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Heute Journal: Wann wird zurückgeschossen?

Sie haben sich verdächtig nah an die propagandistischen Konstrukte aus der Vergangenheit begeben. Stören tut es momentan anscheinend nur eine Minderheit, die die Analogien zum Vorabend des II. Weltkrieges noch präsent hat. Da war es der Job der SS, mit fingierten Verletzungen der vermeintlich eigenen Souveränität Begründungen für die eigene Aggression zu konstruieren. So überfielen SS-Schergen den deutschen, an der Grenze zu Polen gelegenen Sender Gleiwitz, tarnten sich als polnische Nationalisten, strahlten für vier Minuten ein Programm zur Okkupation deutscher Gebiete aus und verschwanden wieder. Den deutschen Strategen reichte das, um später über alle Sender den berühmten Satz zu verkünden: Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen. Es war der Beginn des II. Weltkrieges.

Vor einigen Tagen verlas die Nachrichtensprecherin des heute Journals die Meldung, dass an der Grenze der EU beunruhigende Manöver seitens Russlands und Weißrusslands stattfänden, was in NATO-Kreisen zu großer Besorgnis geführt habe. Was nicht gemeldet wurde, war die Tatsache, dass die Manöver auf weissrussischem und russischem Hoheitsgebiete stattfanden und insofern als eine im Völkerrecht als Verteidigungsmaßnahme akzeptierten Rahmen stattfanden, während die Frage, was die EU und die NATO an der Grenze der beiden genannten Staaten zu suchen haben, nicht gestellt wurden. 

Gestern nun wurde, wiederum im heute Journal,  über das Zerwürfnis zwischen Frankreich und Australien im Zusammenhang mit dem geplatzten U-Boot-Geschäft berichtet. Die Gründung des AUKUS-Paktes, einer im Pazifik operierenden Militärallianz zwischen den USA, Großbritannien und Australien, wurde mit der wachsenden Aggressivität Chinas im südchinesischen Meer begründet. Man sprach dabei nicht von chinesischen U-Booten im Golf von Mexiko, sondern von amerikanischen U-Booten im südchinesischen Meer, die sich durch chinesische Seestreitkräfte gestört fühlen. Und in diesem Kontext sprach wieder einmal im gleichen Format eine Vertreterin von als seriöser Quelle eingestuften nebulösen Think Tanks davon, dass die verstärkte Konzentration der USA auf den Pazifik nun dazu führe, dass die Europäer sich nun selbst verstärkt um ihren „Hinterhof Russland“ kümmern müssten. 

Durch die Umwertung geographischer Begebenheiten und nationaler Souveränitätsbereiche werden in einem Format des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nach Art kriegsvorbereitender Propaganda die Nachrichten gestaltet. Befänden wir uns in einer tatsächlichen Republik, dann wären die Ermittlungsbehörden bereits aktiv und würden den dortigen Redakteuren wegen Volksverhetzung das Handwerk legen. Hier wird es, inmitten eines Bundestagswahlkampfes, ohne auch nur eine Gegenrede geschluckt. Es dokumentiert die Verwahrlosung, die sich in den Institutionen dieses Gemeinwesens bereits breit gemacht hat und die zeigt, dass zumindest in diesen Institutionen keine demokratische Substanz mehr vorhanden ist, um den Produzenten systematischer Fake News, den Hasspredigern, den verkappten Rassisten und offenen Kolonialisten das Handwerk zu legen.

Man fragt sich, was denn die Aufsichtsräte, in denen Vertreterinnen Vertreter aus Parteien und Verbänden sitzen, dort eigentlich machen? Sind sie, hypnotisiert von üppigen Kuchenbuffets, eigentlich noch ihrer Aufgabe gewachsen? Oder hat die tägliche Hirnwäsche bereits dazu geführt, dass sie tatsächlich an das glauben, was in den dortigen Giftküchen produziert wird?

Ihrer Aufgabe kommen weder sie noch die Ermittlungsbehörden nach. Das, was man republikanische Substanz nennen muss, ist in einem Land, das zunehmend im Rausch lebt, andere bekehren zu müssen, nicht mehr vorhanden. Tiefer kann ein Staat nicht sinken. 

Endspiel: Emotion gegen Verstand

Sie läuft. Die mediale Vernichtungsmaschine. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein Ereignis für einen Sturm der Entrüstung sorgt. Bei genauer Betrachtung geht es um Dinge, die einen kühlen Kopf verlangen, um mit ihnen adäquat umgehen zu können. Was auffällt, ist die Tatsache, dass die genauen Hintergründe, die zu einem Ereignis führten, keine Rolle mehr spielen. Wer nachfragt, was denn eigentlich passiert ist, wer was aus welchem Grunde gemacht oder gesagt hat, wird sogleich stigmatisiert als jemand, der die vermeintliche Tat unterstützt. Dabei sind die Fragen berechtigt, und eigentlich sollten sie von denjenigen gestellt werden, die sich professionell mit Berichterstattung beschäftigen. Die jedoch blasen in das gleiche Horn, sie haben sich in toto disqualifiziert. Erschreckend ist, dass sie momentan eine Macht ausüben, die die Politik vor sich herzutreiben in der Lage ist.

Politik ist die Branche, die mit Distanz und klarem Verstand die Dinge analysieren und daraus abgeleitet Vorschläge machen sollte, wie Probleme gelöst werden können. Begibt sie sich, wie allgemein festzustellen, in den Sog der organisierten Hysterie, dann ist von ihr nichts mehr zu erwarten. Die Bilanz ist schäbig. Die Prognose: die Gesellschaft befindet sich in einem unaufhaltsamen Prozess des Niedergangs. Der Verstand ist abgemeldet, die Emotion derer, die die mediale Welt beherrschen, dominiert die öffentliche Meinung, beherrscht die Politik und führt zu einem irrationalen Orkan, der das Ausmaß der gegenwärtigen Naturkatastrophen in den Schatten stellt.

Wer an der Diagnose zweifelt, sollte sich die Stimmen derer anhören, die das Schauspiel von außen, aus gesicherter Distanz betrachten. Von allen Kontinenten, unabhängig von der jeweiligen politischen Orientierung, gehen die Reaktionen auf die Zustände in unserem Land von verstörtem Unglauben über große Sorge bis hin zu beißendem Spott. Die inländische Reaktion darauf ist Resilienz und Belehrung. Wer einmal den Verstand verloren hat, dem ist kaum noch zu helfen. 

Das einzige, was hilft, sind Fakten. Und selbst auf diesem Terrain sind wir Zeugen eines Dramas, das seinesgleichen sucht. Da werden Fakten, die nicht in das eigene Weltbild passen, in Konkurrenz gestellt zu Sachverhalten, die den eigenen Standpunkt untermauern. Es versteht sich von selbst, dass die Form der Realität, die nicht genehm ist, in summa als Fake News und Verschwörungstheorien diskreditiert wird. Da hilft kein Versuch, die Lage von der Emotion bereinigen und in ein Stadium der Analyse überführen zu wollen. Wer einmal das hysterische Geschrei verweigert, der ist out. Die Wohlfühlblase entpuppt sich als martialische Killermaschine.

Interessant ist, dass man aus der Ferne begonnen hat, sich zurückzulehnen und Wetten abzuschließen, wie lange eine Gesellschaft eine solche Entwicklung wohl aushält. Ob sie weiter den Weg beschreitet, der im Fiasko endet oder ob es Kräfte gibt, die in der Lage sind, das Ruder noch einmal herumzureißen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Wetten auf einen Wechsel von der Hysterie zur Vernunft im Moment sehr schlecht stehen. Und es wird darüber spekuliert, wie das Ende des Weges wohl aussehen wird. Da tauchen schon Vorstellungen auf, die von einer chinesischen Kolonie oder einem amerikanischen Protektorat sprechen. Und selbst im Land selbst mehren sich die Stimmen, die das eine wie das andere als ein geringeres Übel ansehen wie die jetzigen Zustände. Kann die Verzweiflung markanter zum Ausdruck kommen? 

Populismus all night long

Im letzten Jahr war ich Zeuge eines Ereignisses und einer Vorgehensweise, die mich jeweils sehr erschütterten. Es ging um nichts Besonderes, aber es zeigt, in welcher psychologischen Falle sich sich die herrschende Politik befindet. Ob sie wieder dort herausfindet, ist zweifelhaft. Die Echokammer, in der sich auch die hiesige herrschende politische Öffentlichkeit befindet, ist versiegelt und für kritische Rückmeldungen nahezu nicht mehr zu durchdringen. Der täglich angeprangerte Populismus ist Bestandteil der Wirklichkeit geworden, und zwar auch auf Seiten der Politik im Amt. Es stellt sich die Frage, ob die Art von Kritik, die normativ gefordert wird, nicht auch gegen die Regierung angebracht ist. Sie ist, wie viele andere, vom Populismus infiziert.

Zurück zu dem Ereignis. Es war kurz nach dem Aufflammen der Fridays for Future-Bewegung. An einem bestimmten Freitag wurde auch in meiner Stadt zu einem besonderen Aktionstag aufgerufen, der mit einer Kundgebung auf einem großen, renommierten Platz enden sollte. Als ich auf dem Platz ankam, war ich sehr erstaunt, dass relativ wenige Menschen dort versammelt waren und und vor allem junge Leute fehlten. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass der Freitagnachmittag weiter fortschritt und darin wohl auch die Ursache für die Abstinenz der Massen zu suchen war. Dennoch wurde die Veranstaltung durchgeführt. Ich schätzte die Anzahl der Anwesenden auf ca. 500 bis 700. Eine Zahl, die weit unter den erwarteten und auch sonst in der Stadt erreichten Zahlen lag. So weit, so gut.

Erstaunt blickte ich am folgenden Montag in die Tageszeitung und las von 7000 Schülerinnen und Schülern, die sich aktiv um die Zukunft Sorgen gemacht hatten. In Bezug auf die Aktionen, die während der Unterrichtszeit am Vormittag in den Schulen stattgefunden hatten, war das durchaus möglich. Allerdings wurde die Überschrift mit der besagten Zahl mit einem Bild von der spärlich besuchten Kundgebung untermauert. Das war wohl so entstanden, dass der Fotograf auf der Bühne in die Knie gegangen war und mit einem Fischauge die Aufnahme gemacht hatte. Sie suggerierte ein volles Haus, zum bersten voll. Polizei, Presse wie die offizielle Politik sprachen von 4500, die dort versammelt gewesen seien. Aus meiner Sicht Fake News par excellence.

Im Grunde würde es sich um eine Petitesse handeln, wären nicht nahezu alle Akteure, die sich an der eigenen Überschätzung berauschten, diejenigen, die bei der Inauguration von Donald Trump Gift und Galle gespuckt hatten, als er und sein Pressestab trotz leerer Straßen in Washington von dem größten öffentlichen Interesse je gesprochen hatten. 

Entscheidend ist nicht das einzelne Ereignis. Entscheidend ist das Muster, das sich dahinter verbirgt. Es ist zu beobachten, dass die von einer immer mehr um sich greifenden Abwendung vieler Menschen von dem, wie sich Politik bisher gebärdet hat, darauf geschlossen wird, dass die Methoden derer, die davon im Moment profitieren, erfolgversprechende sind. Offiziell wird das nicht zugegeben, aber klammheimlich werden die Methoden zunehmend kopiert. Das Ergebnis ist verhängnisvoll. Eine Politik der großen Linien und der Grundsätze ist nicht erkennbar, eine erkennbare Wirkung soll es quasi nicht mehr geben, die mediale Resonanz mit Halbwertzeiten von  wenigen Stunden ist wichtiger als Substanz.

Und es geht, wie es in solchen Fällen immer gehen muss. Erst werden kleine Fake News produziert und irgendwann folgen die Personalien. Die Idee, in Sachsen-Anhalt den Erzpopulisten Rainer Wendt zum Staatssekretär des Innern machen zu wollen, dokumentiert, wie weit der Populismus in den Köpfen der so genannten anderen Parteien bereits gesetzt ist.