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Foreign Affairs: Nachtfahrten

Und wieder kontaktieren mich Freunde aus aller Welt und fragen mich, was mit Deutschland und den in der EU verbündeten Staaten eigentlich los ist. Bitte erkläre mir, so ihre Worte, was schlecht daran sein soll, wenn sich die Vertreter der Parteien, die bei euch in Europa für den Krieg verantwortlich sind, treffen und über die Beendigung dieses Konfliktes reden wollen. Was wir vor allem aus Deutschland hören, hat den alten Klang der Weltmachtsphantasie, mit der das Land bereits zweimal in ein furchtbares Desaster geritten ist. Habt ihr alle den Verstand verloren?

Da, auch wenn es über die modernen Kommunikationsmittel über tausende Kilometer heute so leicht ist wie nie, fällt es dennoch schwer, die Stränge zusammenzuführen, die die gegenwärtige Befindlichkeit erklären. Und nicht nur ich, sondern viele, die sich täglich so fühlen, als hätten sie schlecht geträumt, bemühen sich immer wieder, das Dilemma verständlich zu machen. Und für alle, die an einem Sonntagmorgen ein starkes Getränk eingeschenkt bekommen wollen, hier noch einmal in aller Kürze das, was ich den Freunden in Asien wie in Amerika versuche darzulegen:

Die Bundesrepublik Deutschland ist dem von den us-amerikanischen Demokraten unter der Obama-Administration beschrittenen Weg gefolgt, Russland als besiegte Regionalmacht abzuqualifizieren und seine berechtigten Sicherheitsinteressen zu ignorieren. In der Ukraine wurde mit Hilfe der USA eine gewählte Regierung gestürzt, die sich dem Junktim von EU und NATO verweigerte. Dabei unterstützte und bewaffnete man offen faschistische Horden, die die zumeist russische Bevölkerung im Donbas und auf der Krim terrorisierten. Als Russland sich die Krim zurückholte, wurden alle Versuche, auf diplomatischem Wege nach Lösungen zu suchen, bewusst verhindert. Mit von der Partie waren eine Kanzlerin Merkel und ein Außenminister Steinmeier. Das amerikanische Recht auf imperiale Ausdehnungsversuche wurde von deutscher Seite zum Programm, das weder mit einer gedachten eigenen Souveränität noch mit realen eigenen Möglichkeiten korrespondierte.

Der Schlag Russlands gegen die Ukraine wurde als ein völkerrechtswidriger Angriff eingestuft und wird seitdem täglich, stündlich moralisierend als eine Überlebensfrage der wie auch immer gearteten westlichen Werte zelebriert. Sieht man sich heute TV-Magazine wie Report oder Monitor aus dem Jahr 2014 an, dann sind die hiesigen Aussagen bestätigt. In welchen Kellern die Redakteure bearbeitet wurden, die damals wie heute noch in diesen Formaten tätig sind, wird irgendwann auch noch an den Tag kommen.  Dass seit 2008 ein Kriegstreiber Biden mit einem schillernden Personalportfolio die Eskalation vorbereitete, ist kein Verdachtsfall, sondern gesichert.

Und dass die Vertreter der Bundesrepublik wie ihr Parteianhang nahezu schrittweise entmündigt und gedemütigt wurden, gehört zu der psychologischen Aufschlüsselung der von außen nicht mehr nachvollziehbaren Halstarrigkeit, mit der man heute noch an dem Irrglauben festhält, mit dem systemischen Sieg über die Sowjetunion hätte man auch Russland besiegt. Jeder Tag zeigt, und vor allem das Treffen des amerikanischen Präsidenten Trump mit dem russischen Präsidenten Putin, dass ohne Russland keine Entscheidung über Krieg und Frieden auf europäischem Boden möglich ist. Allein diese Erkenntnis gereichte zu einem neuen diplomatischen Ansatz, hätte man hier nicht alle Optionen bereits verspielt. Intrigantentum ist keine Diplomatie.

Die Beurteilung der geopolitischen Gegebenheiten beruht seit eineinhalb Jahrzehnten auf einem Irrtum und die fehlgeleitete Politik hat sich das zu diesem Höllenkurs geeignete Personal gesucht. Die einstige Büro-Liesel des Kanzlers Schröder hat es über das Außenministerium ins Präsidialamt gebracht, die Außenministerien wurden seitdem mit subalternen Dilettanten beglückt, die teilweise nicht einmal der deutschen Sprache mächtig waren und der jetzige Kanzler wurde aus den Requisiten der achtziger Jahre geholt. Was will man da noch erwarten? Nachtfahrten ohne Scheinwerfer. Mehr nicht. Seien wir ehrlich. Mit uns selbst und mit der Welt.  

Foreign Affairs: Nachtfahrten

Onkel Joe will die Welt zurück

Während hier der erste Lockdown stattfand und in den USA die Wahlen noch bevorstanden, hatte sich Joe Biden persönlich in einem selbst verfassten Artikel öffentlich zu seinen politischen Absichten erklärt. In dem renommierten Organ Foreign Affairs veröffentlichte er unter seinem Namen einen Artikel mit dem Titel „Why America Must Lead Again. Rescuing U.S. Foreign Policy After Trump“ umriss er die von ihm im Falle eines Wahlsieges projektierte Politik. Der Artikel beinhaltete innen- wie außenpolitische Perspektiven und war alles andere als undeutlich. 

Neben einigen Äußerungen zum Umgang mit der Pandemie beschrieb Biden dort Reformvorhaben, die vor allem dazu geeignet sind, die innere Stabilität innerhalb des eigenen Landes wieder herzustellen. Die wichtigsten Linien beschrieben das öffentliche Gesundheitswesen, Maßnahmen zum Umweltschutz sowie den Bildungsbereich. Das mag als ein Versuch gelten, um innenpolitisch zu befrieden.

Außenpolitisch ist das Program nicht nur eindeutig, sondern auch brisant. Biden spricht davon, dass die USA wieder die unangefochtene Supermacht auf dem Planeten werden müsse. Das Bild, das er in diesem Zusammenhang benutzt, spricht Bände. Er beschreibt die Rolle der USA so, dass sie wieder am Kopf des Tisches sitzen müssten, um den Diskurs über die Geschehnisse auf der Welt zu leiten. In diesem Zusammenhang seien die Bündnisse wieder in die direkte Regie der USA zu bringen. Vor allem die NATO steht an zentraler Stelle. Und, wie sollte es anders sein, es wird nicht von gemeinsamen Interessen der dort assoziierten Mitglieder geredet, sondern von den Werten, die die westlichen Demokratien verbinde. Der Plan, der dahinter steckt, ist der einer Demokratisierung der Welt nach amerikanischem Vorbild. Dass nach diesem politisch-systemischen Vorbild momentan bei gutem Willen maximal ein Sechstel der Weltbevölkerung so organisiert ist, macht deutlich, was auf der Agenda steht.

Ausgesprochen wie unausgesprochen geht es dabei um so etwas, das man als natürliche Gegner bezeichnen kann. Neben den vielen Staaten, die mittlerweile ihre eigenen Wege gehen, sind vor allem Russland und China gemeint, deren Werte denen des Westens entgegenstehen und die in die Defensive gezwungen werden sollen. Da die NATO und ihre Verbündeten dabei eine zentrale Rolle spielen, ist klar, um was es geht. Sie sollen in die Phalanx einer neuen Aggression gebracht werden. Und dass Deutschland dabei eine zentrale Rolle spielen soll, wird ebenso deutlich. 

Die Neuordnung der Welt ist die Wiederherstellung der alten Ordnung, die von 1991, dem Zusammenbruch der Sowjetunion, bis zum Jahr 2008, der Weltwirtschaftskrise, die die Erosion der us-amerikanischen Vormachtstellung einleitete, existierte. Letztere brach nicht durch russische Raketen oder chinesische Annexionen, sondern durch die ökonomischen Wirkungsmechanismen des Finanzkapitalismus ein, an deren Wesen bis heute aus dem Innern keine Änderungen vorgenommen wurden. Weder die dynamische Entwicklung Chinas noch die Behauptung Russlands gegen die NATO-Osterweiterung sind verantwortlich für das Schwächeln der USA, sondern die innere Dynamik der USA selbst. 

Die Willenserklärung, die Welthegemonie zurück zu holen und sich dabei exklusiv auf die eigenen Werte zu berufen, offenbart zweierlei: Erstens soll an dem ökonomischen Prinzip der Verwertung nicht gerüttelt werden. Und zweitens geht es darum, Expansionismus, egal wo auf der Welt, ideologisch begründen zu wollen. Bei allem Wohlwollen, das nach der Episode eines Donald Trump bei dem einen oder anderen aufkommen mag, handelt es sich dabei um ein aggressives, bellizistisches Programm, das am Wesen des destruktiv wirkenden Wirtschaftssystems nichts ändern will und mittels des Krieges die Welt, die sich derweilen multipolar gestaltet, in die alte Ordnung zurückholen soll.