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Luftschläge auf Verdacht

Endlich. Endlich ist wieder Verlass auf die USA. Denn sie haben des nächtens eine syrische Militärstation mit Raketen beschossen und dabei vier Soldaten getötet. Shit happens. Laut Präsident Trump handelte es sich um eine Reaktion auf die vermeintlichen oder mutmaßlichen Giftgaseinsätze der syrischen Armee gegen Zivilisten. Amerika hat die Beweise. Und diesmal zweifelt niemand diese Beweise an. Vorgelegt werden sie aber nicht. Folglich keine UN-Resolution, die den Schlag legitimierte. Nein, aber das Imperium braucht das auch nicht. Und wer völkerrechtswidrig seit Jahrzehnten weltweit militärisch operiert, der braucht von solchen Quasselbuden wie den UN auch kein Mandat. Bullshit!

Genau ist es zu beobachten, wie die hiesigen Proklamatoren der Wertegemeinschaft genau diesen Ton des Offizierscasinos treffen. Sie möchten Rache für eine Urheberschaft, die bis dato nicht erwiesen ist. Fakten müssen auch niemanden mehr interessieren. Am Vorabend der Luftangriffe drängte die sich stets auf Moralin befindende Marietta Slomka den deutschen Außenminister zur Verkündung von Vergeltungsmaßnahmen. Und in einem dreiminütigen Interview musste Herr Gabriel dreimal darauf hinweisen, dass man nichts machen solle, wenn keine Beweise vorlägen. Das verdross die Dame.

Und Sascha Lobo, der sich als die Expertise schlechthin der Digitalisierung zu vermarkten versteht, machte in einer Kolumne wieder einmal deutlich, dass das Binäre eine gefährliche Reduktion des menschlichen Geistes verursachen kann. Er brachte es ohne Schamesröte und ohne intellektuelle Zweifel fertig, diejenigen, die einen Beweis für die Mutmaßung forderten, als Populisten zu brandmarken. Solch einen Unsinn kann man nur verbreiten, wenn die Medien in den Händen der Falschen sind und wenn sich ein Geist breit gemacht hat, der die professionellen Basics des Journalismus schon längst in die Latrine geworfen hat.

Ach ja, die Quellen. Und nein, eine Distanzierung von einem Giftgaskrieg ist nicht vonnöten vor denen, die seit Jahren auf das Völkerrecht pfeifen, die an jede noch so durchgeknallte Terrorgruppe Waffen jeder Art frei Haus liefern und mit irgendwelchen Arbeitsplätzen argumentieren. Das ist die Logik, die KZs möglich gemacht hat. Es ist an der Zeit, deutlich zu machen, wie schlecht die Gesellschaft ist, die sich da anmaßt, sich moralisch über irgendetwas zu erheben. Sie ist der Superlativ, wenn es darum geht, Werte zu diffamieren und zu beschädigen. Ach ja, die Quellen: Als Quellen für den Giftgasangriff auf Zivilisten werden so genannte Rebellen genannt. Nur sollte man wissen, dass dieselben Rebellen hierzulande als Gefährder gelten würden, weil sie Mitglieder terroristischer Vereinigungen sind. Weil sie menschliche Geiseln genommen haben, weil sie sich bewaffnet in Kindergärten und Krankenhäusern verschanzt haben.

Dass Mutti auch ohne Beweise davon ausgeht, das der Russe hinter allem steckt, und dass wir wissen, dass Mutti keine Drogen nimmt, ändert nichts an der Tatsache, dass wir schwer Traumatisierten nicht so hohe Ämter anvertrauen dürfen. Dass die gesamte Meinungsmache so unterwegs ist, lässt allerdings vermuten, dass neben den vielen Spesen, die von den kriegstreibenden Thinktanks beglichen werden, auch wieder psychedelische Drogen mit im Spiel sein müssen. Der Fliegenpilz ist im Land des Wadlmythos besonders beliebt. Da steigt das Bild von einer Wahrheit aus den wabernden Nebeln, das mit so schlichten menschlichen Eigenschaften wie Vernunft, Redlichkeit und Maß nicht mehr zu erfassen ist.

Hasard am Tisch der Sicherheit

Die Münchner Sicherheitskonferenz hat eine lange Tradition. Sie stammt aus Zeiten, als man befürchten musste, dass überall auf der Welt ein Funken hätte reichen können, um einen globalen Brand zu entfachen. Es war die Phase, als sich zwei unangefochtene Supermächte gegenüber standen und eine bipolare Welt nicht nur Gefahr, sondern auch eine große Übersichtlichkeit schuf. Mit der Bewegung der Blockfreien, in der Länder wie China und Indien, aber auch wie Jugoslawien präsent waren, wurde die Situation erstmals aufgebrochen und heute, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor einem Vierteljahrhundert, wird die Welt neu geordnet. Die USA reklamieren die globale Herrschaft, wogegen sich immer mehr von den USA so genannte Regionalmächte wehren, weil sie gelernt haben, ihre eigenen Interessen zu identifizieren.

Die ehemalige Sowjetunion, einst Hauptkonkurrent der USA, verlor beträchtliche Anteile an Land und Bevölkerung. Die Abtrennung ehemals föderierter Republiken und ihre Deklaration als souveräne Staaten war eine logische Folge nach Jahrzehnten der Bevormundung. Ihre Hinwendung zum Westen vielleicht ebenso. Ihre nahezu komplette, in unterschiedlichen Formen vollzogene Assoziierung mit der NATO, dem Militärbündnis des Westens unter Führung der USA, hat dazu geführt, dass das nach den ruinösen Jahren einer libertäten Wirtschaftspolitik unter Jelzin und des IWF wieder erstarkte Russland darin eine Form der Einkreisung sah, die nichts Gutes verhieß.

Die Ukraine bedeutete für eine derartige Analyse den casus belli. Während Russland zum ersten Mal Njet sagte, expandierte die NATO mit schwerem Geschütz bis vor dessen Haustür. Die Doktrin von der Sicherheitslinie, die vom Baltikum bis zu Georgien am Schwarzen Meer reicht, ist nahezu zu einer realen Existenz geworden. So trennt die NATO militärisch Russland vom Rest Europas. Mehr Bedrohung lässt sich nicht inszenieren. Während Russland darauf reagiert hat, liegt die Europäische Union, die von Anfang an den Einkreisungsprozess eskortiert hat, derweilen mit eigenen Problemen auf Kniehöhe.

Nichtsdestotrotz ist der Auftritt der Bundesverteidigungsministerin beachtlich. Sie macht nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Syrien-Krise immer wieder Russland verantwortlich. In Syrien geht es um Öl und den damit assoziierten Konflikt zwischen Saudi Arabien und dem Iran, und natürlich, wie immer, um die Interessen der USA. In einem solchen Kontext eine Brandrede gegen Russland zu halten, das verantwortlich für das Elend in Syrien sei, ist abenteuerlich. Die Einschätzung des Generals a.d., Harald Kujat, die Möglichkeit eines Waffenstillstandes sei einzig und allein auf die Intervention Russlands zurückzuführen, steht dem diametral entgegen.

Wie schon so oft in der Vergangenheit lässt sich aus den bisherigen Statements in München eine Auseinandersetzung innerhalb des westlichen Lagers vermuten, die zum einen eine Deeskalation mit Russland zum Ziel hat und eine andere der Befeuerung des Unüberbrückbaren. Das Lager ist gespalten und die deutschen Vertreter ebenso, bis in die Regierung. Während von der Leyen immer wieder auf den Eskalationsknopf drückt, versucht Steinmeier ein Rest an diplomatischer Friedensarchitektur zu retten, allerdings, während Gabriel weitere Waffenlieferungen genehmigt. Das sieht eher nach einem gewissen Chaos als nach einer fein abgestimmten und spitzfindigen Rollenverteilung aus.

Abgesehen von den deutschen Irrläufern in diesem Prozess wird deutlich, dass die USA den Konflikt nutzen wollen, um Russland wieder zu schwächen. Angesichts der momentanen Konstellationen ist das allerdings nicht so einfach möglich. Es sei denn, man schickte saudische Truppen direkt nach Syrien, dann ist eine Kettenreaktion gewiss. Wer über so etwas räsoniert, der will mehr als einen Regionalkrieg.

Gleich siamesischen Zwillingen

Die Welt treibt sich die Augen. Deutschland mutiert von einem Musterknaben westlicher Bündnisse in relativ kurzer Zeit zu deren Fratze. Dogmatismus bestimmt die Politik. Fremdenfeindlichkeit erfasst unterschiedliche Schichten und große Teile der Gesellschaft und Aggressivität nach außen wird zum Markenzeichen. Das Absurde: Die Eindrücke, die Deutschland derzeit in die Welt vermittelt, korrespondieren nicht unbedingt mit den konkreten Erfahrungen, die Fremde machen, wenn sie nach Deutschland kommen.

Die nämlich berichten von einem zivilisierten Land, das durchaus gastfreundlich sein kann. Gerade Briten und Franzosen, Feinde aus zwei Weltkriegen, sind dabei ihr negatives Deutschlandbild kräftig zu revidieren. Immer mehr Menschen aus dem Westen machen Urlaub hierzulande und sie verlassen nahezu beglückt ihre neu entdeckten Stätten. Und selbst diejenigen, die von der großen deutschen Politik chronisch und systematisch schlecht behandelt werden wie zum Beispiel die Türken, singen in ihrer Heimat Loblieder auf Almanya.

Bei genauerer Betrachtung der Faktoren, die zur Zeit Entsetzen über Deutschland in der Welt auslösen, fällt auf, dass sie schnell zu lokalisieren sind. Was den Dogmatismus anbetrifft, da sind es vor allem die politischen Kräfte, die für mehr militärisches Engagement in der Ukraine plädieren, seltsamerweise vor allem die Grünen als heutige Inquisitoren ihrer eigenen Moral, dicht gefolgt von Christ- und Sozialdemokraten. Die zweite elementare dogmatische Welle ist die ökonomische, d.h. Teile der Regierung haben sich zum Stronghold der Chicagoer Version des Wirtschaftsliberalismus entwickelt, allen voran der Bundesfinanzminister und seine Kanzlerin.

Dann existieren Segmente außerhalb der etablierten Politik, in denen die Furcht vor einer zu großen Diversifizierung der Gesellschaft zu eigenen Existenzängsten führt. Dieser Prozess trägt, was die daraus entstehenden politischen Ansichten betrifft, fundamentalistische Züge. Um sie zu beschreiben, reichen mittlerweile Bergriffe wie PEGIDA oder Tröglitz. Sie artikulieren ihre Ängste über die Abwertung des Fremden und Andersartigen. Eine solche Bewegung ist für Zeiten wie diese nicht untypisch, auch in anderen Teilen der Welt ist so etwas zu beobachten. Was sich für eine konstitutionelle Demokratie als Boden- und Haltlosigkeit erweist, ist die scharfe Verurteilung des xenophobischen Extremismus durch die regierende Politik einerseits und die Adaption der gleichen durch eben diese regierende Politik Verhaltensmuster andererseits.

Es ist einzigartig, wie dieselben Personen, die sich vor laufenden Kameras und eingeschalteten Mikrophonen auf das Schärfste entrüsten über PEGIDA und die Tröglitzer Zivilgesellschaft, die Dachstühle abfackelt, kurze Zeit später vor den gleichen Kameras und Mikrophonen auftauchen, um über die faulen, hinterhältigen und unberechenbaren Griechen herzuziehen. Diese Schäubles, Bosbachs und Gabriels haben sich selbst diskreditiert. Sie gehören zu den Herden des Populismus und der Xenophobie. Und jene Lohnsklaven, die hinter den Kameras und Mikrophonen stehen, sind selbst die Opfer einer Austeritätspolitik in den öffentlich-rechtlichen Medien. Denn genau dort, wo unparteiischer und kritischer Journalismus herrschen sollte, existieren auf der einen Seite nur noch Zeitverträge mit einem Mindestsalär einerseits und fetten Revenuen für die Hofschranzen wie Illner, Jauch und Will andererseits.

Deutschland wird immer noch von denen, die sich unmittelbar hierher begeben, sehr geschätzt. International verspielt es derweilen seine Reputation. Das Perverse bei dieser Entwicklung ist die Allianz zwischen einem lumpenproletarischen Mob und Teilen der politischen Klasse. Gleich siamesischen Zwillingen agieren sie und betreiben einen Prozess fortschreitender Barbarei. Die Hetzer gegen Griechenland und die Griechen an sich unterscheiden sich strukturell nicht vor den Hetzern gegen das Morgenland. In dieses Land hier passen sie beide nicht!