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Inszenierung

Konnte man bei der jetzt entstandenen Diskussion um mehr Polizei und die größere Gefahr von Links zu dem Gedanken gekommen sein, es handele sich angesichts der prekären Lage in der Welt und den dürftigen Ergebnissen von G20 einmal wieder um Symbolpolitik, so sollte nicht vergessen werden, dass noch etwas anderes dahinter steckt. Es ist die bewusste Inszenierung. Das klingt hart, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Zumindest ist es gelungen, dass eine genauere Untersuchung unternommen wird, was die Polizeitaktik anbetrifft. Einmal abgesehen von dem Ort, der gewählt wurde, der garantierte, was bei einem anderen Ort jenseits der Elbe alles nicht hätte entstehen können, spricht jetzt vieles dafür, dass auch von staatlicher Seite erheblich eskaliert wurde. Die Berichterstattung beschränkte sich auf ein kleines Segment, und dort, so hört man, sieht heute kein Mensch mehr etwas von dem zerstörten Hamburg, das an die Tage nach dem krieg erinnert haben soll.

Der auf Staatskosten operierende Gewerkschaftsfunktionär der Polizei, der nach seiner Enttarnung als Staatsdrohne für einige Zeit der Mund gehalten hatte, goss genauso Öl ins Feuer wie der übergewichtige Kanzleramtschef, der damit klar machte, dass auch die Kanzlerin sehr wohl an jenen schamlosen Spielen mitspielt, das ihr kaum jemand zutraut. Der eine tönte herum, es müsse überall, an jedem Ort in Deutschland möglich sein, eine Veranstaltung abzuhalten, womit er meinte, dass es überall möglich sein müsse, die Grundrechte außer Kraft zu setzen. Disqualifiziert hat sich dieser politische Scharlatan schon immer, nun beschämt er nur noch, weil er seine Tantiemen aus Steuermitteln durch eine neue Regierung in NRW, die die Messer schon gewetzt hat, sichern will. Und Muttis Kampfmaschine aus dem Kanzleramt verglich die Hamburger Ereignisse gleich mit den Salafisten und der Naziszene. Das ist die Verharmlosung von Gewalt, wie sie im Buche steht. Zwei Terrorquellen, die wiederholt und regelmäßig durch ihre Aktionen Menschenleben fordern, mit den Hamburger Schäden zu vergleichen, die bei den Demonstrationen entstanden sind, kann nur mit dem Begriff der Demagogie beschrieben werden.

Dieses heisere Geschrei, dass die Diskussion in eine Richtung treiben soll, die weniger demokratische Rechte und mehr Ermächtigung zur Folge haben soll, korrespondiert nicht mit Erkenntnissen, die jetzt um sich greifen. Da wird, aus Polizeikreisen versteht sich, bekannt, dass der Schutz der Gipfelteilnehmer als höher eingestuft wurde als der der gefährdeten Bewohner, da wird bekannt, dass es durchaus üblich sei, Agents provocateurs in Demonstrationszügen zu platzieren, die mit Steinwürfen einheizten und da wird bekannt, dass die Polizei bei der Akkreditierung von Journalisten, die über den als in die Geschichte als Desaster eingehenden Gipfel berichten wollten, mit schwarzen Listen arbeiteten und 32 Journalisten die Zulassung verweigerten. Woher die Listen kamen, weiß angeblich niemand. Dass die meisten von den betroffenen Journalisten bereits einmal kritisch über die Faschisierung der Türkei berichtet hatten, ist evident. Sollten die Listen vom türkischen Geheimdienst stammen, wäre das der größte Skandal, der bei dieser Inszenierung alles überschattet. Weder ein Innenminister noch ein Kanzler, der sich so etwas leistet, ist akzeptabel. Die Forderung gerade aus jenen Kreisen nach einem Rücktritt von Olaf Scholz ist reine Ablenkung.

Die Inszenierung wurde gewählt, um die bevorstehenden Bundestagswahlen thematisch in eine bestimmte Richtung zu bringen. Anfangs schien es so, als sei das gelungen. Das Konstrukt bekommt allerdings risse. Ist zu hoffen, dass diese Inszenierung beim großen Publikum durchfällt!

Symbolpolitik

Es hatte sich auch in diesem Fall angedeutet. Das Paradigma unserer politischen Kultur wird erneut bedient. Es handelt sich um Symbolpolitik. Nichts, dass die Themen, die von ihr behandelt werden, von keiner Bedeutung wären. Sie spielen tatsächlich eine Rolle. Die Aufmerksamkeit, die sie auf sich zeihen, steht allerdings in keiner Relation zu dem, was uns wirklich beschäftigen sollte. Beim G20, der momentan das große Publikum beschäftigt, ging es um Klimawandel, Kriege, Freihandel und Armutsbekämpfung. Die Diskussion um das, was auf und um den G20 passierte, spielt keine Rolle, sie dreht sich in Deutschland nahezu komplett um die Krawalle. Weder in Frankreich, noch in Italien oder in Großbritannien spielen diese Krawalle eine besondere Rolle, man befasst sich mit den Ergebnissen. Bilanzierte man diesen G20-Gipfel nach dem jetzigen deutschen Maßstab, dann wäre die Bilanz noch verheerender, als sie schon ist. Nahezu alle Gipfel wurden von Krawallen begleitet, insofern müsste man, wäre man konsistent, von einem turnusmäßig wiederkehrenden Krawall-Gipfel sprechen. Die Rolle der Symbolpolitik führt auf diese Fährte, und sie ist irrig.

Die Themen, die in unserem Land die Rolle dessen einnehmen, was unter Symbolpolitik zu verstehen ist, füllen mittlerweile eine lange Galerie der Absurditäten. Nur aneinandergereiht dokumentieren sie Hysterie wie Weltfremdheit gleichermaßen: Waldsterben, Borkenkäfer, Tschernobyl, Dosenpfand, Homo-Ehe, Rauchverbot, Helmpflicht, Fukushima, Kopftuch-Verbot, Obergrenze. Die Liste lässt sich verlängern, aber jeder Begriff für sich zeigt, das er eine eigene politische Wertigkeit besitzt, die nicht abgesprochen werden soll, dass allerdings die Hitze, mit der über ihn diskutiert wurde und der Raum, den er jeweils einnahm, in keiner Relation stand und steht zu den Ereignissen, die tatsächlich eine existenzielle Relevanz haben.

Und dann reden wir über genau das, was auf G20 auf der Agenda stand. Da ging es, man kann es nicht oft genug wiederholen, um das Weltklima, das sich dramatisch verändert, woran die dort versammelten Nationen maßgeblich beteiligt sind und von dem die ganze Welt betroffen ist. Vor dem Ausscheren der USA hat sich das Gremium nicht mit Ruhm bekleckert, jetzt dominiert die Version, alles läge an den USA. Dass der freie Markt und der Industrialismus die Triebfedern dieser Entwicklung sind, findet in dieser Erzählung keinen Raum. Daher sind auch keine Ergebnisse zu erwarten. Analog verhält es sich mit der nicht auf den Weg kommenden Armutsbekämpfung. Wie sollte ein System, das auf Spekulation und Schuldknechtschaft beruht, ein Interesse daran haben, die Abhängigkeit armer Länder, die über Rohstoffe verfügen, aufzulösen.

Aus dem Agglomerat von Armut und Rohstoffen resultiert das Streben nach Hegemonie, Dominanz und das Führen von Kriegen. Sehen wir uns nur das letzte Jahrzehnt an. Alle Kriege hatten die genannten Motive, alle Kriege haben die Welt destabilisiert und die Initiatoren dieser Kriege versammeln sich bei G20. Wo ist der große Wurf, um diese irrsinnige Logik zu durchbrechen? Ist er aus diesem Gremium heraus zu erwarten? Eher nicht, und deshalb wohl denen, die über ein Instrument der Symbolpolitik verfügen und das Volk sich daran abarbeiten zu lassen.

Ist es ein Zeichen gesellschaftlicher Dekadenz? Wenn der Dosenpfand einen höheren Stellenwert einnimmt als die ökologische Verwüstung ganzer Erdteile? Und kommt mir nicht mit der Komplexität der Welt und dass die Dosen die Ursache sind! Sie sind der schamlose, dreiste und höhnische Versuch, die Gesellschaft für dumm zu verkaufen. Streiten wir weiter über Nichtigkeiten, sie werden sicherlich die nächsten Katastrophen und Kriege überstehen.

Bilanz an der Elbe

Machen wir es kurz. Ein vermeintliches politisches Großereignis hat seine Spuren hinterlassen. Es waren nicht die, die sich die Initiatoren erwartet hatten, sondern die, welche viele Kritiker von vornherein befürchtet hatten. Was die Resultate anbetrifft, so sind sie so dürftig wie die gesamte Geschichte von G20. Die Welt zum Besseren gewendet hat diese Gemeinschaft nicht, sitzen doch in ihr die Treiber von Kriegen und Konflikten. Immer, wenn es substanziell um etwas geht, scheren Mitglieder aus, weil sie andere Interessen haben. Ceterum censeo: Was den Klimawandel angeht, steht im Abschlusskommuniqué, dass es Dissens gibt und beim freien Welthandel hat eine laue Formulierung den protektionistischen Kurs der USA etwas übertüncht. Substanzielle Hilfen für die Länder, die ihrer Bevölkerung nahezu nichts mehr garantieren können, wie z.B. eine Entschuldungs- und Investitionsstrategie hat es nicht gegeben.

Diese Resultate als Erfolg darzulegen, ist Unsinn. Was bleibt, ist eine Betrachtung dessen, was vorher auch von Regierungsseite immer wieder beschworen wurde. Wichtig sei, so hieß, dass manche Akteure überhaupt miteinander sprächen. Wenn diese Hoffnung eine Berechtigung hatte, dann bei einer Neuinszenierung der Kommunikation zwischen den USA und Russland. Denn wenn ein Konflikt desaströse Folgen für uns alle haben kann, dann der zwischen diesen beiden Ländern. Auf dem Gipfel trafen tatsächlich Trump und Putin aufeinander und sie unterhielten sich lange, viel länger als geplant. Wie zu hören ist, gab es so etwas wie eine Kontur von gegenseitigem Verständnis und eine Einigung auf eine Schutzzone in Syrien. Das Eigenartige bleibt, dass ausgerechnet die Bundesregierung und ihre journalistische Entourage genau dieses Treffen eher ignorierten oder, wenn darüber berichtet wurde, mit Häme bedachten. Angesichts solcher Äußerungen bleiben Fragen über die Agenda der Bundesregierung offen, sie beginnt aber immer monströser zu wirken. Glaubt in dem stets abstinenten, aber dennoch trunkenen wirkenden Lager, Deutschland und seine Kanzlerin seien auf dem Weg, die neuen Führer der freien Welt zu werden?

Und ja, Olaf Scholz hat Recht, wenn er Hamburg als Stadt Größe und Weltoffenheit bescheinigt. Keine andere Stadt in Deutschland hat ein internationaleres Format wie Hamburg, und keine andere Stadt hat eine Bürgerschaft, die so historisch bewusst und selbstbewusst ist. Dennoch war die Entscheidung, den Gipfel mitten in der Stadt durchzuführen, eine provinzielle. Sie unterschätze schlichtweg den Konfliktstoff, den diese Gipfel immer mit sich bringen. Man stelle sich vor, G20 hätte schlicht jenseits der Elbe getagt. Da wäre Vieles nicht passiert bzw. Vieles hätte gar nicht passieren können. Es war ein Provinzfehler, vom Ersten Bürgermeister wie von der Kanzlerin, und mit dieser Diagnose deutet sich an, wie riskant das große globale Spiel mal wieder ist, wenn die Posse den Weitblick ersetzt.

Letztendlich, was wäre der politische Diskurs hierzulande, wenn die Hunde Pawlows nicht zuverlässig zur Stelle wären. Sie kläffen in großem Rudel über die Gewalt auf Hamburgs Straßen, sprechen von Faschistenbanden und was sonst noch alles, wenn sie das Strandgut eines Verwerfungsprozesses beschreiben, der längst im Gange ist und die Welt radikal dem Privatinteresse unterwirft. Dieses Strandgut, das marodierend durch die Straßen zog und zeigte, dass man sich auf dieses Kontingent verlassen kann. Die Büchsen für den Wahlkampf sind längst geladen, der Feind steht zuverlässig wieder links und die innere Sicherheit ganz oben auf der Agenda. Klimaschutz? Nein. Freihandel? Ja. Bekämpfung der Armut? Nein. Innere Aufrüstung? Ja. Eine klare Bilanz.