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Ein Krieg schert sich ums Klima nicht!

Ein Land, in dem die Traumata zweier gewaltiger Kriege als massenpsychologisches Phänomen immer noch präsent sind, das Wissen um die konkreten Verwüstungen und das Zustandekommen eines solchen Ereignisses jedoch einer generellen Amnesie unterliegt, kann keinen vernunftgeleiteten Weg gehen. Während im Moment jeder, dessen politische Karriere bereits hinter ihm liegt, vor die Kameras gezerrt wird, um seine revanchistischen Plattitüden zum besten zu geben und dabei von willfährigen Moderatoren gefeiert wird, wenden sich immer mehr Menschen entsetzt von der politischen Öffentlichkeit ab. Neben dem Missfallen über einen selbstmörderischen Kurs, der mit diesen Statements einhergeht, auch aus Scham darüber, dass das eigene Land in der Lage ist, sich selbst derartig zu entstellen. 

Kein Tag vergeht, an dem nicht Vertreter des Staates, der Fernsehanstalten, der prominenten Radiokanäle oder der großen Pressehäuser nicht Beispiele dafür geben, wie ungetrübte Fakten und eine kluge Analyse, die immer die Grundlage für Diskussionen über politische Entscheidungen sein sollten, am praktischen Beispiel zu unverblümter Hetze, zu Ressentiments und zur Konstruktion von Feindbildern verkommen sind. Das Fazit ist immer die Einzigartigkeit und Bewunderungswürdigkeit der eigenen Existenz und die Fragwürdigkeit und Minderwertigkeit alles anderen. Von der Politik bis zur Wirtschaft, vom Sport bis zur Kultur, und da, wo es beim besten Willen nicht passt, da herrscht das große Schweigen. Eine Qualität, die mittlerweile den Superlativ verdient. 

Während die nicht existenten politischen Freiheiten in Russland, die Menschenrechte in China und die Zuchthäuser der Mullahs im Iran im Rampenlicht stehen, existieren die in Serie vorgenommenen Verletzungen des Völkerrechts seitens des befreundeten Imperiums, die rechtsfreien Folterkammern in Guantanamo und Abu-Ghuraib, die Traktierung politischer Gefangener in Großbritannien, die gewaltsame Niederschlagung von Protesten in Frankreich und ganz aktuell, das Treiben der rechtsextremen Asow-Bande in der Ukraine, gar nicht und liegen in einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Safe. Wer glaubt, es handele sich dabei um Zufall, der möge sich weiter an seinem sonnigen Gemüt erfreuen, bis zum seligen Ende oder bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, je nachdem.

Was in diesem Kontext auffällt, ist die zwischenzeitlich vom herrschenden Milieu so gefeierte Klima-Protestbewegung, die unter anderem unter dem Namen Fridays For Futur figuriert, und ihr kollektives Schweigen zu den brandaktuellen Konflikten dieser Tage. Angesichts einer seit Jahrzehnten in Europa nicht mehr in dieser Dimension vorgekommenen Kriegsgefahr, stellt sich die Frage, was aus den Helden dieser Bewegung eigentlich geworden ist? Sind sie damit beschäftigt, in der sich vergrößernden Bürokratie einen Karriereansatz zu finden oder ist es nicht in ihre Köpfe gedrungen, dass jeder Tag eines modernen Krieges den positiven Effekt von tausenden Photovoltaik- und ebenso vielen Windkraftanlagen mit einem Schlag zunichte macht? Wenn schon nicht die Menschen zählen, die in einem Krieg über die Klinge springen, dann müsste doch zumindest die klimatologische Logik alle Alarmglocken läuten lassen? Ein Krieg schert sich ums Klima nicht!

Und auch dort herrscht das große Schweigen. Und dieses Schweigen muss aufgeschlüsselt werden, um die Optionen eines möglichen wie notwendigen Widerstandes zu erkunden. Das Schweigen des herrschenden Milieus ist systemkonform und gewollt, das Schweigen der Entsetzten wird irgendwann eine Gegenkraft entwickeln, das Schweigen derer, die das Recht auf Zukunft reklamieren, wird in eine Spaltung der Bewegung münden und damit die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegeln: in diejenigen, die glauben, unversehrt zu bleiben und am Krieg zu gewinnen und diejenigen, die wenig haben und noch mehr zu verlieren haben. Wer jetzt schweigt, hat mit einer lebenswerten Zukunft nichts am Hut. Und wer jetzt hetzt, ist ein schäbiges Subjekt.

Die neue Gouvernante

Die Phrasen, die unseren politischen Alltag begleiten, sind ein perfektes Indiz für die Geisteshaltung, die in den Köpfen dominiert. Wir betrachten mit Sorge, so der oft einleitende Satz, wenn es um Geschehnisse in anderen Ländern oder anderen Teilen der Welt geht. Wir verurteilen natürlich auch aufs schärfste, wenn etwas weiter geht als nur Anlass zu Sorge gibt, oder, und das gehört sich für ein Weltbild mit doppelten Standards, im eigenen Lager erregt etwas Sorge, das in einem anderen Lager zu scharfer Verurteilung führt. Und dann kommt noch die Steigerung, generell versteht sich, dass so etwas nicht ohne Folgen bleiben darf. In summa lässt sich feststellen, dass die Welt mit Deutschland eine neue Gouvernante bekommen hat, eine Gouvernante, die tadelt und lobt und drohend den Finger hebt. 

In der eigenen Echokammer, in der sich dieses Land bewegt, fällt der tadelnde, mäkelnde und immer wieder anmaßende Gestus gegenüber Dritten nicht weiter auf. Neben den Akteuren, die zu allem Unheil noch die internationale Bühne suchen, um die flachen, aber dennoch als Belehrung gedachten Statements abzusondern, orchestrieren die öffentlich-rechtlichen Medien den Vormarsch des neuen Geistes der Welterziehung mit ebenso fanatischem wie frenetischem Beifall. Zumindest die Generationen, die sich noch in dieser medialen Welt bewegen, können den Eindruck gewinnen, die Welt habe auf das Auftreten des neuen Deutschlands in der Besserungsanstalt geradezu gewartet. Der Konsens lautet: Nirgendwo werden die Probleme so exzellent gelöst wie bei uns und wir müssen den anderen zeigen, wie es geht.

Damit nicht der falsche Eindruck entsteht, es handele sich dabei um ein Phänomen der Alten, sei auf die Fridays for Future-Bewegung verwiesen, obwohl der Begriff Bewegung vielleicht zu hoch gegriffen ist. Da kristallisiert sich noch eine Steigerung des Gouvernantenhaften heraus, vor dem die Älteren des Metiers nur den Hut ziehen können. Da wissen die juvenilen Apostel aus mittelständischer und großbürgerlicher Provenienz gleich, wie man sich in jeder Alltagssituation zu verhalten hat und darüber hinaus haben sie gleich kollektive Sündeböcke parat, die am Tag des Jüngsten Gerichts zur Rechenschaft gezogen werden. 

Was bei den Älteren noch den Zug der geschichtsvergessenen Klugscheißerei trägt, hat bei den Jüngeren bereits den Zug des Sektenhaften. Psychisch sind es dort nur noch kleine Schritte Richtung IS und Taliban, es sei denn, da kommen plötzlich Offerten aus dem etablierten System und die eine oder andere Figur landet in einem Konzernvorstand oder im Bundestag zu Berlin. Own Lives matter! 

Noch einmal rückblickend auf die Tage, als vor dreißig Jahren, nach dem Desaster, das unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands im XX. Jahrhundert stattgefunden hatte, die Skepsis vieler Länder groß war, einer Wiedervereinigung zuzustimmen, so war sie, aus heutiger Sicht berechtigt. Das alte Verhalten des imperialen Anspruchs ist wieder in voller Blüte. Der Satz, der als ein unsägliches Fundstück in den Annalen Deutschlands auch dort bleiben sollte, dass nämlich am deutschen Wesen die Welt genesen soll, kann als das Leitmotiv der heutigen internationalen Politik identifiziert werden. Es stellt sich die Frage, wann aus der ewig mäkelnden Gouvernante der brachial agierende Zuchtmeister wird. Vieles spricht dafür, auch wenn man nicht glauben mag, dass diese zum Teil lächerlichen Figuren zu so etwas fähig sein sollten. 

Wäre da nicht der Rest der Welt, der diese Farce zunehmend mit Kopfschütteln quittiert und sich die Frage stellt, was denn da so brummt, im deutschen Kopfe. 

Die Rückkehr der Verdauungsphilosopie und das Ausblenden des Krieges

Es ist ja nicht so, dass es nicht genügend Themen gäbe, die dazu einlüden, sich damit auseinanderzusetzen und zu einer Haltung zu kommen. Da hat ein neuer Virus die Welt ergriffen und die einzelnen Länder gehen sehr unterschiedlich damit um. Da hat die Türkei einen Krieg begonnen bzw. sich in einen Krieg hineinbegeben und fragt nach Unterstützung und droht seinen Partnern aus dem militärischen Bündnis NATO, wenn sie sich unterstützt würde, dann ließe sie die Menschen, die sich aus dem Krieg geflüchtet haben, alle nach Europa ziehen. Da mobilisiert die NATO ihrerseits zu dem größten Manöver seit dem Kalten Krieg, und zwar unter dem Namen Defender, direkt an der russischen Grenze. 

Es geht um brisante Politik und es geht, in allen Fällen, auch wenn man sich den dramatischen Rückgang der Emissionen in China aufgrund der staatlichen Strategie, den Virus in den Griff zu bekommen, ansieht, um Auswirkungen auf das Klima. Stilllegung von Produktion ist ein signifikanter Segen für das Klima und Kriege und Manöver sind potenzierte Emissionsveranstaltungen.

Es fällt auf, dass weder die Protagonisten der Fridays for Future-Bewegung sich bis dato zu diesen Themen geäußert haben, noch dass die diese Bewegung anfänglich hypende Medienwelt sich die Mühe gemacht hat, herauszufinden, was dort über die Weltgeschehnisse gedacht wird. So, wie es aussieht, hat auch niemand aus dieser Bewegung vor, sich zu den Themen zu äußern. Das ist nicht nur bedauerlich, es ist nahezu beschämend. Der frische, juvenile Heroismus, der anfangs dieser Bewegung angeheftet wurde, scheint sich als eine weitere Marketingstrategie zu entpuppen. Und komme niemand mit der Phrase, es handele sich um junge Menschen und man könne nicht gleich eine allumfassende politische Strategie verlangen!

Während sich die Welt durch die Auflösung bestehender Ordnungen an vielen Stellen an diesem Verlust abarbeitet, während Diktaturen entstehen, Handelskriege, heiße Kriege und kalte Kriege geführt werden, während es überall darum geht, die eigenen Interessen zu analysieren und abzugleichen mit der über allem schwebenden Theorie des freien Marktes und den Verheerungen, die der Liberalismus seiner Entfesselung verursacht hat, sind die Ergebnisse der Fridays for Future-Bewegung einmal damit abzugleichen.

Wie immer, wenn es um Sektiertum und Esoterik geht, gehört man in Deutschland schnell zur Avantgarde. Die Forderung, Natur und Ökologie nicht zu zerstören, hat vor allem dazu geführt, dass sich eine zunehmend breite Front gegen jede Form industrieller Produktion gebildet hat. Das, was in die Zukunft wiese, ein Pakt mit denen, die produzieren,, hat sich gemausert zu einer schlicht reaktionären Forderung nach industrieller und technologischer Enthaltung. Wenn es nach den Apologeten der schönen alten Welt ginge, würden die archaischen Produktionsweisen zurückkehren und schön, trügerisch, im Einklang mit der Natur die alte Welt neu erglänzen lassen. Man höre genau zu: Industrie ist unappetitlich, Manufaktur wird als Wert an sich gefeiert.

Das, was übrig geblieben ist von dem, was euphorisch als neuer Aufbruch gefeiert wurde, ist das Ausblenden der tatsächlichen Verursachung ökologischer und existenzieller Bedrohung durch Kriege. Was stattdessen stattfindet, ist ein bis zur Hysterie geführter Meinungskampf um ökologisch kompatible Ernährungsweisen. Da sind sie alle dabei, und wahrscheinlich wird in keinem Land darüber leidenschaftlicher diskutiert als in Deutschland. Die Bewegung hatte Zeit, sich zu größeren Zusammenhängen zu äußern. Sie hat den Zeitpunkt dafür verpasst. Wenn Kriege vor der Tür stehen, erscheinen Debatten über die Ernährung recht trivial. Willkommen im der neuen Ära der Verdauungsphilosophie!