Lieferung Seltener Erden geschlossen werden und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vom Tisch ist. Und glaube bitte niemand, dass eine derartige Finalisierung des Konfliktes in der Ukraine wie in Russland zu großer Verzweiflung führen würde! 

Und was bei dem erwähnten Konflikt zu großer Erleichterung bei vielen Menschen in Europa führen würde, löst bei Trumps Vorstellungen über die Möglichkeit der Neugestaltung des GAZA-Streifens Entsetzen aus. Da beinhaltet der Rausch eines Immobilienmaklers den größten Bruch des Völkerrechts und aller humanitärer Prinzipien im 21. Jahrhundert. Mal eben die zwei Millionen Palästinenser nach Ägypten und Jordanien verfrachten und den einstigen Lebensraum, der in eine Kriegswüste verwandelt wurde, zu planieren und dort eine Luxuslandschaft für globale Couponschneider entstehen zu lassen, ist an Zynismus tatsächlich mit dem zu vergleichen, was anlässlich der vielen Gedenkfeiern zur Befreiung von Auschwitz noch einmal in vielen Beiträgen geschildert wurde: genauso menschenverachtend und genauso technokratisch. Dass bei der Entwicklung dieser Vision ein israelischer Premier applaudierend daneben steht, zeigt, wie vieles andere, dass Akteure wie Opfer des letzten welthistorischen Debakels nichts aus dem Desaster gelernt haben. Nichts. Gar nichts.

Und so ist es kein Wunder, dass in der westeuropäischen politischen Nomenklatura momentan große Verwirrung herrscht und längst deutlich geworden ist, dass sowohl die alten wie die schnell entworfenen neuen Konzepte, die irgendwie die bestehende „Ordnung“ aufrecht erhalten wollen,  untauglich sind. Alle, die sich in der Vergangenheit als Experten haben profilieren können, schauen nun ratlos umher und stürzen sich auf alles, was sich bewegt, um zu beweisen, dass sie noch da sind. Nur beeinflussen können sie nichts mehr. Wenn sie ehrlich wären, würden sie den alten Spruch bemühen, der da besagt, dass da höhere Mächte am Werk sind, die den weiteren Gang bestimmen werden und man selbst keinen Einfluss hat. Die Namen dieser Mächte sind bekannt, nur wollen die kleinen Figuren auf dem Brett sie nicht nennen. Würde ja auch die eigene Bedeutung erheblich schmälern. 

Deutsche und Muslime: Farbe bekennen!

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat die Hinrichtung eines amerikanischen Journalisten und die Publikation dieser Tat über YouTube verurteilt. Gut und selbstverständlich. Bei allem, was momentan verschiedene Regionen dieser Welt bewegt, die Muslime sind mit in der Haft. Das muss ihnen klar sein. Noch vor kurzem wurde auf dieser Seite formuliert, wer davon ausgehe, dass die 1,5 Milliarden Muslime auf dieser Welt alle mit dem im Namen des Islam operierenden Terrors sympathisierten, der solle lieber Tauben züchten. Es kam eine Replik, die sich auf einen kanadischen Psychiater berief, der das Schweigen als emotionale Mittäterschaft kategorisierte. Man muss nicht darüber streiten, so entstehen manchmal sogar Gemeinsamkeiten: Die Muslime auf dieser Welt sind längst in der Pflicht, was die Distanzierung von den barbarischen Aktionen des Terrors angeht. Jetzt kommt es auch auf Gesellschaften wie die türkische an, um zu zeigen, ob die Botschaften einer eigenen kulturellen Aufklärung bereits die Schwelle überschritten haben oder nicht.

Trotz des ISIS-Terrors im Irak stösst die Ankündigung der Bundesregierung, den kurdischen Peschmerga Waffen liefern zu wollen, damit sie sich gegen das Vordringen des sunnitischen Terrors wehren können, auf Widerstand. Das letzte Relikt der vermeintlichen Lehren aus der faschistischen Vergangenheit, als Staat keine Waffen in Krisengebiete liefern zu wollen, ist gefallen. Um es gleich zu sagen: Die Lehre war deshalb vermeintlich, weil sie falsch war und genau das befördert, was den Terror begünstigt. Das Schweigen im Gefühl des Unwohlseins beflügelt Machtmissbrauch und Terror. Da keimen dann doch Analogien zu den Ausführungen jenes kanadischen Psychiaters auf, der aus der Duldsamkeit eine Mitschuld ableitet. Und dann stellt sich die Frage, ob die Deutschen, die mit Waffengewalt vom Faschismus befreit wurden, nicht andere Lehren aus der Geschichte hätten ziehen müssen als diesen halb garen Pazifismus, der ausgerechnet dann zu Fall kommt, wenn mit einer verlogenen Moral operiert wird.

Da wäre es wahrscheinlich hilfreicher, sich Gedanken darüber zu machen, was dieses Land selbst ist und will und welche Politik sich daraus ableitet. Zu lange, allzu lange hat Deutschland sich darüber definiert, was es nicht will. Wenn es etwas wollte, dann wurde das meistens im Windschatten anderer angestrebt, Eigeninitiative in einem gestalterischen Bereich war immer fehl am Platze. Angesichts der momentanen Situation im Irak eine Grundsatzdebatte darüber zu führen, ob es nicht den Grundsätzen der Republik widerspräche, so etwas zu tun, ist schlichtweg feist. Diese Haltung muss heute noch jedem Russen und Amerikaner, deren Nationen in einen dreckigen Krieg gegen die Barbarei gingen, wie Hohn von Wohlstandsverwahrlosten in den Ohren klingen.

Wir hier, im Zentrum Europas, können angesichts der Kriege und Bürgerkriege, die in der Ukraine, in Syrien, im Irak und in Israel/Gaza momentan die Welt erschüttern, eine ganze Menge lernen. Nur sollten wir es wollen. Man kann nicht, und das ist die Kritik an der Bundesregierung, wie ein Mundräuber durch die Weltgeschichte streunen und sich hier und da ein Häppchen genehmigen. Das können Steuerparadiese, aber keine Nation wie die deutsche. Diese muss formulieren, was sie will, in Bezug auf die Werte, ideell wie materiell. Diese Diskussion ist längst überfällig. Insofern existiert tatsächlich eine psycho-analytisch zu betrachtenden Analogie zwischen den Muslimen auf dieser Welt und den Deutschen. Beide müssen Farbe bekennen.