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Plädoyer für ein neues Tauwetter

Gabriele Krone-Schmalz. Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist

Gabriele Krone-Schmalz legt nach. Nach ihrem 2016 veröffentlichten Buch mit dem Titel „Russland verstehen“, das ihr sehr positive Reaktionen einbrachte, sie aber vor allem in den öffentlichen Medien zur Hexe mutieren ließ, veröffentlicht sie nun ein zweites Buch zum Thema Der Westen und Russland. Dafür hat sie den Titel Eiszeit gewählt, sicherlich eine Anspielung auf die an Wintermetaphern reiche russische Sprache, die aber auch Zeiten des Tauwetters, d.h. der Öffnung und der Hoffnung auf Vertrauen kannte. Frau Krone-Schmalz ist allein wegen ihrer Zeit als Auslandskorrespondentin in den Jahren 1987 bis 1991 in Moskau ein Mensch mit unschätzbarer Erfahrung. Waren es doch jene Jahre, als das Sowjetimperium in sich zusammenbrach und eine Neuordnung Russlands notwendig wurde. Sie hat die Befindlichkeiten direkt miterlebt, die mit einem solchen Prozess einhergehen.

Das Thema des Buches steht unter dem Subtitel: Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist. Die Dämonisierung Russlands durch die amerikanischen Falken scheint das einzige Leitmotiv zu sein, das der Westen direkt seit dem Bruch der Versprechungen an Russland einsetzte. 1990, als es auch um die Wiedervereinigung Deutschlands ging, hatten die USA, die westlichen Siegermächte Großbritannien und Frankreich sowie der deutsche Kanzler Helmut Kohl der russischen Seite in die Hand geschworen, dass es keine Osterweiterung der NATO geben werde. Bill Clinton als Nachfolger Bushs sen. hielt sich bereits zwei Jahre später nicht mehr daran. Seitdem wurde, nicht nur aus der hysterischen Sicht des Kremls, Russland vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer direkt vor der Nase mit NATO-Stützpunkten konfrontiert. Mit Ausnahme von Georgien und der Ukraine. Dort lagen die Sollbruchstellen für Russland und dort zeigten es, dass es nicht alles mit sich machen lässt.

Das Buch Eiszeit widmet sich daher sehr intensiv mit diesen beiden Konfliktherden. Frau Krone-Schmalz führt ohne jede Polemik die Fakten an und versucht, sie aus der unterschiedlichen Perspektive beider Seiten zu deuten. Dass dabei die russische Sicht eine andere ist als die des Westens ist wohl eine Binsenweisheit, die allerdings nicht bis in die von den Amerikanern orchestrierte Diplomatie vorgedrungen ist. Diese Art von Regie, die auch die dominierende im Falle Syriens war – auch dieser Konflikt wird unter die Lupe genommen – , führt zu den Verhängnissen, in die der Westen zunehmend schlittert. Das Umlenken von der Konfrontationslogik hin zu vertrauensbildenden Maßnahmen wird immer schwieriger.

Neben der Aufarbeitung der Konfliktfälle Georgien und der Ukraine sowie Syriens unternimmt die Autorin den Versuch, die Logik einer anderen Politik nachzuzeichnen, die vielleicht mehr zum Positiven beigetragen hat als die Militägeshchichtsschreibung mit ihren Drohpotenzialen zugeben will. Es war die Formel „Wandel durch Annäherung.“ Das Diktum Egon Bahrs, des Vertrauten Willy Brandts, führte zu der Architektur, die die neue deutsche Ostpolitik genannt wurde. Sie erkannte die Realitäten an und bewirkte dadurch einen Dialog beider Seiten, der trotz aller Rückschläge zu einer sichereren Welt beitrug.

Es ist folgerichtig, dass Frau Krone-Schmalz das letzte Kapitel von „Eiszeit“ mit dieser Formel, Wandel durch Annäherung, überschrieb. Letzteres wäre tatsächlich eine Alternative zu dem Debakel, das uns heute zu Füßen liegt. Die Lektüre ist eine Wohltat, im Vergleich zu den medialen Dämonisierungsschnipseln, die überall herumflattern.

Bob Dylans Klarheit der Sprache

Wer seinen Augen und vor allem Ohren traut, der war immer gut beraten, eine Stimme zu hören, die seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts das verschlafene, verklemmte, verbrämte und verklebte Bürgertum heftig aufschreckte. Das Märchen von der christlich bürgerlichen Ehe, natürlich einer weißen, von der abendländischen Kultur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wurde von diesem daher gelaufenen Immigranten, der mit einer schrottigen Westerngitarre daherkam, einfach geschreddert. Er schrieb und sang von den Verwerfungen des amerikanischen Lebens, von den Lügen und ihren Dekors und es gelang ihm wie keinem, in der Alltäglichkeit des rauen Daseins eine Poesie zu begründen, die atemberaubend war und ist.

Immer stand er gegen den Mainstream, er spielte Folk, als der Swing zur schalen Tanzmusik verkam, er rockte, als das Rebellenestablishment in den Folk zog und als dieses begann zu rocken, zog es ihn zu Stille und Innerlichkeit. Auf jedem seiner avantgardistischen Wege hinterließ er Musik, die auf allen Kontinenten Resonanz fand und er formulierte Texte, die zur großen Kunst des 20. Jahrhunderts zu zählen sind. Und wenn es je einen qualitativen Nachweis für die mögliche Fusion von Rebellentum und Ästhetik gegeben hat, dann ist sein Name an vornehmer Stelle zu nennen.

Nun, immer wieder existieren historische Phasen, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie wie die Eiszeit über die Zivilisation herziehen und alles erstarren lassen, woraus eine attraktive Kultur ihr Leben zog. Das kann mal in der Form von glatt rasierten Schädeln und Uniformen geschehen und mal im verlotterten, vermeintlich demokratischen Gewande. Oder, und das ist die perfideste Form der zivilisatorischen Zerstörung, die schneidigen Barbaren bedienen sich der vermeintlichen Demokraten, um ein Marionettentheater aufzuführen. Ein Beispiel für diese Variante bietet, stellvertretend für andere westeuropäische Länder, das politisch korrekte Frankreich unter der Regierung Francois Hollandes.

Bob Dylan, die Ikone gegen Rassismus und Verlogenheit, wurde in Paris von einer kroatischen Vereinigung wegen Rassismus und Aufruf zu Hass angezeigt, weil er in einer Ausgabe des Rolling Stone im Jahr 2012 ein Interview gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Da es sich um eine monströse Interpretation handelt, hier die Sätze im Wortlaut, zitiert direkt aus dem Magazin Rolling Stone:

„Dieses Land ist einfach zu abgefuckt, was die Hautfarbe angeht. (…) Leute gehen sich gegenseitig an die Kehle, nur weil sie verschiedene Hautfarben haben. Es ist der Gipfel des Wahnsinns und wirft jede Nation – oder Nachbarschaft – zurück. Schwarze wissen, dass einige Weiße die Sklaverei nicht aufgeben wollten, dass, wenn es nach ihnen gegangen wäre, die Schwarzen immer noch unter ihrem Joch stünden. Sie können nicht so tun, als wüssten sie das nicht. Wenn du das Blut eines Sklaventreibers oder eines Klan-Mitglieds in deinen Venen hast, spüren diese Schwarzen das. Diese Sachen klingen bis heute nach. Genauso wie die Juden Naziblut ausmachen können, oder die Serben das Blut von Kroaten.“

Im Falle der Kroaten spielt Dylan auf das faschistische Ustascha-Regime während des II. Weltkrieges an, das sich schlimmer Pogrome an Juden, Serben, Sinti und Roma schuldig gemacht hatte. Die juristische Finte, mit der der Rat der Kroaten in Frankreich (CRICCF) Bob Dylan vor Gericht und zur Verurteilung bringen will und der Eifer, mit dem die französische Staatsanwaltschaft die Causa vorantreibt dokumentieren nur eines: Die Zeiten, dass Political Correctness eine Zeiterscheinung einiger verirrter Hardliner zu sein schien, sind längst vorbei. Im Herzen Europas konstituieren sich gegenwärtig Terrorregime gegen die freie Meinungsäußerung und sie suchen einen diktatorischen Code zu etablieren, der die Differenzierung zwischen Gut und Schlecht gar nicht mehr zulässt.

„No reason to get excited (…)
There are many here amoung us
Who feel that life is but a joke
But you and I, we´ve been through that
And this is not our fate
So let us not talk falsely now, the hour is getting late.”

Aus: Bob Dylan, All Along The Watchtower