Lügenpresse ist ein populistischer Begriff. Mit ihm wird vereinfacht und emotionalisiert. Dass sich immer mehr Menschen politisch mit diesem Begriff der Medienkritik identifizieren, hat jedoch Ursachen, die nicht einfach mit der Zuordnung zum Populismus entkräftet werden können. Denn leider haben sich die großen Tageszeitungen, Wochenjournale sowie die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten zu Institutionen entwickelt, die in einer sehr tendenziellen Manier mit Informationen umgehen. Das hat nicht unbedingt etwas mit Lügen zu tun, aber dahinter stecken Interessen, die mit der Platzierung von Informationen unterfüttert werden.
Als Beispiel mag die jüngste Meldung über die neueste Veröffentlichung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hinsichtlich der Tendenzen im weltweiten Waffenhandel gelten. Die Meldungen, die die meisten Zeitungen und Rundfunkanstalten aus dem Bericht machten, hatten folgenden Kernsatz: Der weltweite Waffenhandel hat abgenommen, nur die russischen Waffenexporte haben zugenommen. Die tatsächlichen Informationen, die durch den Stockholmer Jahresbericht zugänglich sind, verraten bei Recherche folgendes:
Die Weltrangliste der Waffenexporteure wird nach wie vor von den USA mit 31 Prozent Anteilen angeführt, gefolgt von Russland mit 27 Prozent. Der chinesische Waffenhandel weist enorme Steigerungen auf und befördert die Volksrepublik auf Platz drei der Weltrangliste, allerdings mit einem Anteil von 5 Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland steigerte ebenfalls die Waffenexporte und landet vor Frankreich auf Platz 4. Bei den Exporten der Bundesrepublik fällt noch auf, dass auf Rang 1 der Abnehmer deutscher Waffen die USA stehen, gefolgt von Israel und auf Rang 3 Griechenland. Letzteres bestätigt die Thesen, wozu die Kredite, an deren Tilgung die griechische Gesellschaft zu zerschellen droht, tatsächlich benutzt wurden.
Die Meldung, der weltweite Waffenhandel nehme ab, nur der russische explodiere, ist angesichts der aufgeführten Informationen und Zahlen, die in dem erwähnten Bericht stehen, in hohem Maße irreführend. Die Beteuerung, dass eine solche Aufbereitung von Information nicht intendiert sei, sondern das Werk von fehlbaren Individuen, ist vielleicht das einzige Segment in einer Reihe von abgestimmten Handlungen, das als Lüge bezeichnet werden könnte. Weitaus kritischer zu betrachten ist das System, nach dem operiert wird. Es geht um Reduktion von Komplexität, Überakzentuierung eines einzigen Aspektes und die Mobilisierung von Emotion. Bei diesem steht am Schluss der Information das Gefühl der Bedrohung durch Russland. Alle werden friedlicher, nur die Russen nicht. In der Quintessenz ist das Propaganda.
Das Beispiel illustriert ein Schema, das weit verbreitet ist, in vielen Varianten publiziert wird und als so etwas wie ein Modul des Mainstreams in der breiten Berichterstattung bezeichnet werden muss. Die Dechiffrierung der Systematik dieser Art von Meinungsbildung führt zu einem wachsenden Vertrauensverlust, der etwas zerfrisst, was als spirituelle gesellschaftliche Kohärenz bezeichnet werden kann. Gleichzeitig, parallel zur Etablierung eines Feindbildes, wird mit Mustern gearbeitet, die in ihrer Anwendung eine ethische Erosion inszeniert. Es handelt sich dabei um das System der Double Standards, der unterschiedlichen Bewertung von Gut und Böse bei gleicher Wahl der Mittel.
Das beste Beispiel dafür ist das Getöse, welches um die Annektion der Krim durch Russland veranstaltet wurde, natürlich unter Berufung auf das Völkerrecht, was aufgrund der Historie de jure eventuell gemacht werden kann, de facto aber auf keinen Fall. Nun, wenige Monate später, steigen deutsche Tornados mit dem Ziel Syrien in die Lüfte, gegen jede Form des Völkerrechts, ohne internationales Mandat. Konnotiert wird die kriegerische Handlung als gute Tat. So wird nicht nur manipuliert und Vertrauen zerstört, sondern die Gesellschaft zerrissen. Schlimmer als leidliche Lügen.
