Schlagwort-Archive: FC Bayern

Eine Demonstration der Macht?

Das Mantra durchdringt die ganze Gesellschaft. Es fühlt sich an wie die höchste Tugend. Selbst beim Fußball. Wenn das erfolgreiche Staatsmonopol des FC Bayern einmal wieder eine andere Mannschaft deklassiert. Dann schwärmen die Reporter von einer Demonstration der Macht. Wenn sie das deklamieren, dann spürt man, wie sie einen leicht schauderndes Gefühl erotischer Erregung durchströmt. Die Feststellung, dass der Fußball mit allem, was dazu gehört, bis heute immer ein sehr guter Seismograph für das war, was sich als gesellschaftliche Befindlichkeit bezeichnen ließe, bleibt aus meiner Sicht nach wie vor gültig. Die zitierte Demonstration der Macht bleibt im deutschen Fußball nur dem erwähnten Monopol vorbehalten. Elf Deutsche Meisterschaften hintereinander sind der Beleg. Wenn solche Verhältnisse herrschen, dann herrscht das Monopol.

Und so, wie sich diese Betrachtungsweise bis in den Fußball fortpflanzt, verhält es sich nicht auch, sondern gerade mit der Politik. Unsere Welt, der Westen, beherrscht von den USA, kennt nichts anderes als deren Doktrin. Full Spectrum Dominance heißt sie. Sie ist seit ihrer Formulierung nie modifiziert worden. Die stereotypische Taktik, die sich daraus ableiten lässt, ist immer gleich. Es geht um die Demonstration der Macht. Jede Situation, in der die totale Dominanz angezweifelt werden könnte, ruft die Drohung hervor, es nicht zu weit zu treiben. Sonst folgt die zitierte Demonstration der Macht. Die ultima Ratio der Machtdemonstration ist immer der Krieg. Der ultimative Krieg. Bis zum Einsatz von Atomwaffen. Das hat lange Zeit funktioniert und ist immer noch ein Pfund in der Hand des westlichen Monopols.

Was sich verändert hat, ist die Disposition der Mitspieler. Russland hat sich vom Zusammenbruch der Sowjetunion weitgehend erholt. China ist zu einem Wirtschaftsgiganten ausgewachsen, bei dem die USA bis über beide Ohren verschuldet sind und der auch die Messer gewetzt hat. Hinzu kommen ökonomisch immer stärker werdende Staaten wie Brasilien, Indien oder Indonesien, die sich getrauen, ihre Interessen auch politisch zu formulieren. 

Die Ignorierung von Kräfteverschiebungen kann immer der erste Schritt vom Ende einer Ära der Dominanz sein. Denn, und das wird gerne verdrängt, die Reihe der veranstalteten Machtdemonstrationen waren alles andere als überzeugend. Afghanistan, Irak, Libyen und nun die Ukraine, das alles hat nicht gezeigt, dass der vereinigte Westen unter Führung der USA die Macht demonstriert und danach keine Fragen mehr aufkommen lassen hätte. Es waren mehr oder weniger verunglückte Veranstaltungen, die sehr viel gekostet und gewaltige Friedhöfe hinterlassen haben. Das, was man unter einer Demonstration der Macht versteht, waren diese Episoden nicht. Und wer glaubt, sie hätten bei denen, die es hätte beeindrucken sollen, Angst und Schrecken hinterlassen, erliegt einer schweren Täuschung.

Und die aktuellen Ereignisse in Israel, das von seiner Taktik stets analog zu den USA gefahren ist, dokumentieren, dass die Demonstration der Macht, die nur Sinn macht, wenn die eigene Unverletzlichkeit unstrittig ist, als politisches Leitthema zu ihrem Ende gekommen ist. Eine der Ursachen ist das tatsächliche wirtschaftliche, politische und militärische Erstarken anderer Nationen auf diesem Globus. Eine andere ist intrinsisch. Das Gift, das gleich der Wirkung von Arsen die Reputation des Westens zerstört hat, ist die Doppelmoral. Jeden Tag sind wir Zeugen ihrer Verlogenheit. Und nicht nur wir. Der Rest der Welt schaut zu. Irgendwann wird die Demonstration der Macht zur Farce. 

Liverpool: Das Tödliche an der Besitzstandswahrung

Franz Beckenbauer hat eines dieser Erlebnisse in seiner launigen Art selbst geschildert. Beim Endspiel um die Champions League 1998, als der FC Bayer in der 87. Minute noch mit 1:0 gegen Manchester United in Führung war, machte sich Beckenbauer im Stadion Nou Camp zu Barcelona oben von der VIP-Tribüne auf den Weg zum Aufzug, um passend zum Schlusspfiff und der anschließenden Siegerehrung direkt am Feld zu sein. Als er unten aus dem Aufzug ausstieg, stand es 2:1 für Manchester. Als ihm der erste, den er sah, diese Information zukommen ließ, dachte Beckenbauer an einen schlechten Witz. Aber es war die Realität.

Gary Lineker, eine englische Stürmerlegende, der nach seiner aktiven Laufbahn immer wieder den Fußball mit köstlichen Bonmots kommentiert hat, beschrieb das Schwierige an deutschen Teams einmal mit dem Satz, man könne sich erst sicher sein, gegen sie gewonnen zu haben, wenn man bereits mit dem Mannschaftsbus auf der Autobahn sei. Wer Lineker kennt, weiß um seine Hintergründigkeit. Denn eines sollte man wissen: Mit englischen Mannschaften ist es nicht anders.

Das bereits zitierte Spiel FC Bayern gegen Manchester United bekam seine für Bayern tödliche Wende, als der damalige Trainer Ottmar Hitzfeld glaubte, kurz vor Schluss Lothar Matthäus auswechseln und auf Halten spielen zu können. Der Fehler kostete Bayern den Titel. Wiederum in einem Endspiel um den Titel der Champions League, im so genannten und beworbenen Endspiel dahoam zu München, trafen besagte Bayern 2012 auf den englischen Club FC Chelsea. Das Muster wiederholte sich. Bayern ging kurz vor Schluss mit 1:0 durch ein Müller-Tor in Führung, Trainer Heynckes wechselte eben diesen Stürmer aus, um die Defensive mit einem anderen Spieler zu stabilisieren. Auch das ging bekanntlich schief. Chelsea egalisierte in der letzten Spielsekunde durch einen Kopfball von Didier Drogba, die Verlängerung ergab nichts und München unterlag im Elfmeterschießen.

Und nun gestern. Dortmund führte bereits nach 11 Minuten mit 2:0, in der zweiten Halbzeit zwischenzeitlich mit 3:1 und dann dachte Trainer Tuchel, er könne auf Halten spielen, wechselte offensive Spieler gegen defensivere aus. Und wiederum erteilte der Fußball dem richtigen Leben eine Lehrstunde, bzw. es wurde wieder einmal deutlich, wie nah der Fußball am richtigen Leben ist. Es wurde zu einem Höllensturm Liverpools und zu einem schrecklichen Debakel für den BVB. In den sprichwörtlich letzten Minuten drehte Liverpool das Spiel und gewann mit 4:3. Tuchel kann sich damit trösten, dass andere große Trainer vor ihm auch diesen Fehler begangen haben, und zwar nicht, weil sie dumm waren, sondern weil sie einem anthropologischen Muster erlagen.

Das gestrige Spiel  in Liverpool ist eine Blaupause für den Wunsch, einen Zustand, der alles erfüllt, was man sich erhofft hat, in seinem Status Quo zu erhalten. Um einen anderen Begriff einzuführen, es ging um Besitzstandswahrung. Auf Besitzstandswahrung zu setzen bedeutet immer auch die herrschende Dynamik ignorieren zu wollen und nach etwas zu streben, was historisch immer nur begrenzt, für trügerische Augenblicke des Stillstandes, scheinbare Geltung hat. Der Kampf um das goldene Kalb herrscht immer und überall und die einzige Strategie, die solide Validität hat, ist die, die auf alle Möglichkeiten bis zur letzten Sekunde setzt. In diesem Punkt war das gestern ein rauschendes Beispiel. Wie damals in Barcelona und wie vor einigen Jahren in München. So ist das Leben, liebe Freunde. Und gestern war das richtige Leben in Liverpool.

Adolfs Kutschen in der Krise

Jetzt reiben sich alle die Augen. Etwas ungläubig. Weil wir doch in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat leben. So meinen sie, zumindest die Verdrängungskünstler. Der große, ja Adolfs Volkskonzern hat einmal mehr bewiesen, wie das so geht, wenn die Realität einem großen Ziel gebeugt wird. Der größte Automobilkonzern sollte es werden. Nun wird es vielleicht einfach nur das Präludium für den Untergang des größten und wichtigsten Produktionszweiges der gesamten deutschen Industrie. Und vielleicht ist es ja, in Bezug auf die Umweltproblematik und die ganz anderen, neuen Erfordernisse der Mobilität nur folgerichtig, dass das jetzt ausgerechnet den Konzern mit der immer noch größten Staatsbeteiligung und der braunen Silhouette trifft.

Dessen Aufsichtsratschef, seinerseits auch noch im analogen Gremium des FC Bayern, einem besonderen Qualitätsmerkmal an sich, und natürlich des KDF-Derivats, des VFL Wolfsburg, stellte sich nach dem verkündeten Debakel, der instruierten Manipulation von Emissionsmessungen und deren PR-Verwertung und einer daraus resultierenden erforderlichen Rückholaktion von 11 Millionen Dieselfahrzeugen, vor die Kameras und bekundete sein Bedauern. Der Schaden wird noch weitaus größer sein als es diese Zahlen vermuten lassen. Es kann sogar sein, dass eine Rezession über die nationale Ökonomie hereinbricht, weil vor allem die Börse längst nicht mehr Äquivalente, sondern Emotionen und damit auch Hysterien tauscht. Und dieser Mann, Jahreseinkommen 16 Millionen Euro, stellt sich hin und sagt, es täte ihm leid.

Eigentlich ist es genau das, was der Volksmund so gerne großes Kino nennt. Und dass dieses so geht, ohne dass ein Generalstreik spontan ausbräche und der Delinquent aufgrund einer echauffierten Masse um Leib und Leben oder der umgehenden Sicherheitsverwahrung durch eine ermittelnde Staatsanwaltschaft fürchten müsste, erklärt sich tatsächlich mit einer Geschichte, die bei den braunen Horden beginnt und erst dann endet, wenn die größt mögliche Katastrophe gesichert ist.

Begonnen hatte das alles mit der Ideologie des Nationalsozialismus, zu dessen sozialistischer Variante die Vorstellung gehörte, dass bestimmte Güter, die die Herrschaft sicherten, jedem zustehen müssten. Das waren vor allem Radios namens Volksempfänger und Autos namens Volkswagen. Als die erste Katastrophe perfekt war und man sich im Westen das Maul zerriss über die Betriebe im Osten, die teilweise unter altem Management fortgeführt wurden, passierte das gleiche in Wolfsburg, der Bastion in der deutschen Tiefebene, in der auf die alles entscheidende Panzerschlacht mit den „Russen“ gewartet wurde. VW wurde fortgeführt, teilweise mit dem alten Management und weiterhin unter starker staatlicher Beteiligung. Bis zum Design seiner Karossen konnte das Unternehmen lange nicht die Herkunft leugnen und der Massenkonsum des Binnenmarktes sorgte dafür, dass vieles in der Tradition bleiben konnte.

Es müssen nicht die Skandale aus der Vergangenheit bemüht werden, vor allem nicht die Bestechung von Betriebsräten mit Besuchen in exklusiven Samba-Puffs in Rio de Janeiro, um zu verdeutlichen, dass zwischen dem Volkswagenkonzern und anderen industriellen, global operierenden Konzernen in Struktur und Kultur immer noch ein himmelweiter Unterschied besteht. Sonst könnte nicht ein Aufsichtsratsvorsitzender, der für diesen Betrug die Verantwortung trägt, auf die Idee kommen, mit einer Erklärung des Bedauerns sei der Käse gegessen. Das glauben nur Menschen, die sich über dem Gesetz und allen anderen gesellschaftlichen Regelwerken wähnen. Das glaubt kein Fahrraddieb, und nicht einmal ein Mundräuber! Und diejenigen, die jetzt mit dem Argument daherkommen werden, die anderen seien auch keine Schafe, die befinden sich in der Logik, die herrschte, als der braune Konzern gegründet wurde.