Am Sonntag, den 19. Juli 2009, verstarb der irische Amerikaner Frank McCourt in seiner Geburtsstadt und Wahlheimat New York City im Alter von 78 Jahren. In den Fokus der Weltöffentlichkeit geriet McCourt im Jahre 1996 mit der Veröffentlichung des autobiographischen Romans Angela´s Ashes, Die Asche meiner Mutter. Der damals 65Jährige traf mit seinem übrigens ersten Buch weltweit auf ein Interesse, mit dem der gerade pensionierte Lehrer selbst nicht gerechnet hätte. Das Buch verkaufte sich über vier Millionen Mal und wurde verfilmt. Aus einem armen irischen Einwanderer, der mehr als dreißig Jahre an New Yorker Problemschulen als Lehrer gearbeitet hatte, wurde über Nacht ein wohlhabender Mann. Und das mit der Niederschrift einer niederschmetternden Kindheit.
In Angela´s Ashes beschreibt Frank McCourt seine frühe Kindheit in New York, wo er als Sohn irischer Einwanderer geboren wurde. Die Metropole am Hudson, selbst geschüttelt durch Depression und Weltwirtschaftkrise der dreißiger Jahre, wurde nicht zum Neustart der jungen Einwandererfamilie. Von ständiger Arbeitslosigkeit enttäuscht, kehrt Frank mit Eltern und Geschwistern zurück nach Irland, genauer gesagt nach Limerick. Der Vater findet auch dort kaum Beschäftigung, teils aufgrund der dort ebenso herrschenden desolaten Wirtschaftslage, teils seines übermäßigen Alkoholkonsums geschuldet. Schließlich verlässt er die Familie und sucht Jobs in London. Es folgen Jahre am Rande des Existenzminimums, die der junge Frank McCourt erlebt. Die Schilderung des Milieus mit seiner Kargheit, dem Hunger, dem Dreck und seinen menschlichen Abgründen kulminieren in McCourts dürren, aber treffenden Sätzen: “Natürlich war es eine miserable Kindheit (…) Doch schlechter noch als eine miserable Kindheit ist eine miserable irische Kindheit. Und diese wird noch übertroffen von einer miserablen irischen katholischen Kindheit.“ (Übersetzung GM).
McCourts Kindheit wird in Angela´s Ashes zu einer Urschrift über das Elend Irlands, mit seiner kolonialen Vergangenheit, seinen archaischen Vorstellungen, seinem verkommenen Klerikalismus und seinem ständigen Blutverlust durch die massenhafte Emigration der jungen Generationen. Der junge McCourt durchlebt das ganze Leid und die Hoffnungslosigkeit zusammen mit seiner Familie in Limerick. Ab und zu taucht der Vater auf, erwartet z.B. an einem Weihnachtsfest mit einer Gans unter dem Arm und Geld in der Tasche, stattdessen erscheint er sturzbesoffen mit eingeschlagenen Zähnen und raunt den knurrenden Mägen der Kinder zu, die irische See sei so rauh gewesen.
Frank McCourt tat schließlich das, was die meisten jungen Iren taten, er packte sein Bündel und kehrte dahin zurück, woher er kam, nach New York City, wo er ein Studium erfolgreich abschloss, um danach als Lehrer durchs Leben zu gehen. Er muss ein guter, nach heutigen Maßstäben genialer Lehrer gewesen sein, denn wenn man seinen Aufzeichnungen aus diesem Abschnitt seiner Biographie folgt (Teacher Man, 2005), dann liest sich vieles wie ein moderner, kreativer und erfolgreicher Unterricht. Im Fach Creative Writing z.B. ließ er seine Schüler, die gerne ziemlich verrückte Entschuldigungen schrieben, dass gleiche für Adam gegenüber Eva oder gar Gott probieren. Oder er ließ Apothekenrezepte vertonen! Er nahm den Schülerinnen und Schülern das Trauma, dass sie nichts wert seien und es keinen Sinn mache, über ihr Leben und ihre Erfahrungen zu schreiben. In der Berufsschule im bedrückenden Stuyvesant gab er den Schülerrinnen und Schülern den Stolz und die Selbstachtung zurück. Er konnte das, weil er alles selbst erlebt hatte. Mit Frank McCourt verstarb ein beeindruckender Autobiograph und ein einzigartiger, von tiefer Menschlichkeit geprägter Pädagoge.
